Atomkapital: Lügen einräumen, um sie neu aufzutischen zu können!
 


Cramer, Vorstandssprecher des Energiekonzerns Vattenfall, räumt in einer bundesweit am 29.11.07 geschalteten Anzeige "Fehler in der Kommunikation" ein. Gemeint sind die Lügen, derer sich das Unternehmen bezüglich der Unglücksfälle in Krümmel und Brunsbüttel in so umfangreichem Maße bediente, daß sogar die deutsche, dem Kapital wohlgesonnene Presse nicht umhin konnte, diese an den Pranger zu stellen - im wesentlichen dazu übrigens, die Atomindustrie im allgemeinen gegen die Verfehlungen eines unverantwortlichen Unternehmens in Schutz zu nehmen, was umso leichter fiel, als der Konzern seine Zentrale nicht in Deutschland hat.
Kaum hat Cramer jetzt - 5 Monate später - diese Lügen eingeräumt, tischt er sie umgehend neu auf. Bevölkerung und Umwelt seien "zu keiner Zeit gefährdet" gewesen. An diesem Punkt mag er einerseits das Publikum für bekloppt halten, andererseits heischt er nach Verständnis - der dem Kapital wohlgesonnenen Journaille. Angesichts der Konkurrenzsituation auf dem Energiemarkt kein schlechter Zeitpunkt und so bläst er einen "Energiemix" zum Argument der Verantwortung auf, wo, wie jeder weiß, das Kapital sowieso mit allem Geschäfte macht, was sich so anbietet. Und auch bei all und jedem Geschäft den Sachzwang des Sparens kennt, seien es die Löhne der Mitarbeiter, sei es die Sicherheit. Man soll es einem Atomkapital also abnehmen, daß es bei der Sicherheit nicht gespart hätte, wenn es die staatlichen Auflagen nicht so genau genommen hat? Auflagen allenthalben, die dem Kapital auch nur das zumuten wollen, was es selbst für verkraftbar hält, d.h. den Profit nicht in dem Maße schmälert, daß einem Kapital in der Konkurrenz der Kapitale keine Nachteile entstehen, staatliche Auflagen nichtsdestotrotz daher dem Kapital für seinen Geschmack immer ein Zuviel zumuten.
Was der Konzern Vattenfalls aufgrund seines Rechtfertigungsbedarfs auch noch selber einräumt, wenn er - in Fettschrift hervorgehoben - sagt: "Mit einem umfangreichen Maßnahmenpaket verbessern wir weiterhin die Sicherheit in unseren Kernkraftwerken." Da scheint ja nun wirklich einiges im argen zu liegen, wenn solche Maßnahmen erst noch anstehen...

Die Lüge der Fiirma Vattenfall, die Sicherheit ginge dem Unternehmen über alles, hieße - einmal für bare Münze genommen -, gerade solche "Schrottreaktoren" (so Dirk Seifert von Robin Wood, taz, 29.11.07) - oder wie es offiziell heißt: Reaktoren überholter Baureihe - wie Krümmel und Brunsbüttel müßte es von sich aus möglichst noch heute ein für allemal aus dem Verkehr ziehen; aber überhaupt eigentlich alle Atomreaktoren, denn die Natur der Sache, die Spaltung von Uran, ist eine so folgenschwere Angelegenheit*, daß Sicherheit per se nur eine sehr relative sein kann. Weshalb auch immerzu neue Sicherheitsmaßnahmenpakete nötig sind.

Daß das Energiekapital von sich aus irgendwelche AKWs dichtmacht ist aufrgund seines Geschäftsinteresses ebensowenig zu erwarten, wie es der Öffentlichkeit reinen Wein einzuschenken gedenkt. Und auch die Protagonisten des deutschen Staats und des deutschen Welterfolgs werden alle Hebel in Bewegung setzen, die AKWs weiter strahlen zu lassen. Zum Profitargument der Industrie hinzu zählt für sie ja das Argument der (vergleichsweise kostengünstigen) Energieversorgungs"sicherheit" im allgemeinen als Quidproquo des kapitalistischen Standorts D. Die Sicherheit Deutschlands hat natürlich ganz anderes Gewicht als die technologisch-fysikalische AKW-Sicherheit, das wissen auch die AKW-Betreiber nur allzu gut! 
Sie gehen davon aus, daß der Energiebedarf für D parallel zu einem erwünschten Wirtschaftswachstum ein weiter wachsender Wert ist. Für dessen Erbringung hätten sie quasi selbstlos eine Pflicht auf sich genommen. Würden sie AKWs abschalten, so ihre Logik, müßte der Staat in Kauf nehmen, daß sie ihm mit Kohlekraftwerken bei seinen CO2-Zielen einen Strich durch die Rechnung machen müßten. (Das heißt dann bei ihnen propagandistisch: "Kernenergie senkt den
CO2-Ausstoß deutlich und leistet so einen Beitrag zum Klimaschutz." [Aber auch nur so, im Konjunktiv!])
Kurzum: Staat und Atom-Kapital müßten wissen - so der Tenor der Anzeige -, was sie aneinander haben und sie wissen es selbstverständlich auch.
Die Kosten an Geld und Gesundheit haben ja ohnehin nur die zu tragen, die sich keine ganzseitigen Anzeigen in deutschen Zeitungen für ihre Interessen leisten können. Und von denen auch keiner (zumindest ohne Selbstverleugnung oder purer Dummheit) journalistischer Verantwortungsträger werden kann - denn Verantwortung läßt sich nur für den Staat und dessen - kapitalistische - Ökonomie tragen. (29.11.07)

----------------------------------------
*1. Privatwirtschaftliche Nutzung von Kernenergie
Kernspaltung – mit was hat man es da zu tun?
Bei der Spaltung von schweren Atomkernen, z.B. Uran entstehen zwei meist radioaktive Spaltkerne und jede Menge Energie. Die freigesetzte Energie stammt aus der Bindungsenergie der Nukleonen. Sie wird abgegeben in Form von elektromagnetischer Strahlung (γ) und in Form von Bewegungsenergie der Bruchstücke: α, β und Neutronenstrahlung. Die diesen Prozeß immer begleitende Strahlung schädigt lebende Organismen und verändert  das Gefüge noch jeden Werkstoffes. Durch den Einfang von Neutronen wird bestrahltes Material selbst radioaktiv, die Spaltkerne sind selbst radioaktiv und zerfallen mit langen Zerfallszeiten.
Dieser fysikalische Prozeß wird in Atombomben benutzt, wo die in sehr kurzer Zeit freigesetzte enorme Energie ihre zerstörerische Wirkung tut: Hitze/Druckwelle/Wärmestrahlung. Die dabei entstehende radioaktive Strahlung ist bezweckt, um den Feind zu schädigen.

In AKWs läuft der gleiche Prozeß kontrolliert ab. Anders als bei der unkontrollierten Kettenreaktion in der Bombe leitet immer nur eins der zwei bis drei freiwerdenden Neutronen eine neue Spaltung ein. Solange nichts Unvorhergesehenes passiert, wird das durch technische Vorkehrungen gewährleistet. Die freigesetzte Energie erhitzt Wasserdampf, welcher über Turbinen Generatoren antreibt.
"Beim Reaktorbetrieb entstehen durch Leckagen und Neutronenaktivierung gasförmige, flüssige und feste Reaktorbetriebsabfälle, die soweit wie möglich zurückgehalten werden.  [...] Radioaktive Abfälle wurden bisher abhängig von der Aktivitätskonzentration in schwach-, mittel- und hochaktive Abfälle unterteilt. Für Zwecke der Endlagerung ist eine Unterscheidung der radioaktiven Abfälle nach der Wärmeentwicklung zweckmäßiger." (Informationskreis Kernenergie)
Die dabei anfallende radioaktive Strahlung läßt sich nicht verhindern, sondern bloß abschwächen. Die Anlagen geben Radioaktivität an die Umgebung ab und die im Kraftwerk selbst eingesetzten Stoffe (das Gebäude, das Kühlwasser, der Reaktorbehälter…) werden durch Bestrahlung radioaktiv. Es fallen hochradioaktive Spaltprodukte an, die auf tausende von Jahren endgelagert müssen. Mit baulichen Maßnahmen gelingt es den Betreibern, die Ausbreitung von Strahlung in die Umgebung erheblich zu reduzieren. Vorausgesetzt dabei ist immer der "störungsfreie Normalbetrieb".

Durch den Vergleich mit natürlicher Strahlung wird die zusätzliche Strahlung durch AKWs verharmlost. Radioaktivität per se sei eine alltäglichen Erscheinung, die es in der Natur auch ohne AKWs schon gebe und auf die sich der menschliche Organismus sowieso schon eingestellt habe. Dabei fließt die Strahlung, welche bisher  durch AKWs und Kernwaffentests freigesetzt wurde, schon in die Schätzung sonstiger Strahlung auf dem Planeten mit ein. Klar ist, daß diese zusätzliche Strahlendosis die schädlichen Wirkungen der natürlichen Strahlung potenziert.
Ausgerechnet das Wissen um sichere Schädigung dient zur Festlegung von Grenzwerten: Per staatlicher Festsetzung ist jede Strahlungsexposition durch atomtechnische Anlagen unterhalb der erlaubten Dosis hinzunehmen!

"Ein störungsfreier Normalbetrieb wird durch Qualitätssicherung gewährleistet. Es erfordert die Verwendung qualitativ hochwertiger Komponenten und Anlageteile [...], die Einplanung hoher Sicherheitsreserven, eine schonende Betriebsweise und den Einsatz fachkundigen Betriebspersonals. [...]. Um Betriebsstörungen (z.B. geringer Druckanstieg in den Kühlmittelleitungen über den Regelbereich hinaus) feststellen und beherrschen zu können, sind Störungsmelder und Begrenzungseinrichtungen vorhanden. [...] Auslegungsstörfälle (z.B. Bruch einer Hauptkühlleitung) sind zwar aufgrund der vielen sicherheitstechnischen Vorkehrungen unwahrscheinlich, können im Prinzip aber dennoch eintreten. Sie müssen dann sicher beherrscht werden." (Informationskreis Kernenergie)
Mit technischen Vorkehrungen versuchen die Kraftwerksbetreiber, den freigesetzten Spaltprozeß unter Kontrolle zu halten. Daß technische Systeme immer fehlerfrei laufen, ist dabei angestrebtes Ideal, welches nie erreicht werden kann:
Mit ihren mehrfach ausgelegten Systemen, Notkühlungen und Schnellabschaltmechanismen tragen die Betreiber dem Rechnung, daß es zu Betriebsstörungen wegen Materialermüdung durch Druck bzw. Hitze und Strahlungsversprödung kommt, welche sich katastrofal auswirken können (Freisetzung größerer Mengen von Radioaktivität, Zerstörung der Anlage). Ständig werden Reparaturen und Nachrüstungen fällig, und führen zu technischen Kombinationen, über deren Zusammenwirken erst bei der Anwendung Wissen und Erfahrung gesammelt wird.
So kommt es zur Ausstattung der Atomkraftwerke in Deutschland mit neuester Betriebstechnik, welche diese zu den laut maßgeblicher Meinung "sichersten AKWS der Welt" macht. Bei selbigen handelt es sich um nichts anderes als um ein laufendes Experiment darüber, wie die neuen Bauteile dem fortwährenden Einwirkungen von Radioaktivität, Druck etc. standhalten.

"Um die Sicherheit von Kernkraftwerken weiter zu verbessern, wird eine umfassende Sicherheitsforschung betrieben. Man versucht, einzelne Komponenten zu verbessern, vorhandene Sicherheitsreserven zu bestimmen, einzelne Schutz- und Sicherheitssysteme in ihrem Zusammenspiel unter immer neuen Bedingungen zu beurteilen sowie den Ablauf möglicher bzw. hypothetischer Störfälle zu analysieren. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse können zur Verbesserung der bestehenden Sicherheitssysteme beitragen." (Informationskreis Kernenergie)
„Damals [28. Juni 2007, Krümmel-Störfall] hatte das Bedienungspersonal nach einem Brand in einem Transformatorraum eine Schnellabschaltung des Reaktor eingeleitet, obwohl dies offensichtlich nicht notwendig war, sondern vielmehr ein zusätzliches Risiko bedeutete." (Süddeutsche Zeitung)
Da von einem Störfall zu sprechen, suggeriert, es würde sich um einen Fehler handeln, der "eigentlich" nicht passieren dürfe und nur eine Ausnahme darstelle, die sich bei falscher Handhabung einstellt. In Wahrheit ist der Störfall eine notwendige Erscheinung der Nutzung dieser Technik, die beim Einbau von Sicherheitssystemen unterstellt ist und im Vorwurf des menschlichen Versagens geleugnet wird. Sicherheitssysteme funktionieren nicht selbstverständlich, unterliegen derselben Schädigung durch Strahlung und Hitze wie jedes übrige Bauteil und führen sogar bei erfolgreichem Funktionieren zu weiteren Schäden (Freisetzung von radioaktiv verseuchter Luft und verseuchtem Wasser). Was die Fachleute Risikoabschätzung nennen, beruht erstens auf der Lüge, ein Schaden trete erst in Zukunft ein, und sei nicht notwendig, weil zufällig, und zweitens handelt es sich dabei um nichts anderes als eine – willkürliche – Festsetzung der "zumutbaren" Schädigungen (welche und wie viele Sicherheitssysteme notwendig sind), die vor allem deswegen hinnehmbar seien, weil auf Restrisiko reduziert: nach menschlichem Ermessen praktisch also ausgeschlossen sei, daß eine Schädigung eintritt.

"Der eine [Reaktor], Isar 1, bringt Wasser zum Sieden und jagt den Dampf direkt durch eine Turbine – ein Siedewasserreaktor. Der andere erzeugt zwar letztendlich auch Dampf, das aber in einem eigenen, völlig autonomen Kreislauf. Mehr noch: Isar 2, in Betrieb seit 1988, zählt zu den neuesten deutschen Kernkraftwerken, im vergangenen Jahr erzeugte weltweit kein Reaktor mehr Strom als dieser. Der Nachbarreaktor dagegen ist ein Modell der "Baureihe 69", zählt mithin zu den ältesten deutschen Kernkraftwerken. Kritiker halten diese Baureihe für besonders störanfällig. Siemens wollte seinerzeit einen besonders kompakten Reaktor bauen. 'Das sollte Kosten sparen', sagt Wolfram König, Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz." 
(Süddeutsche Zeitung)
"Die Wahrscheinlichkeit eines 'schwerwiegenden Unfalls' nehme zu. Oft mangele es an erfahrenem Personal und Geld." (Wolfgang Kromp, Mitverfasser der Studie "Restrisiko",
ebenda)
Weil man mit Stromerzeugung durch Kernenergie Geld verdienen kann wird sie privatwirtschaftlich betrieben. Ein Unternehmen, das mit Kernkraft ein Geschäft machen will, muß darauf achten, daß die abgegebene Nutzenergie rentabel ist. Damit der Unterschied zwischen Gewinn und Kosten möglichst groß ist, erledigen Kapitalisten ihren Job und unterscheiden zwischen unbedingt notwendigen Aufwendungen für die erwünschte Wirkung Stromerzeugung einerseits und Kosten für unnütze Rücksichtnahmen auf die sonstigen Wirkungen andererseits. Genauso wie bei jedem anderen Geschäft legen sie diesen Maßstab auch an AKWs an, wenn sie sie mit Betriebs- und Sicherheitstechnik ausstatten. Das AKW soll störungsfrei laufen, aber bei möglichst niedrigen Kosten. Dafür werden 1) Ausgaben für Gerätschaften und Sicherheitstechnik niedrig gehalten (da werden schon mal falsch eingebaute Dübel an sicherheitsrelevanten Anlageteilen nicht ausgetauscht). 2) "Unnötiges" Abschalten des Kraftwerks ist zu vermeiden. Weil Sicherheitsmaßnahmen nur den normalen Ablauf stören und deswegen gewinnschädigend sind, und das Abschalten des Kraftwerks sowieso, werden die Grenzen des kalkulierten Risikos immer weiter hinausgeschoben. 3) Für Extragewinn läuft das Kraftwerk auch über die geplante Auslastung hinaus. 4) Bei Überwachungspersonal wird gespart an Anzahl und Ausbildung. Erst aus der Zeitung erfährt man, daß "unqualifiziertes" Personal nach stundenlanger Überwachungstätigkeit entscheiden muß, ob es eine Fehlermeldung ernst nimmt und Gefahr läuft, seinem Unternehmen vermeidbare Kosten zu verursachen, oder ob es riskiert, daß eine kleine Störung außer Kontrolle gerät. Wie gut das den Arbeitern gelingt, können sie im Voraus gar nicht wissen, weil es sich erst beim erfolgten Schaden heraus stellt, ob die unterlassene Maßnahme notwendig gewesen wäre.

2. Staatliche Aufsicht
"Meldungen über Störfälle besorgen mich auch. Man darf nichts verniedlichen. Genauso wenig dürfen Störfälle instrumentalisiert werden, um die Technologie in Frage zu stellen. Der vorzeitige Ausstieg aus der Kernenergie wäre für die Wettbewerbsfähigkeit unserer energieintensiven Wirtschaft verheerend." (Christian Wulff, Ministerpräsident von Niedersachsen)
Der kapitalistische Staat schätzt die Möglichkeit zur Erzeugung von Energie für seine Volkswirtschaft. Kernenergie ist dafür ganz besonders nützlich, weil sie – nachdem sie jahrzehntelang staatlich mit Milliardenbeträgen gefördert wurden –  billigen Strom für das nationale Wirtschaftswachstum liefert (Uran ist im Verhältnis zur Menge an Energie, die daraus gewonnen wird, billiger als Kohle, Öl und Erdgas) und die Konkurrenzfähigkeit der nationalen Volkswirtschaft verbessert. Wenn der Staat Kernenergie nutzt, dann streut er seine Abhängigkeiten nach außen, und hat ein Konkurrenzmittel gegen andere kapitalistische Staaten und Förderländer der Dritten Welt an der Hand. Und wenn er sie privaten Unternehmen als Geschäftsmöglichkeit überläßt, bereichert er seine nationale Industrie durch einen weiteren erträglichen Zweig, nämlich den der Atomtechnologie, und schafft auch gleich noch einen Exportschlager. Deshalb hat der deutsche Staat in der Vergangenheit den Aufbau einer Kernkraftindustrie staatlich gefördert und ihre Geschäftsrisiken weitgehend staatlich abgesichert. Er ist in die Liga von Mächten aufgestiegen, die über die technologischen Mittel zum Bau von Atombomben verfügen, und bestimmt durch den Handel mit Atomtechnologie mit, wem auf der Welt die Technologie zusteht.

"Zum Schutz des Kraftwerkspersonals und der Bevölkerung hat der Gesetzgeber in der Strahlenschutzverordnung Dosisgrenzwerte festgelegt, die nicht überschritten werden dürfen. [...] Für beruflich strahlenexponierte Personen beträgt der Grenzwert der effektiven Dosis 20 mSv/a. Für Personen, die außerhalb der Strahlenschutzbereiche eines Kernkraftwerks leben oder arbeiten, darf die effektive Körperdosis durch die Ableitung radioaktiver Stoffe für jeden der Expositionspfade Wasser und Luft den Wert von 0.3 mSv/a nicht überschreiten." (Informationskreis Kernenergie)
Weil der Staat will, dass auf seinem Territorium Atomtechnologie benutzt wird, macht er die Beaufsichtigung ihrer Schäden zu seinem Hauptanliegen. Um Gesundheit als Basis für die Benutzbarkeit des Volkes zu sichern reicht es, die Schäden in Grenzen zu halten. Volksgesundheit heißt die Disziplin, in der er mit bereits eingetretenen Schäden so kalkuliert wird, daß er sich eine funktionierende Mannschaft erhält. Und das ist ganz was anderes als die Vermeidung  von Krebserkrankungen einzelner – vom Standpunkt der Strahlenmedizin gibt es keine ungefährliche Strahlungsdosis. Bestehendes Wissen über Erkrankungsverlauf wird hochgerechnet und für einen nicht existierenden mathematisch-durchschnittlichen Menschen wird festgesetzt, wie lange sein Körper einer Bestrahlung standhält, bevor die zu erwartenden Krankheiten auftreten. Staatliche Soll-Werte legen die vertretbare Schädigung fest und leugnen Schäden durch geringere Strahlungsexposition. Das Verhältnis zwischen der Gefährdung seines Menschenmaterials und der gewünschten Energieproduktion legt er im Atomgesetz fest und gestaltet die Sicherheitsauflagen so, daß in der Kernkraftwerksindustrie mit Gewinn produziert werden kann.
"Die periodische Sicherheitsüberprüfung, um deren Ergebnisse es geht, war 2001 vorgenommen worden. Eigentlich hätte sie bereits 2003 abgeschlossen sein sollen. Noch im Juni 2006 fehlten jedoch nach Informationen der Deutschen Umwelthilfe 165 Nachweise." (Süddeutsche Zeitung)
Wenn der Staat die Kosten für Menschen- und Naturmaterial einkalkuliert, die ihm aus den kleinen und großen Unfällen erwachsen, ergeben sich andere Daten als die der AKW-Betreiber. Obwohl er jede Rücksicht aufs Geschäft nimmt, haben staatliche Auflagen immer noch die Gestalt lästiger Vorschriften. Die Stromkonzerne gehen mit den staatlichen Auflagen um. Dabei reicht es für den Betrieb der Anlage, wenn die Wirkungen einigermaßen kalkulierbar sind und die Folgen so reduziert werden, daß sich Öffentlichkeit und Staat zufrieden geben. Weil es nun mal zum Betrieb der Anlage und zu ihrer Wirtschaftlichkeit gehört, daß laufend radioaktive Stoffe freigesetzt werden, testen die Betreiber auch laufend aus, wie streng die staatlichen Kontrollen gehandhabt werden. Die Abgabe von radioaktiven Substanzen wird reduziert, kontrolliert und manchmal auch außerhalb der staatlich festgesetzten Richtwerte praktiziert. Störungen und Zerstörung (z. B. Versprödung durch Strahlung, Spannungskorrosion durch die Hitze) kalkulieren die Betreiber betriebswirtschaftlich ein, bewältigen sie in Form von Richtwertüberschreitungen, und nutzen sie als Gelegenheit, um die gesammelte aufgeschobene Behebung anderer Schäden mit zu erledigen.