Wie die deutsche Politik in Zeiten des Wahlkampfs einmal mehr nach rechts rückt
Mit dem Versprechen von 4 Millionen neuen Arbeitsplätzen ist die
SPD, mit dem von 1 Million sind die GRÜNEN in den Wahlkampf
gezogen. Die politische Konkurrenz wußte sogleich, daß
diese Zahlen unrealistisch sind, weil das Kapital in absehbarer Zeit
nicht annähernd soviel Arbeitskräfte rentabel verwerten kann.
Selbst wenn der Staat durch Lohnzuschüsse dem Kapital unter die
Arme griffe, könnte er kaum soviel zusätzliches Wachstum
schaffen, das die Anwendung der Arbeitskräfte sinnvoll, das
heißt eben: profitabel, erscheinen ließe. Natürlich
könnte der Staat auch sogenannte Konjunkturprogramme auflegen - wie sie z.B. auch die Linkspartei fordert,
also zum Beispiel die Republik noch weiter mit Straßen
zubetonieren. Doch da fragen sich die Staatsprotagonisten angesichts
der Ebbe in der Bundeskasse selber, woher mit dem Geld.
Kurzum: Worauf zielt insbesondere der Vorschlag der deutschen Sozialdemokratie?
Wenn die Politik dem Kapital die Schaffung von Arbeitsplätze zumuten will
und es hat allen Anschein, daß die Sozialdemokraten das
wollen, dann bedeutet das nicht nur eine Einordnung in den
kapitalistischen Klassenstaat, vielmehr eine Unterordnung unter diesen.
Also: Das Kapital soll nicht einfach gefördert werden, wozu die
Erleichterung der Entledigung von überflüssig gemachten
Arbeitskräften gehört, damit der Staat seinerseits
möglichst gut am erfolgreichen Geschäftsgang des Kapitals
partizipiert. Umgekehrt: Weil der Geschäftsgang an Erfolg zu
wünschen übrig läßt, verordnet der Staat eine
Erfolgstherapie, die das sonst übliche Rezept einfach umdreht: Als
ob mit der schieren Anwendung von Arbeitskraft auch Erfolg programmiert
wäre, möchte ein solcher Staat dem Kapital plausibel machen,
daß Erfolg auch anders buchstabiert werden kann. An das
gesellschaftliche Verantwortungsbewußtsein des Kapitals willl er
nicht ewig nur appellieren. * (Die neue Sozialdemokratie, die sich DIE
LINKE nennt, befindet sich auf ähnlicher Schiene.)
Es ist also eine ziemlich grundlegende nationale Alternative ins Spiel
gebracht: Entgegen der Privilegierung und Förderung des Kapitals als
staatlichem Selbstzweck wird dem Kapital eine nationale Rechnung
aufgemacht, die ihm - in welchem Umfang das ist dann die Frage -
zumindest ein Arrangement mit den etwas anspruchsvolleren staatlichen
Belangen abverlangt. Der Staat ist nicht zufrieden damit, was das
Kapital in all seiner Freiheit ihm an Mitteln abwirft. Und zur
Lösung fällt ihm naturgemäß nichts anderes ein als
das Pochen auf seiner Hoheit, seiner Gewalt, dem auch die von ihm stets
bevorzugten Klassen des Kapitals zumindest im Prinzip unterworfen sind.
An dieser ins Spiel gebrachten Alternative können
Faschisten nahtlos anknüpfen. Sie sind nämlich der Meinung,
daß
das staatliche Vorgehen gegenüber dem Kapital so zwar richtig
wäre, allerdings die letzte Konsequenz vermissen lasse (sie
betrachten die Sozialdemokraten als Weicheier): Die tatsächliche
Unterordnung unter ein (neu definiertes) staatliches Erfolgsprojekt.
Ja, Faschisten an der Macht schaffen tatsächlich Arbeit für 4
Millionen und mehr, nämlich im Dienst der nationalen Arbeit und
die Kapitalisten kriegen den Auftrag, sich ebenfalls in den Dienst der
Nation zu stellen und je nachdem, wie sie dem nachzukommen gedenken,
erhalten sie seine Aufträge und Zuteilung an Arbeitskräften,
wie man am Dritten Reich ja auch anschaulich studieren kann.
Die Hungerlöhne sind einem faschistischen Staat egal, pflegt er doch
einen äußerst großzügigen Umgang mit den
Lebensbedürfnissen seiner Bürger: Er überantwortet sie
ihrem "Schicksal". In dieser Hinsicht haben die Sozialdemokraten mit
ihrer Agenda 2010 schon Meilensteine gesetzt: Mehr als das kaum
Überlebensnotwendige soll für nicht-arbeitende Arbeiter sich nicht
gehören, da sich das Nicht-Arbeiten nicht gehört. Und für die Billiglöhner, die von ihrem Lohn
nicht leben können, gibt es eine staatliche Aufstockung fürs Weiterarbeiten-Können. Armut
soll das ganze dann nicht genannt werden, denn mit der Arbeit im
nationalen Interesse ergibt sich auch schon die allein passende
Ent-Schädigung: Die nationale Gesinnung soll den
lohnabhängigen Bürgern über ihre Schädigung
hinweghelfen. So sollen sie lustvoll "Anpacken für unser Land", wie ein
SPD-Wahlslogan lautet. Ähnlich zynisch schon wie der Spruch
über dem Eingangstor eines KZs: "Arbeit macht frei!" **
Ja, einem "Gebildeten" ist im Spiegel-Forum
doch tatsächlich eingefallen, warum die SPD trotzdem etwas
für sich hat: Sie habe sich als einzige Fraktion der
Hitlerschen Ermächtigung verweigert. Jemand hat ihn dann darauf
aufmerksam machen wollen, daß sich die Sozialdemokraten in ihrer
nationalen Verantwortung von niemanden übertreffen lassen wollen.
Schließlich habe die deutsche Sozialdemokratie bekanntlich schon zwei
Weltkriege verhindert und sei dabei, den dritten, wenn schon nicht zu
verhindern, ihn zumindest für Deutschland erfolgreich zu
gestalten: Dafür plädiert sie nicht nur für
Militäreinsätze der Bundeswehr an nicht wenigen
Brennpunkten der Weltpolitik, sie legt sich auch für das
Fortkommen des deutschen Kapitals auf internationalem Parkett voll ins
Zeug, indem sie ihm die (zwischen)staatlichen Rahmenbedingungen
schafft, die es dafür braucht. Zuguterletzt sollte noch auf
einen Artikel aus dem Jahre 2005 verwiesen werden, um etwas mehr Klarheit in
die historische Mission der deutschen Sozialdemokraten zu bringen.
Leider wurde der Beitrag von den Spiegel-Kontrolleuren zensiert, bevor
er erscheinen konnte. Ein Beispiel dafür, was die Wächter eines
Magazins schwarz-rot-goldener Ideologie offenbar unter Diskussion,
freier Meinungsäußerung und Bildung verstehen.
Diese nationale Mission ist das, was nun -
diesmal von der CSU formuliert - schlagend propagiert wird:
"Zusammenhalt". Wer soll
zusammenhalten und für wen? Keine Frage, die schwarz-rot-goldene
Flagge in der Plakatecke macht es deutlich: Nationaler Zusammenhalt von
oben und unten, von Wirtschaft und Lohnarbeit,
implizit auch gegen nicht-wahlberechtigte Ausländer - für all
die, die sich das hinzudenken wollen und für die anderen, als ob
das gar nicht dastünde -, für Deutschland eine
deutsche Volksgemeinschaft abgeben, ohne diesen faschistischen Begriff
der Volksgemeinschaft zu benutzen. Das ist die Richtung, die jetzt in
der Wirtschaftskrise von den Parteien allen Ernstes angedacht
ist: Und während die SPD das Kapital auch in die Pflicht nehmen
will,
will die Christ-Union hauptsächlich ans Proletariat appellieren.
Ob sie
ahnt, daß das nichts zu verlieren hat als seine Ketten?
Keineswegs! Sie setzt
- ebenso wie alle anderen Parteien - auf die nationale Gesinnung eben dieses Proletariats, das in der
Verkennung seines materiellen Interesses auch diesmal wieder zur Urne
schreiten wird, um zumindest seine Stimme darin schon mal vorab zu
begraben. Mit den restlichen Ansprüchen ans Leben kann es bei
Urnengängern daher auch nicht weit her sein. Das räumen sie auch
mehr oder minder offen ein, wenn sie sich "doch" zur Stimmabgabe
entschließen, weil die Wahl "irgendwie" wichtig wäre (für sie
vielleicht nicht, aber für die Nation!) und dann das zumindest vermeintlich "kleinere", aber auf
alle Fälle ein ÜBEL wählen.
Noch eine Bemerkung zu den GRÜNEN, die mit dem Slogan
"Wachstum durch Bildung" wohl einen speziellen Knüller des Wahlkampfs liefern:
Einst war ihnen das Offenkundige ins Auge gestochen, nämlich daß das
Wachstum des Kapitals mit der Zerstörung der Natur (und des
Menschen als Teils derselben) einhergeht. Ohne den
gesellschaftlichen Zwecken der Mehrung des privaten Reichtums in seiner
abstrakten Form (Geld) und der daran gekoppelten Mehrung staatlicher Macht
dies ernsthaft anzulasten, hielten sie eine nähere Befassung damit
für wenig ersprießlich, allzu offenkundig erschien ihnen der
Zusammenhang. Und wenn sie sich mal dennoch dazu äußerten,
dann wollten sie auf alle Fälle einer Konfrontation aus dem Weg
gehen und verlegten den Grund für die Umwelt-Misere in die fehlende moralische Einstellung des Menschen schlechthin.
An der
Misere hat sich bis heute zwar nichts grundsätzlich geändert,
vielmehr ist sie mindestens doppelt so groß geworden, weil die
Gesetze des Wachstums weiterhin gelten: Doch die Grünen haben
ihre Kritik am Wachstum, wachsweich wie sie schon war, kontrafaktisch
nicht verschärft, sondern völlig aus dem Verkehr gezogen: Sie
kritisieren nun allen Ernstes das fehlende Wachstum. Soll man sie jetzt
für gebildet(er) halten? Oder ahnen sie selber, wie dumm sie
eigentlich sind, und dementieren dies mit dem Zusatz "durch Bildung".
Damit wird das Wachstum garantiert naturkompatibel und
armutsschluckend (was übrigens unter der blöden Vokabel "nachhaltig" zu verstehen wäre)!
So kommt die Republik wieder ein Stück voran. Wer
dabei auf der Strecke bleibt, keine Frage. Und die Frage, wer sich wie
um die Chimäre Bildung kümmert, soll an dieser Stelle gar nicht erst weiter ventiliert werden.
(30.08.09)
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* In der
Kritik steht dabei insbesondere das Finanzkapital, in der Pflicht das
produktive Kapital. Faschisten unterscheiden ebenso moralisch in
"schaffendes Kapital" einerseits und "raffendes" andrerseits.
** In der aktuellen Ausgabe der titanic
hat Karikaturist Rürup das 4-Millionen-Projekt der Herren
Steinmeier, Steinbrück & Co. dementsprechend genial
grafisch umgesetzt. - Niemand möge sich wundern, wenn es inmitten
der Demokratie auch immer radikalere Denker staatlicher Gewalt,
Faschisten eben, gibt: Die Demokratie selbst sorgt für Nachschub.