"Das
Grundproblem der Linken: Es wird immer nur kritisiert, gemotzt und
gemeckert. Aber niemand will vereinen und konstruktiv diskutieren."
(Leser in der taz
v. 06.02.10)
Ein starkes Stück,
Kritik ganz pauschal in die Motzer- und
Meckerecke zu stellen und so ein- für allemal zu
disqualifizieren!
Demjenigen, der so daherredet, kommt es denn auch gar nicht darauf an, ob
eine vorgetragene Kritik eine Sache sachgerecht trifft oder nicht,
welchem Interesse sich eine Kritik verdankt und an wen sie gerichtet
ist. Ein solcher hat anderes im Sinn. Er will "vereinen und
konstruktiv diskutieren": Die dabei unterstellte Prämisse ist
ihm
offenkundig so einleuchtend, daß er erst gar nicht auf sie zu
sprechen kommt. Wer etwas aufbaut, wer konstruktiv tätig ist,
der
weiß aber doch sehr wohl, was der Gegenstand ist, an dem er
sich
zu schaffen macht, oder etwa nicht?
Es ist die Nation, die staatlich
monopolisierte Gewalt, die eine
ökonomische Ordnung garantiert und mit ihr darüber hinaus ein
ganzes
kulturelles System, eine Gewalt, die über ihr
verfügbare
Menschen gebietet und an die Grenzen stößt, die ihr
von
ebensolchen Gewaltgebilden, Staaten genannt, gezogen
sind. Lohnt
es sich etwa nicht, das alles mal etwas genauer unter die Lupe zu
nehmen, bevor man sich daran konstruktiv zu
schaffen macht?
Doch genau das will eben jener nicht. Denn das
würde
zweifellos die anvisierte Konstruktivität infrage stellen. Das
würde ja die Gegensätze, die die Gesellschaft selber
beinhaltet und die keineswegs von irgendwelchen Linken dazuerfunden
wurden, die Gegensätze - zwischen Staat und Bürgern
& zwischen besitzenden Klassen und besitzloser Klasse
- kaum
länger zu verschweigen und zu verklären erlauben. Und
das, wo es
doch so sehr darauf ankommt, "zu vereinen". Wer also soll zu seiner
Vereinigung angestoßen werden?
Doch nicht die Arbeiterklasse aller Länder! Nein, ein solcher
Durchblicker möchte eine nationale
Volksgemeinschaft herstellen und nicht weniger. Keineswegs, daß
ein solcher alle, die ihm (potenziell) zustimmen,
für Volltrottel hält: Er knüpft an der ihm unumstößlich erscheinenden Agitation von Organen wie Blöd und Spiegel
an, die ihm allerdings offenbar die Sache (immer noch) nicht zielgenau
auf den Punkt bringen. Da sieht er seine Herausforderung gekommen,
eine, die freilich nichts anderes ist, als die Quintessenz täglich
stattfindender demokratischer Meinungsbildung (im ursprünglichen Sinne von Meinungskonstruktion).
Er selber hat freilich noch nicht
einmal gemerkt, daß sein »konstruktives Diskutieren« ein
Widerspruch in sich ist: Diskussion kommt aus dem
Lateinischen »discutare«, was soviel
heißt wie »zerschneiden, zerlegen«,
nämlich einen
Gegenstand (- wenn eine Diskussion wissenschaftlichem Anspruch
genügen soll -
systematisch). Wie sollte sie also gleichzeitig dem Anspruch der
Konstruktivität [das lateinische »con-struere«
bedeutet zusammen-bauen, errichten] genügen? Anders gesagt, wenn
eine
Diskussion
eine Diskussion ist, dann hat sie den Anspruch, eine Sache nach bestem
Wissen zu (er)klären; eine vorein- und vorweggenommene »Konstruktivität« liefe diesem Zweck völlig zuwider. Es kommt jenem Weisen
also offenbar nicht auf eine Diskussion an, sondern auf ein
undiskutiertes, ja schlichtweg indiskutables JA
zum bestehenden politischen und ökonomischen
System! "Natürlich" ganz ohne jedes Aber.
Ja, solche Meinungen wie die
zitierte gibt es (ansatzweise) auch im
Westen unserer feinen Bundesrepublik - vor allem ein Jürgen Elsässer macht sich da schwer zu
schaffen; bei dem ist die soziale Frage längst nicht mal mehr eine
Fußnote (Wo ist sie eigentlich bei Gremliza hingerutscht? Verfolgt einer noch dessen konkret?) -,
breitgetreten werden sie allerdings hauptächlich aus den blühenden Landschaften deutscher Abwrackgebiete
heraus, von Leuten - angefangen von Linkspartei-Chef Lothar Bisky und seiner Partei -,
die den Nationalismus als irgendwie links zu verkaufen gedenken. Von
Leuten, die nicht auf dem Widerspruch und der Unvereinbarkeit von
sozialer Frage und Nationalismus beharren wollen, sondern das Gegenteil
propagieren und danach handeln; die nationale Optionen entwerfen und
die soziale Frage zum sozialen Zusatz einer
unumstößlichen kapitalistischen Nation mit
Weltmachtanspruch herunterdefinieren. Da ist dann
sofort klar, was allenthalben zur Disposition steht und was nicht.
Oben zitierter größter
gemeinsamer Vollweise wollte offenbar darauf aufmerksam machen,
daß »das Problem der Linken« ist, keine Nationalisten zu
sein! Umgekehrt: Der wirkliche Fehler der Linken ist, mit nationaler Verantwortlichkeit nicht radikal zu brechen!
Übrigens: Sind es nicht auch die gleichen Schlaumeier, denen die
Diskussionen, die von anderen Linken ernsthaft über Finanzkrise,
staatliche Maßnahmen usw. usf. ernsthaft geführt werden,
regelmäßig (zu) »abstrakt« erscheinen? Doch was sind dann deren »Diskussionen« über "Probleme", gar "Grundprobleme der Linken"?
(11.02.09)