Welcher Art ist die Charaktermaske des Barons?

"Merkel, Seehofer und Westerwelle haben Guttenberg bewußt ins Verteidigungsministerium abgeschoben, weil sie darauf setzten, daß er dabei Schaden nimmt und als Konkurrenz ausfällt."
(ein taz-Leser am 16.12.09 in derselben)
Nichts könnte so verkehrt sein, wie die solcherart vorstellig gemachte Verwendung des Barons. Der Posten des Verteidigungsminister hat für ihn einen ganz anderen Grund und ist alles andere als ein Grund politischer Intrigenschmiede: Der Ex-Wirtschaftsminister ging und geht bei den Firmen des MIK ein und aus, so daß er als das adäquate, ja perfekte Bindeglied zwischen Regierung und jener Industrie angesehen werden kann und muß. Und je mehr der nationale Zweck des Afghanistan-Kriegs in Frage steht, weil er schwerlich als Mehrung deutscher Macht und - auf den ersten Blick - schon gar nicht zur Mehrung deutschen Reichtums betrachtet und als solcher bilanziert werden kann, so sehr hält der militärisch-industrielle Komplex das Engagement der deutschen Streitkräfte dort für wichtig, notwendig und zentral und leider mit der Abneigung der Öffentlichkeit in Frage gestellt (sogar der neue Chefredakteur der konservativen Augsburger Allgemeinen hat sich heute für ein rasches Ende des Krieges ausgesprochen). Dort in Afghanistan müssen die technischen Geräte ihre Leistungsfähigkeit unter realen Bedingungen beweisen und es kann herausgefunden werden, welche weiteren technischen Entwicklungen nötig sind, um sie gewinnbringend dem deutschen Staat und anderen Staaten verkaufen zu können. Etwas Besseres als der Afghanistan-Krieg kann dem MIK gar nicht passieren. Und ebensowenig ist er auch an seinem Ende interessiert. Der Baron ist ihr Mann, ihm rollen die Rüstungsbetriebe gerne den Teppich aus, weil sie in ihm die Anbindung haben, die sie dafür brauchen das nationale Interesse mit dem ihren in Einklang zu bringen, zu beiderseitigem Nutzen, zu einer - wie man so schön sagt - "win-win"-Situation.
Natürlich ist die gerade stattfindende Münchner Sicherheitskonferenz ein herausragender Ort, auf der hochrangige Militärs, Politiker und MIK-Bosse auftauchen und Strategien entwerfen. Krieg ist ihr gemeinsames Metier, Krieg halten sie für das Normalste in der kapitalistischen Welt - womit sie nicht unrecht haben! - und auf alle Fälle für etwas, von dem sich Deutschland nicht ausschließen dürfe, wolle es im Konzert der ganz Großen nicht nur ökonomisch "mitspielen". Noch der harmloseste Pazifist ist deshalb ihr Feind schlechthin.

Der jüngste Vorschlag des Barons, in Afghanistan ein "partnering" einzuführen, also gemeinsame Kampfeinsätze von Bundeswehrsoldaten mit der von der Bundeswehr instruierten afghanischen Vasallenarmee, ist genau so ein Vorschlag, der die Dinge im Interesse der MIK vorantreiben soll. Und es ist delikate Aufgabe des Barons, dies auch im nationalen deutschen Interesse in der Bundesregierung vorstellig zu machen und durchzusetzen.
Der Baron hat im Zusammenhang mit dem MIK auch eine ganz andere Stellung als es die immerzu national unschlagbar verantwortliche SPD zu erreichen versucht hat. Das stinkt dem neuen SPD-Chef natürlich gewaltig. Da mag die bisweilen kritische Presse sogar konstatieren, daß die Bundeswehr in Afghanistan längst vor dem Kundus-Angriff offensiv unterwegs war und der seinerzeitige Außenminister Steinmeier die neue Strategie mitgetragen hat (siehe taz v. 15.12.), er hat sie halt nur mitgetragen. Eine Dialektik, die deutlich macht, welche Ansprüche an Politiker gestellt werden und die sie sich selbst als nationale Charaktermaske stellen! Die SPD wäre eh die letzte Partei - und das hat sie ja in über 100-jähriger Geschichte bewiesen -, die die Belange des Vaterlandes anbrennen auch nur fahrlässig zulassen wollte. Nein, sie hat sie selber in die Hand genommen, Deutschland nach dem 2. WK wieder "kriegsfähig" gemacht - und noch immer macht das Militärkapital vorzugsweise einem CSU-Baron den Hof und nicht ihren Spitzenpolitikern...
Dazu schreibt ein anderer taz-Leser:
"Gabriel macht seinen Job als De-facto-Oppositionsführer nicht schlecht. Er greift die Regierung mit knalliger Retorik da an, wo es wehtut. Blöd nur, daß es zum Teil die Regierung seiner eigenen Partei ist. Wenn Gabriel den gerade seit ein paar Wochen im Amt befindlichen Guido Westerwelle auffordert, 'endlich die schleichende Militarisierung der Außen- und Sicherheitspolitik (zu) beenden', ist das ein wirklich makelloses Eigentor. Es war immerhin die letzte SPD-geführte Regierung, die es in ihrer ersten Legislaturperiode schaffte, Deutschland in gleich zwei Kriege zu führen. Mit dieser galoppierenden Militarisierung der deutschen Außenpolitik kann Westerwelle nicht mithalten. Seinen öffentlich bekundeten Unwillen, die nächste Afghanistankonferenz als reine 'Truppenstellerkonferenz' abzuhalten, kommentierte Die Welt mit dem Stoßseufzer, es fehle an Sicherheitspolitikern, die sich dazu bekennten, daß 'Deutschlands Sicherheit auch am Hindukusch verteidigt' werde. Wen die Springerpresse hier öffentlich vermißte, war Peter Struck (SPD)." (taz, 02./03.01.10)
Eben nicht ganz, denn nach bourgeoiser Auffassung geht dessen NS-kompatible Gesinnung zwar schwer in Ordnung, er vertritt sie allerdings in der falschen Partei, einer die mit ebenso haltlosen wie unausrottbaren Vorurteilen seitens ebendiesen bürgerlichen Kreisen behaftet ist.
Für den Baron geht es jetzt darum, daß er als Verteidigungsminister die Kundus-Affäre einigermaßen übersteht, denn auf ihn hält der MIK größte Stücke. Für sie ist er der willkommene Lobbyist, zudem er auch genügend Wähler mit seiner bloßen Erscheinung beeindrucken kann, also für einen Stimmungsumschwung bezüglich Afghanistan zu sorgen prädestiniert ist.

Der MIK möchte weiter boomen und den dritten Rang hinter den USA und Rußland ausbauen. Die Rüstungsexporteberichte sprechen von gigantiscshen Steigerungsraten des deutschen Waffenexports. Näheres dazu unter Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI).

Der Baron ist als Bindeglied zur Wirtschaft eine ideale Vervollkommnung nationalen Interesses, als dessen Vor- und Nachdenker sich derzeit übrigens etwa ein Wolfgang Ischinger an die vorderste Propagandafront wirft. Der scheut wirklich vor nichts zurück und ist z.B. gar SIPRI-Mitglied (was ihm eine in diesem Sinne unverdient gute Presse einbringt, worauf er es natürlich abgesehen hat).

Widerliche Figuren alle miteinander - gewiß, Krieg ist ihr Ding schlechthin als ein wirklich sehr geiles Mittel nationalen Fortschritts. Davon können sie einfach nicht genug kriegen.
(07.02.10)