Ist der Euro jetzt gerettet?
CONTRA VON ROBERT KURZ


"Der Euro war von Anfang an eine Kunstwährung mit elementaren Konstruktionsfehlern. Formal entspricht ihm keine einheitliche politische Souveränität. Die europäische Zentralbank (EZB) ist aber dadurch nicht unabhängiger, sondern ihre Geldpolitik wird zum Zankapfel gegensätzlicher Interessen.
Substanziell ist das Konstrukt erst recht prekär. Der Euro wurde völlig unterschiedlichen nationalen Niveaus von Produktivität und Kapitalkraft aufgesetzt. Diese in sich widersprüchliche Währungsunion war aber die einzige Möglichkeit, in der Globalisierung den anderen großen Wirtschaftsblöcken Paroli zu bieten."
(taz, 15.05.10, wie auch alle folgenden Zitate, die zusammengenommen den kompletten Text wiedergeben)

Ganz jenseits der fragwürdigen Unterscheidung von "formell" und "substanziell" - sollte man nicht treffender zwischen politischer und ökonomischer Ebene unterscheiden? Oder ist Kurz gar der, der wie alle Rechten beklagt, daß die Ökonomie der Souveränität der Politik das Wasser abgräbt? - stellt sich doch die Frage, warum die Betreiber, die Subjekte des Projekts Euro das Projekt allen Widersprüchen zum Trotz inszeniert haben? Über die "formellen" Unterschiede ihrer Souveränitäten konnten sie sich hinwegsetzen, da sie sich sicher sein konnten, daß die Mächtigen den Ton gegenüber den weniger Mächtigen anzugeben verstünden. Aber was um Himmels Willen trieb sie dazu, ökonomisch dermaßen unterschiedliche Nationen zusammenzuschließen? Hätten sie so gedacht wie Kurz, dann hätten sie das ganz sicher unterlassen. Vielleicht hätten sie dann tatsächlich ja ein antiamerikanisches Euro-Projekt ohne Konstruktionsfehler angestrebt und den Niedergang der gemeinsamen Währung verhindert oder aber sie hätten sich weiterhin ziemlich anspruchslos in ihren Währungen wohlgefühlt, wer weiß: Eines ist dabei auch klar: Jede Nation verband unterschiedliche, nämlich nationale Berechnungen mit dem Euro.
Doch Kurz erschlägt die an dieser Stelle nötigen Erklärungen einfach mit den Ergebnissen, die er in zwei Begriffen mystifiziert, um nicht erklären zu müssen, was er nicht will:

"Das ging nur so lange gut, wie die von Finanzblasen genährte globale Defizitkonjunktur ihre Scheinblüte entfalten konnte."

Finanzblasen und Defizitkonjunktur: Ganz schöne Scheiße, die ja nur zu einer scheinbaren Blüte führen konnte. Nicht nur, daß er wirkliche Resultate der Kredite
(beispielsweise an Griechenland) außer Acht läßt, vor allem, daß er so tut, als könne eine Kapitalisierung von Land und Leuten anders gehen als mit Krediten - Krediten, für die der Staat (auch in einer Staatengemeinschaft) bürgt, sofern er sie nicht gleich selber qua seiner Gewalt in die Welt setzt. Die Unterscheidung von wirklichem Geld und Kredit ist hier gar nicht der springende Punkt, weil Kredit allemal als wirkliches Geld seinen Dienst tut und seine Wirkung entfaltet und seinen Zweck in einem Ergebnis mißt, welches heißt mehr Geld als zuvor und damit zu einer Stärkung staatlicher Macht - und an dieser Stelle eines suprastaatlichen Projekts - beiträgt. Kurzum, aus "Finanzblasen" und "Defizitkonjunktur" ist mitnichten auf eine "Scheinblüte" zu schließen. Dagegen ist die Bilanzierung der EU - so wenig es ihre Berechnung im Ausgangspunkt war - geradezu objektiv. Bei Kurz verhält es sich umgekehrt: So objektiv er die Voraussetzungen zu benennen versucht, so (un)willkürlich setzt er ihnen ein Ergebnis auf. Und wer das an dieser Stelle noch bezweifeln wollte, lese einfach weiter:

"
Nach dem fälligen Finanzkrach wurde die Krise überall verstaatlicht. Jetzt kommt die zweite Welle als allgemeine Krise des Staatskredits, weil die Geldschwemme der Notenbanken eine schon längst nicht mehr selbsttragende Konjunktur subventionieren muß. Die wild schwankenden Währungsrelationen spiegeln kein Verhältnis von ökonomischer Stärke und Schwäche mehr, sondern die augenblickliche Lage im Verfall der Geldpolitik. Das zeigt sich daran, daß alle Währungen dramatisch gegenüber dem Gold verlieren. Der Euro bildet nur das schwächste Kettenglied in einem globalen Entwertungsprozeß."

Versuchen wir zu verstehen, was er ausdrücken will: Irgendwie ist es immer ziemlich blöd, wenn der Staat ökonomisch eingreift, weil er nichts richtig macht und vielleicht auch gar nicht richtig machen kann: So falsch das Europrojekt konzipiert war, so doppelt falsch ist die weitere Kreditierung der Ökonomie in der nun stattfindenden Krise. Vor lauter Geld bzw. Kredit ist kein Land mehr zu sehen: Wie eine "selbsttragende Konjunktur" aussehen könnte, sollte man Kurz lieber gar nicht erst fragen. Wie Wellen schwanken nun jedenfalls die Währungen im Winde der Geldpolitik - wirkliche Politik sähe anders aus! Und woran sieht man das: Am Anlegerverhalten: Jeder sucht einen sicheren Hafen und findet ihn an der Goldküste. Soweit also der Wetterbericht vom - ziemlich überflüssigen! - Konjunkturtief. Eine Erklärung von Krise, nationalem Geld (Währung) und Kredit - und ihren Notwendigkeiten! - sähe anders aus. Aber einem Spekulanten auf den Untergang des Kapitalismus kommt es darauf nicht an, er sucht Anzeichen für einen wirklichen Niedergang:

"Diese Schwäche entspricht der Schieflage in der europäischen Binnenkonjunktur. Nationaler Chauvinismus ist ausweglos, denn die Defizite der angeprangerten 'Sünder' sind nur die Kehrseite der deutschen Exportüberschüsse. Das enorme Rettungspaket wird entweder den Euro als erste zentrale Währung inflationieren oder einen deflationären Schock auslösen, wenn im Gegenzug extreme Sparmaßnahmen die innereuropäische Defizitkonjunktur abwürgen.
So oder so ist der Euro nicht haltbar, aber es kann auch keine Rückkehr zu den alten nationalen Räumen geben. Der Zusammenbruch des Euro ist die nächste Etappe in der Desintegration des Kapitalismus. Seine Zauberlehrlinge flüchten vor einer Geldkatastrofe in die nächste."


Und so sorgt der Kapitalismus dafür, daß einem Kurz die Kassandra-Rufe auch in Zukunft nicht ausgehen werden. Kurz findet ja seinen Gefallen daran, keinen konstruktiven Vorschlag einzubringen. Dafür wäre er schon sehr qualifiziert, da er ja sicher weiß, wie man beispielsweise eine Währung konstruiert (national!? - oder ist sie per se naturwüchsig??), um sie erfolgreich wirken zu lassen, nämlich ganz anders wie die Herren des Geldes es getan haben, weil sie ihn nicht zuvor konsultiert hatten. Oder hätte er ihnen etwa gesagt, das sei eh alles sinn- und zwecklos?
Der Untergang des Abendlandes wurde auch schon mal anders abgeleitet. Kurz ist damit genauso links wie Oswald Spengler, also für Faschisten gerade so akzeptabel. Mehr als Obiges will er ja nicht gesagt haben; Grundlage für ein (außer)ordentliches nationales Rettungsprogramm gibt diese "Analyse" allerdings durchaus ab.

Da ist es kein Trost, daß die Pro-Position von Nicola Liebert auch nicht besser ist; wie jeder Durchblicker weiß sie gleich, was die Herren des Geldes jetzt tun müßten. Nämlich das, was sie, sofern nicht schon getan, so zumindest selber schon vorgesehen haben, zu tun: "... nicht nur eine gemeinsame Geld- und Währungspolitik, sondern auch eine gemeinsame Wirtschafts-, Lohn- und Sozialpolitik in Europa ..." Ein ganz, ganz toller Gedanke! -
Angesichts eines nicht zu übersehenden Klassengegensatzes von "Gemeinwohl" schwadronieren, das ist nämlich ganz schön weit rechts: Man macht sich so nämlich gar nicht zum Anwalt des real existenten Klassenstaats, sondern zu einer Staatsalternative, die am liebsten keine Klassen mehr kennen möchte, wiewohl sie sie unterstellt.
(16.05.10)