Ecuador: Ein Drittweltstaat kalkuliert neu

 

"Mitte September mußte unser Werk in Guayaquil geschlossen werden. Davon sind 92 Mitarbeiter betroffen. Die Fabrik produzierte Glühbirnen für Ecuador, Venezuela, Kolumbien und Peru. In Ecuador und Venezuela ging die Nachfrage nach Glühlampen in den letzten beiden Jahren dramatisch zurück, da die Regierungen beider Länder verstärkt energiesparende Beleuchtung fördern." Das ist in der Mitarbeiterzeitschrift des Lampenherstellers Osram zu lesen. Der Verlust der Arbeitsplätze wurde obligatorischerweise beklagt, gleichzeitig darauf hingewiesen, daß die Werkschließung für die Siemens-Tochter Osram nun wirklich kein Verlust sei.

Was ist dem zu entnehmen?
1. Ecuador hat offenbar eine neue Kostenrechnung angestellt. Nach der lohnen sich die Kosten für die Bereitstellung der Produktionsbedingungen für auswärtiges Kapital sowie die Folgekosten der Produktion - in diesem Fall zumindest - nicht. Jedenfalls erscheint es dem ecuadorianischen Staat kostengünstiger, Ware auswärts einzukaufen. Außerdem schafft er sich eine - zumindest mutmaßliche - Diskriminierung durch Osram vom Hals, der zufolge jene Firma ja nur minderwertige Glühbirnen vor Ort produzieren läßt und nicht die höherwertigen Energiesparlampen. Dabei waren die Osram-Investitionen ja wohl nur rücksichtsvoll auf die geringe Kaufkraft der einheimischen Bevölkerung zugeschnitten...
2. Den Global Player Osram stört die Schließung des Werkes wenig. Der Produktionsausfall dort kann anderswo lässig aufgefangen werden. Und die Produktion von DULUX-Energiesparlampen in Augsburg ist längst nicht weniger mehrwertträchtig als die Produktion herkömmlicher Glühbirnen in der Dritten Welt. Osram wird sich über eine diesbezügliche Nachfrage aus Südamerika sicher auch freuen. Chinesische Konkurrenten auf diesem Sektor fürchtet die Firma nicht.
3. Bleiben die, die ihren Arbeitsplatz und damit ihr Ein- und Auskommen verloren haben. Die haben nun die Freiheit, sich nach den neuen Erwerbsmöglichkeiten umzusehen, die es nicht gibt. Aber vielleicht bringt ja ihr Staat das Kunststück fertig, mit dem seinerseits eingesparten Geld ihnen zumindest eiserne Reistöpfe und Suppenküchen zu finanzieren. Der Bevölkerung Ecuadors Energiesparleuchten subventionieren will er offenbar ja auch noch.
4. Es zeugt nicht gerade von einer Kenntnis der Weltökonomie, auf eine südamerikanische "bolivarische" Revolution als eine Bewegung zu hoffen, die dem Imperialismus Grenzen aufzeigen würde können: Die Staaten selber kämpfen um ihre Selbstbehauptung in der kapitalistischen Weltordnung. (Dazu gehört im übrigen auch das Heischen nach imperialistischer Anerkennung hinsichtlich ihres fortschrittlichen, in diesem Falle ökologischen Problembewußtseins, das ja mittlerweile ausgiebig - vor allem mit dem Hinweis auf die Klimakatastrofe - verlangt wird!) Dafür, für diese Selbstbehauptung, ihr Volk einspannen zu können und das auch noch als ein selbstbewußtes, ist angesichts dessen Armut eine ziemliche Idealvorstellung. Allein der Versuch wird seitens des Imperialismus dahingehend beobachtet, ob dabei nicht Unzufriedenheit entsteht, welche geschürt und ausgenutzt werden kann.

Fazit: Nicht die imperialistische Welt stößt auf Grenzen in der Dritten Welt, vielmehr ein Drittweltstaat wie Ecuador stößt, welche Kalkulationen er auch anstellt, auf imperialistische Bedingungen als Angebote, die ihm Grenzen setzen.
(20.11.07)