Das »bedingungslose Grundeinkommen«:

Sichert den Glauben an einen Kapitalismus mit menschlichem Antlitz!



Die Umstellung der "Vollzeitarbeit" auf Taglöhnerei …
Die Fakten sind bekannt und werden in Zeitungsartikeln, Armutsberichten und sozialwissenschaftlichen Studien ausführlich breitgetreten: "Ein fixer, unbefristeter Job ist in Europa zu einem immer selteneren 'Luxus’ geworden. Die Norm sind zunehmend 'untypische' Beschäftigungsformen wie Teilzeit, Zeitarbeit oder Freelance-Verträge – ohne soziale Absicherung für den Arbeitnehmer." (Die Presse, 23.11.2006). "Working poor" – irgendwie Beschäftigte, die von ihrer Arbeit nicht leben können –, zählen zur am stärksten anwachsenden Gruppe der Empfänger von Sozialhilfe. Mehr als die Hälfte der hiesigen Arbeitslosengeldbezüge liegen unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz der Pensionsversicherung, der so etwas wie eine politisch anerkannte Armutsgrenze definiert. Geringfügig Beschäftigte, Leute mit einem Freien Dienstvertrag oder Werkvertrag haben keinen Anspruch auf Arbeitslosenversicherung. Annähernd jede zweite Alterspension von Frauen liegt unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz. Vollzeitarbeiter, die von ihrem Lohn und später von ihrer Pension nicht leben können,
nehmen überhand. "Atypisch" Beschäftigte – mittlerweile 1,4 Mio. laut Arbeit und Wirtschaft – heißen noch immer so, auch wenn sie zur Norm werden. Kurz, die Taglöhnerei in vielen verschiedenen buntscheckigen Formen wird immer mehr zur Regel, die Privatkonkurse "explodieren", viele sitzen in einer "Schuldenfalle" und gleiten in den Pauperismus.
Bei all diesen mit viel öffentlicher Anteilnahme bedachten "Fällen" handelt es sich um die Erfolge der Anstrengungen von Politik und Wirtschaft in den letzten 10 bis 15 Jahren der "Globalisierung". Im Interesse der Sicherung des Kapitalstandorts wurde der "Faktor" Arbeit bekanntlich auf Teufel komm’ raus verbilligt, und diese Deregulierungen, Flexibilisierungen und Lohnsenkungswellen haben gewirkt, auf die Beschäftigten – Änderungskündigungen, Umwandlung regulärer in atypische Beschäftigungsverhältnisse, schlichte Lohnsenkungen –, als auch auf nicht (mehr) Beschäftigte: Denen wurden die an sie vom Sozialstaat umverteilten Lohnteile gekürzt, durch Pensionsreformen und Kostensenkungen im Gesundheitswesen. Im letzten Wahlkampf hat die SPÖ diese – wie erwähnt: – Erfolge von Staat und Kapital so thematisiert: "Reformdruck in der Armutsbekämpfung besteht aufgrund der Folgen von Deregulierung und Flexibilisierung der Arbeitswelt und der Schwächen der bestehenden Sicherungssysteme." (SPÖ-Wahlprogramm Projekt 10: Kontinuierliche Weiterentwicklung des Sozialstaates)  Deregulierung, Flexibilisierung und Sozialabbau, also die Maßnahmen von Politik und Wirtschaft sind der SPÖ als Grund der miesen Lage der Arbeitnehmer durchaus bekannt – und daran darf und soll sich nichts ändern, bilden diese Errungenschaften doch die Basis des wirtschaftlichen Aufschwungs. Das Regierungsprogramm beinhaltet dementsprechend – in Kooperation mit den Sozialpartnern – die inzwischen realisierte weitere Flexibilisierung der Arbeitszeiten, mehr Freiheit fürs Kapital bei der Schichtarbeit und dergleichen Unappetitlichkeiten mehr. Diese vorläufig letzte Lohnsenkung gilt einer sachkundigen Öffentlichkeit übrigens als typischer "Erfolg der Sozialpartner", durch den nicht zuletzt die von der BAWAG-Affäre gebeutelte Gewerkschaft wieder an Statur gewonnen habe. Durch die Ausdehnung der Normalarbeitszeit auf 10 Stunden spart sich das Kapital Überstundenzuschläge; und durch die Ausdehnung der Maximalarbeitzeit auf 12 Stunden spart sich das Kapital schon wieder Überstundenzuschläge, indem die Mehrarbeit ganz "flexibel" mit Perioden verrechnet wird, in denen die Arbeitskräfte ohnehin nicht gebraucht werden: "Mehrarbeitsstunden sind dann nicht zuschlagspflichtig, wenn sie innerhalb des Kalendervierteljahres oder eines anderen festgelegten Zeitraumes von 3 Monaten, in dem sie angefallen sind, durch Zeitausgleich im Verhältnis 1:1 ausgeglichen werden.
Der dreimonatige Zeitraum … sollte in der Praxis ausreichend sein, um die Zuschlagspflicht für gelegentlich geleistete Mehrstunden zu vermeiden." (Homepage der Bundeswirtschaftskammer)
Dazu passende Erfolgsmeldungen kommen derzeit von einem Musterbeispiel erfolgreicher Teil-Privatisierung. Das kapitalistische Erfolgsmittel aus Reduzierung der Belegschaft plus Mehrarbeit für den verbliebenen Rest um
anteilig weniger Geld soll die Post auf Erfolgskurs halten: "Post will 1500 Briefträger abbauen … Der oberste Postgewerkschafter Gerhard Fritz tobt. Das vom Management geplante neue System bei der Zustellung – über das mit der Gewerkschaft seit vier Monaten verhandelt wird – hätte den Abbau von rund 1500 der insgesamt 12.000 Briefträger bedeutet. In Summe wäre sogar jeder fünfte Zusteller-Arbeitsplatz gefährdet. … Für die verbleibenden Zusteller hätte das eine tägliche Mehrarbeit von eineinhalb Stunden bedeutet. … 'Für diese 30 Stunden pro Monat mehr hätten sie 90 Euro mehr bekommen sollen. Das ist ein Stundenlohn von drei Euro, das ist unzumutbar.'" (Kurier, 22.08.07)
Die Gewerkschaft gibt sich also renitent, das kennt man; und auf welche Zumutungen sie sich nach "harten Verhandlungen"
– die laufen immerhin schon vier Monate – mit dem Management einigen wird, das wird man bald kennen.

… schafft Armut und sozialpolitischen "Reformdruck"!
Diese Wirtschaft erzeugt immer mehr überflüssige Leute, die deswegen ohne Arbeitseinkommen dastehen; die "Vollbeschäftigung" ist ein unerreichbares Ideal und von den Beschäftigungen, die es gibt, kann man immer weniger leben – und das alles muß so bleiben und so weitergehen; das spricht nicht gegen diese Wirtschaft, sondern verlangt einen entsprechenden Umgang der Politik mit den Opfern. Armut und Armutsgefährdung werden in Zukunft erst recht und noch mehr untrennbar mit der Arbeiterexistenz verbunden bleiben. Wenn die SPÖ diesen von ihr als Teil der Regierung tatkräftig hergestellten Zustand mit einer Reform der Sozialhilfe beantwortet, geht sie wie selbstverständlich davon aus, daß die Wirtschaft, wie sie eingerichtet ist, noch nicht einmal die Existenz der Gesellschaftsmitglieder gewährleistet. Was, rationell betrachtet, eine radikale Kritik der herrschenden Produktionsweise darstellt, wird mit der von der Regierung anvisierten "Mindestsicherung" in den Rang einer unabänderlichen gesellschaftlichen Realität erhoben. Die Ablösung der entschwundenen Normalität – Vollzeitarbeit, von der man sich reproduzieren und ordentlich Sozialversicherungsbeiträge abliefern konnte – soll irreversibel werden. Die als Prekariat bekannte Taglöhnerei wird zum Normalfall der Lohnarbeit. Wer als "working poor" schon vom Lohn nicht mehr gescheit leben kann, kann es im Fall des Falles erst recht nicht mehr von den sozialstaatlich umverteilten Lohnteilen, denn die gängigen Sozialleistungen sind letztlich als Prozentsatz vom Lohn definiert: das schreibt die "Mindestsicherung" fest. Arbeitslosengeld und Notstandshilfe reichen wegen
gelaufener Lohnsenkungen und Verschärfungen hinsichtlich Anspruchsvoraussetzungen und -höhe inzwischen in vielen Fällen nicht für den Lebensunterhalt, daran wird sich nichts ändern. Ein Mindestarbeitslosengeld bzw. eine Mindestnotstandshilfe soll nicht eingeführt werden. Wer unter das staatlich definierte Existenzminimum fällt, soll das Recht erhalten, eine Ausgleichszulage zu beantragen, muss dann aber die deutlich strengeren Voraussetzungen der neuen "Mindestsicherung" erfüllen: Diese ist keine – sehr frei staatlich festgesetzte, aber schon noch durch eigene Leistung irgendwie verdiente – Gegenleistung auf Basis der abgezogenen Versicherungsbeiträge, sondern eine einseitige staatliche Zuwendung im Notfall, d.h. der Beglückte muß nachweisbar vor dem Nichts stehen und obendrein versuchen, diesen Zustand schnell wieder loszuwerden. Ein womöglich noch vorhandenes "Vermögen" wie das Eigenheim muß verwertet werden bzw. wird bei der Berechnung abgezogen. Wozu sollte denn auch ein noch so mickriges "Vermögen in Arbeitnehmerhand" gut sein, wenn nicht zur Entlastung des Sozialstaats?! In schöner Offenheit bekennt sich die SPÖ weiter dazu, daß Lohnarbeit eine Form der Zwangsarbeit ist, und daß dieser erwünschte, durch Eigentum und Geld hergestellte Zwang durch die staatlichen Zuwendungen auf keinen Fall gelockert werden darf: Wer Staatsgeld will, muß glaubhaft machen, trotz unerschütterlicher Arbeitswilligkeit vom Arbeitsmarkt verschmäht worden zu sein. Nicht nur, daß mit der "Mindestsicherung" die Wirtschaft endgültig vom ohnehin illusionären Anspruch freigestellt wird, sie müßte
"Arbeitsplätze schaffen" und die von ihr gezahlten Löhne müßten wenigstens für ein Auskommen reichen – ungeachtet dessen, daß der Arbeiter gar nicht das Subjekt seiner "Beschäftigung" ist, muß allein er beweisen, daß sein ganzes Bemühen auf nichts anderes gerichtet ist als darauf, nützlich für diese Wirtschaft zu sein: "Wir wollen kein arbeitsloses Grundeinkommen, wir wollen eine Mindestsicherung, die erst dann greift, wenn alle andern Wege aus der Armutsfalle gescheitert sind." (SPÖ-Wahlprogramm Projekt 7: Armut bekämpfen)
Diejenigen, die vom massenhaft produzierten Reichtum ausgeschlossen sind und das auch bleiben sollen, kriegen vom Staat ein irgendwie definiertes Existenzminimum, bei dem die Latte dementsprechend niedrig liegt:
"Gusenbauer warf die Frage auf: ‘will denn irgendjemand, dass Menschen in Österreich verhungern?’ Jeder Mensch habe das unveräußerliche Recht auf Würde, betonte Gusenbauer". (Projekt 7: Armut bekämpfen) – Ja wenn es ohnehin nicht um den Lebensstandard geht, sondern mehr um die Würde und die höheren Werte und so Zeug, dann wird’s wohl reichen.

"Es ist genug für alle da!"

Auch andere Leute haben die Erfolge der Standortsicherung durch Lohnsenkung und Sozialabbau registriert, und sie halten Gusenbauers Leitlinie – "nicht verhungern in Österreich!" – für eine Frechheit. Sehr nachvollziehbar, übrigens. Angesichts dessen, dass der Zwang zur Lohnarbeit ihrer Ansicht nach zunehmend unwirksam wird, die "Schikanen" des AMS nichts mehr bringen, nachdem die Gelegenheiten zum Lohnarbeiten weniger werden; und weil die gezahlten Löhne nicht einmal die Arbeitenden ernähren, halten diverse Initiativen für ein "bedingungsloses Grundeinkommen" mit einer gewissen Hartnäckigkeit und gegen alle von Politik und Wirtschaft gesetzten Fakten daran fest, daß "die Wirtschaft" doch "wir alle" seien und daher, "wenn es der Wirtschaft gut geht", es  auch "uns allen" wenigstens einigermaßen gehen müßte. Dieser gute Glaube stimmt zwar nur in einer, in der normalen Lesart mit dem bekannten Imperativ: damit es "der Wirtschaft" gut geht, müssen die Arbeitenden zurückstecken, die angedeutete spätere Beteiligung am Erfolg des Kapitals ist noch nie zurückgekommen, wie denn auch! – Die aktuelle Fassung der Vorstellung von der Marktwirtschaft als einer kooperativen Veranstaltung zur Versorgung besteht in der Parole: "Es ist genug für alle da!"
In der Tat, es ist sagenhaft viel Reichtum in der Welt. Aber daß er "für alle da ist", kann auf keinen Fall stimmen. Immerhin haben die Verfechter des bedingungslosen Grundeinkommens beides konstatieren müssen, den Reichtum und den "Sozialabbau", daß also neben dem wachsenden Vermögen der Reichen die "Kluft zwischen Arm und Reich immer größer wird". Mangel an nützlichen Gütern herrscht heutzutage wirklich nicht, allerdings wächst neben dem Reichtum völlig unbetroffen auch der Hunger, und ungerührt vom gewaltigen medizinischen Fortschritt raffen "behandelbare Krankheiten" Menschen massenhaft dahin. Wenn es Armut, Hunger, Seuchen und alle anderen Formen des Elends erstens weltweit und zweitens nicht erst seit gestern und drittens mit viel Sozialstaat, Entwicklungshilfe, Caritas und wohltätigen Rockstars auch noch in ziemlichen Zuwachsraten gibt, dann ist die Gleichsetzung "viel Reichtum = Wohlstand für alle" offenbar gerade nicht gültig. Grund genug, die Frage zu stellen, warum denn der weltweite Reichtum die Armut hier und die Hungersnöte woanders nicht behebt; warum er nicht bereit ist, sich über die Armen und Elenden zu ergießen.
Leider weichen die vielen Initiativen von "Netzwerk Grundeinkommen" über attac bis zur KPÖ dieser Frage nach der Eigenart dieses Reichtums, der keineswegs für alle da ist, durch das unermüdliche Deuten auf seine unglaubliche Größe aus, durch Hinweise, daß da wirklich unvorstellbar viel in Form von privateigentümlich vorhandenem Vermögen unterwegs ist, was ja niemand bestreitet. Der Schluß, der daraus gezogen wird, nämlich daß "man" – gemeint ist natürlich die staatliche Herrschaft, die öffentliche Gewalt – es bloß den Eigentümern wohldosiert wegnehmen und es den Armen oder überhaupt gleich allen Bürgern in Form eines bedingungslosen Einkommens geben müßste, unabhängig von geleisteter, weil ohnehin nicht mehr nachgefragter Arbeit, der täuscht sich leider über beide angesprochenen Instanzen: Sowohl über den Reichtum als auch über die politische
Macht.

Der geldförmige, der kapitalistische Reichtum
ist nämlich nicht nur ungeheuer groß, er besteht vor allem aus einer "ungeheuren Warensammlung". So beginnt ein bekanntes Werk zur Kritik der politischen Ökonomie des Kapitals, und damit ist ausgedrückt, daß dieser Reichtum gerade nicht darin aufgeht, für den Konsum durch Bedürftige bereit zu stehen. Er will zu Geld werden, er muß verkauft werden, sonst hat er seinen Zweck nicht erfüllt und ist für den Hersteller nutzlos. Deswegen wird unverkäufliches Zeug auch mal vernichtet, bevor es ohne geldwerte Gegenleistung an Leute hergegeben wird, die es durchaus brauchen könnten. Wer nicht bezahlen kann, wer ohne Kaufkraft dasteht, ist ausgeschlossen vom massenhaft vorhandenen Reichtum: "Tag für Tag sterben auf unserem Planeten ungefähr 100.000 Menschen an Hunger oder an den unmittelbaren Folgen des Hungers. 826 Millionen Menschen sind gegenwärtig
chronisch und schwer unterernährt. Alle sieben Sekunden verhungert auf der Erde ein Kind unter zehn Jahren. Auch im reichen Norden steigt die Armut …" ["Arbeitsgemeinschaft Christentum und Sozialdemokratie (ACUS)", Einladung zum Bundeskongreß "Können wir uns die Reichen noch leisten?"]
Wenn permanent Millionen dahinvegetieren und als Folge ebenso millionenfach krepieren, dann ist das nach gültiger, öffentlich anerkannter Lesart sicher bedauerlich, eventuell ein Anlaß für Betroffenheit und Mildtätigkeit, für mahnende Papstworte, eine Gelegenheit zum Spendensammeln und zur Selbstdarstellung für Kulturschaffende und Popstars. Eines ist dieser Dauerzustand aber sicher nicht, nämlich eine ökonomische KRISE. Da leiden zwar Millionen, aber "die Wirtschaft", die inzwischen globale Marktwirtschaft, die sie dem Hunger überantwortet, die leidet nicht; das alles ist nicht das Problem dieser Wirtschaft, das geht sie nicht an, und wer Hungernden "helfen" will, muß versuchen, denen privat und außerhalb der üblichen Geldzirkulation Geschenke zukommen lassen, weil sie vom normalen Gang des Wirtschaftens nichts zu erwarten haben. Wenn das liebe
Geld wirklich das geniale Kaufmittel zur Versorgung aller im Rahmen einer arbeitsteiligen Wirtschaft wäre, als das es gemeinhin gilt, dann wäre es selbst und die komplette Geldökonomie durch den globalen Hunger schon seit Jahrzehnten oder länger bodenlos blamiert, durch dieses "Versagen" beim – realiter eben gar nicht existenten – Zweck, der bedürftigen Menschheit auf raffinierte Weise Zahlungsfähigkeit zukommen zu lassen.
Wenn hingegen die globale Geldvermehrung in Schwierigkeiten ist, wenn einige Banken krachen, dann droht eine KRISE. Dann werden an den Börsen in ein paar Tagen ziemlich unvorstellbare Beträge vernichtet, dann ist damit der herrschende Zweck der Ökonomie tangiert, dann "pumpen" deswegen die staatlichen Zentralbanken ebenso unvorstellbare Milliardenbeträge in den Markt, um eine allgemeine Zahlungskrise abzuwenden und den großflächigen Zusammenbruch der Ökonomie abzuwenden, und es ist noch nicht einmal sicher, daß das überhaupt aufgeht. Das Geld hat nämlich selber einen Zweck, und der heißt "Wachstum"; das Geld muß mehr werden, oder es taugt nichts, und die Rolle der Klassen bei der Geldvermehrung entscheidet über Lebensstandard
und Auskommen: Wer Geld immer nur als Kaufmittel verwenden kann – es verdienen muß, es für den Lebensunterhalt
verzehren muß, es daher sofort wieder verdienen muß, ohne sicher zu sein, ob die Gelegenheit zum Verdienen überhaupt gegeben ist –, kommt aus dieser Rolle des "unselbständig", des "abhängig" Beschäftigten nicht heraus, in der er sich für die andere Klasse nützlich machen muß. Wer Geld hingegen als Kapital verwenden kann, wer es ausgibt, damit es durch die Benutzung der Arbeit der Abhängigen wächst und vermehrt zurückkommt, dessen Lebensunterhalt ist ein Derivat seines wachsenden Reichtums und dementsprechend komfortabel.
Geldvermehrung, das ist der herrschende Zweck in dieser Ökonomie, die Kaufkraft der eigentumslosen Massen ist eine davon abgeleitete, eine abhängige Variable: Deren Einkommen hängt in Bezug auf Höhe, Dauer und ob es überhaupt eines gibt, ganz davon ab, wieweit sie sich als Arbeitskraft für den Reichtum anderer aufreiben dürfen. Wer dafür nicht gebraucht wird, zählt zur globalen Überbevölkerung, ist für die herrschenden politischen und ökonomischen Interessen nutzlos und firmiert nur noch als Hungerleider oder "bedroht" als Elendsflüchtling "unsere" Sicherheit.
Die Anhänger des "bedingungslosen Grundeinkommens" kennen natürlich die gängigen Hinweise auf die ökonomischen Sachzwänge dieser Ökonomie der Geldvermehrung und das Deuten auf die deswegen ja wirklich fehlenden Mittel für Bedürftige: "Das bedingungslose Grundeinkommen ist nicht leistbar." Sie kontern gern mit Hinweisen wie: "Berechnungen beweisen das Gegenteil. Es geht bloß um den politischen Willen." (attac), für das Grundeinkommen "fehlt also nicht das Geld, sondern der politische Wille." (KPÖ) Nun, diese sog. "Beweise" sind billig zu haben, ein kleiner Mißbrauch der Mathematik genügt. Natürlich kann jeder mehr oder weniger akademisch Gebildete viel Geld – dummerweise das Eigentum anderer Leute und Instanzen, und längst für deren
staatlich geschützte Interessen verplant und festgelegt – zusammenzählen und dann durch die Zahl aller Bedürftigen
dividieren. "Bewiesen" ist damit nur, daß man Geld ideell und fiktiv zweckentfremden kann, durch seine imaginäre Verteilung als Kaufmittel – eine Übung, die nur gelingt, solange man nicht weiß, was Geld ist. Die Marktwirtschaft ist jedenfalls keine Kommune oder ein ähnliches Kollektiv, in dem alle Erträge in einen Topf geschmissen werden, zur Bestreitung der Aufwendungen aller Mitglieder.

Der politische Wille: Zum Vergessen
Wenn mit dem Verweis auf den "fehlenden" politischen Willen bloß gesagt sein soll, daß die Regierungs- und die anderen staatstragenden Parteien gar nicht vorhaben, den Kapitalismus wegzuschmeißen und eine ganz andere Ökonomie einzurichten, in der zweckmäßig für die Bedürfnisse der Gesellschaftsmitglieder gearbeitet wird – das wird wohl stimmen. Die sind mit ihrem politischen Willen längst unterwegs und haben daher nicht einmal das "bedingungslose Grundeinkommen" im Angebot: Die wollen den Kapitalismus machen, ihn von oben, von den politischen Kommandohöhen aus managen. Den vielfältigen herrschaftlichen "Eingriffen" in "die Wirtschaft", die der demokratische Staat tagtäglich und allem Gerede vom "Wirtschaftsliberalismus" oder "Neoliberalismus" zum Trotz vollbringt, ist doch ihre konsequente, ihre eindeutige Generallinie, ihr maßgeblicher Bezugspunkt
unschwer zu entnehmen: Sie sind in jeder Hinsicht pro-kapitalistisch. Sie setzen durch die Garantie von Eigentum, Geld und persönlicher Freiheit den Kapitalismus in Gang – wer es nicht glaubt, möge sich an die ökonomische "Transformation" der früheren Ostblock-Staaten erinnern –, und sie fördern, begleiten, sichern und betreuen den Gang des Kapitalismus u. a. durch Wirtschafts-, Sozial- und auch Geldpolitik: Wenn die Börsen schlingern, stellen sie Unsummen zur Verfügung, die nicht einmal vorher verdient oder als Steuern eingetrieben werden mußten! Das alles geht unabhängig von den Mehrheitsverhältnissen im Parlament seinen Gang und gleichgültig gegen die Parteien oder Koalitionen, die gerade am Ruder sind.
Wenn mit dem Hinweis auf den eindeutigen herrschenden "politischen Willen" allerdings gesagt sein soll, daß dem normalen Menschen, von Arbeit oder Arbeitslosigkeit, von Prekarisierung und Sozialabbau betroffen und von Armut bedroht, ohnehin nichts anderes übrig bleibt, als wieder einmal auf Machthaber zu setzen, die ihm hoffentlich von oben ein paar Kreuzer oder gar so etwas wie ein Grundeinkommen zukommen lassen, dann ist das vor allem einmal sehr traurig. Nicht nur, weil da gegen jede Erfahrung und gegen jeden Augenschein die politischen Frasen und Sonntagsreden von der Verantwortung der Machthaber für "die Menschen" hochgehalten werden – gegen die Resultate dieser "Verantwortung" genannten Machtausübung, die in Arbeit oder Arbeitslosigkeit, in Prekarisierung und Sozialabbau bestehen. Sondern auch, weil damit ein lichter Moment in der Geschichte
der Arbeiterbewegung negiert wird, nämlich die Einsicht, daß einen kein "höheres Wesen" retten wird – also auch kein demokratisch gewählter Politiker! Anders formuliert: Es liegt schon am Willen – es braucht den Willen der vom Kapitalismus beanspruchten Leute, gegen die von dieser Ökonomie systematisch produzierten Beschädigungen ihres Lebens und gegen den staatlichen Garanten der Marktwirtschaft vorzugehen. Das ist alles.

© GegenStandpunkt Wien, 2007