Das »bedingungslose Grundeinkommen«:
Die Umstellung der "Vollzeitarbeit" auf Taglöhnerei …
Die Fakten sind bekannt und werden in Zeitungsartikeln, Armutsberichten
und sozialwissenschaftlichen Studien ausführlich breitgetreten: "Ein
fixer, unbefristeter Job ist in Europa zu einem immer selteneren
'Luxus’ geworden. Die Norm sind zunehmend 'untypische'
Beschäftigungsformen wie Teilzeit, Zeitarbeit oder
Freelance-Verträge – ohne soziale Absicherung für den
Arbeitnehmer." (Die Presse,
23.11.2006). "Working poor" – irgendwie Beschäftigte, die
von ihrer Arbeit nicht leben können –, zählen zur am
stärksten anwachsenden Gruppe der Empfänger von Sozialhilfe.
Mehr als die Hälfte der hiesigen Arbeitslosengeldbezüge
liegen unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz der Pensionsversicherung,
der so etwas wie eine politisch anerkannte Armutsgrenze definiert.
Geringfügig Beschäftigte, Leute mit einem Freien
Dienstvertrag oder Werkvertrag haben keinen Anspruch auf
Arbeitslosenversicherung. Annähernd jede zweite Alterspension von
Frauen liegt unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz. Vollzeitarbeiter,
die von ihrem Lohn und später von ihrer Pension nicht leben
können,
nehmen überhand. "Atypisch" Beschäftigte – mittlerweile 1,4 Mio. laut Arbeit und Wirtschaft
– heißen noch immer so, auch wenn sie zur Norm werden.
Kurz, die Taglöhnerei in vielen verschiedenen buntscheckigen
Formen wird immer mehr zur Regel, die Privatkonkurse "explodieren",
viele sitzen in einer "Schuldenfalle" und gleiten in den Pauperismus.
Bei all diesen mit viel öffentlicher Anteilnahme bedachten
"Fällen" handelt es sich um die Erfolge der Anstrengungen von
Politik und Wirtschaft in den letzten 10 bis 15 Jahren der
"Globalisierung". Im Interesse der Sicherung des Kapitalstandorts wurde
der "Faktor" Arbeit bekanntlich auf Teufel komm’ raus verbilligt,
und diese Deregulierungen, Flexibilisierungen und Lohnsenkungswellen
haben gewirkt, auf die Beschäftigten –
Änderungskündigungen, Umwandlung regulärer in atypische
Beschäftigungsverhältnisse, schlichte Lohnsenkungen –,
als auch auf nicht (mehr) Beschäftigte: Denen wurden die an sie
vom Sozialstaat umverteilten Lohnteile gekürzt, durch
Pensionsreformen und Kostensenkungen im Gesundheitswesen. Im letzten
Wahlkampf hat die SPÖ diese – wie erwähnt: –
Erfolge von Staat und Kapital so thematisiert: "Reformdruck
in der Armutsbekämpfung besteht aufgrund der Folgen von
Deregulierung und Flexibilisierung der Arbeitswelt und der
Schwächen der bestehenden Sicherungssysteme."
(SPÖ-Wahlprogramm Projekt 10: Kontinuierliche Weiterentwicklung
des Sozialstaates) Deregulierung, Flexibilisierung und
Sozialabbau, also die Maßnahmen von Politik und Wirtschaft sind
der SPÖ als Grund der miesen Lage der Arbeitnehmer durchaus
bekannt – und daran darf und soll sich nichts ändern, bilden
diese Errungenschaften doch die Basis des wirtschaftlichen Aufschwungs.
Das Regierungsprogramm beinhaltet dementsprechend – in
Kooperation mit den Sozialpartnern – die inzwischen realisierte
weitere Flexibilisierung der Arbeitszeiten, mehr Freiheit fürs
Kapital bei der Schichtarbeit und dergleichen Unappetitlichkeiten mehr.
Diese vorläufig letzte Lohnsenkung gilt einer sachkundigen
Öffentlichkeit übrigens als typischer "Erfolg der
Sozialpartner", durch den nicht zuletzt die von der BAWAG-Affäre
gebeutelte Gewerkschaft wieder an Statur gewonnen habe. Durch die
Ausdehnung der Normalarbeitszeit auf 10 Stunden spart sich das Kapital
Überstundenzuschläge; und durch die Ausdehnung der
Maximalarbeitzeit auf 12 Stunden spart sich das Kapital schon wieder
Überstundenzuschläge, indem die Mehrarbeit ganz "flexibel"
mit Perioden verrechnet wird, in denen die Arbeitskräfte ohnehin
nicht gebraucht werden: "Mehrarbeitsstunden
sind dann nicht zuschlagspflichtig, wenn sie innerhalb des
Kalendervierteljahres oder eines anderen festgelegten Zeitraumes von 3
Monaten, in dem sie angefallen sind, durch Zeitausgleich im
Verhältnis 1:1 ausgeglichen werden.
Der dreimonatige Zeitraum …
sollte in der Praxis ausreichend sein, um die Zuschlagspflicht für
gelegentlich geleistete Mehrstunden zu vermeiden." (Homepage der Bundeswirtschaftskammer)
Dazu passende Erfolgsmeldungen kommen derzeit von einem Musterbeispiel
erfolgreicher Teil-Privatisierung. Das kapitalistische Erfolgsmittel
aus Reduzierung der Belegschaft plus Mehrarbeit für den
verbliebenen Rest um
anteilig weniger Geld soll die Post auf Erfolgskurs halten: "Post
will 1500 Briefträger abbauen … Der oberste
Postgewerkschafter Gerhard Fritz tobt. Das vom Management geplante neue
System bei der Zustellung – über das mit der Gewerkschaft
seit vier Monaten verhandelt wird – hätte den Abbau von rund
1500 der insgesamt 12.000 Briefträger bedeutet. In Summe wäre
sogar jeder fünfte Zusteller-Arbeitsplatz gefährdet. …
Für die verbleibenden
Zusteller hätte das eine tägliche Mehrarbeit von eineinhalb
Stunden bedeutet. … 'Für diese 30 Stunden pro Monat mehr hätten sie 90 Euro mehr bekommen sollen. Das ist ein Stundenlohn von drei Euro, das ist unzumutbar.'" (Kurier, 22.08.07)
Die Gewerkschaft gibt sich also renitent, das kennt man; und auf welche Zumutungen sie sich nach "harten Verhandlungen"
– die laufen immerhin schon vier Monate – mit dem Management einigen wird, das wird man bald kennen.
… schafft Armut und sozialpolitischen "Reformdruck"!
Diese Wirtschaft erzeugt immer mehr überflüssige Leute, die
deswegen ohne Arbeitseinkommen dastehen; die "Vollbeschäftigung"
ist ein unerreichbares Ideal und von den Beschäftigungen, die es
gibt, kann man immer weniger leben – und das alles muß so
bleiben und so weitergehen; das spricht nicht gegen diese Wirtschaft,
sondern verlangt einen entsprechenden Umgang der Politik mit den
Opfern. Armut und Armutsgefährdung werden in Zukunft erst recht
und noch mehr untrennbar mit der Arbeiterexistenz verbunden bleiben.
Wenn die SPÖ diesen von ihr als Teil der Regierung tatkräftig
hergestellten Zustand mit einer Reform der Sozialhilfe beantwortet,
geht sie wie selbstverständlich davon aus, daß die
Wirtschaft, wie sie eingerichtet ist, noch nicht einmal die Existenz
der Gesellschaftsmitglieder gewährleistet. Was, rationell
betrachtet, eine radikale Kritik der herrschenden Produktionsweise
darstellt, wird mit der von der Regierung anvisierten
"Mindestsicherung" in den Rang einer unabänderlichen
gesellschaftlichen Realität erhoben. Die Ablösung der
entschwundenen Normalität – Vollzeitarbeit, von der man sich
reproduzieren und ordentlich Sozialversicherungsbeiträge abliefern
konnte – soll irreversibel werden. Die als Prekariat
bekannte Taglöhnerei wird zum Normalfall der Lohnarbeit. Wer als
"working poor" schon vom Lohn nicht mehr gescheit leben kann, kann es
im Fall des Falles erst recht nicht mehr von den sozialstaatlich
umverteilten Lohnteilen, denn die gängigen Sozialleistungen sind
letztlich als Prozentsatz vom Lohn definiert: das schreibt die
"Mindestsicherung" fest. Arbeitslosengeld und Notstandshilfe reichen
wegen
gelaufener Lohnsenkungen und Verschärfungen hinsichtlich
Anspruchsvoraussetzungen und -höhe inzwischen in vielen
Fällen nicht für den Lebensunterhalt, daran wird sich nichts
ändern. Ein Mindestarbeitslosengeld bzw. eine
Mindestnotstandshilfe soll nicht eingeführt werden. Wer unter das
staatlich definierte Existenzminimum fällt, soll das Recht
erhalten, eine Ausgleichszulage zu beantragen, muss dann aber die
deutlich strengeren Voraussetzungen der neuen "Mindestsicherung"
erfüllen: Diese ist keine – sehr frei staatlich
festgesetzte, aber schon noch durch eigene Leistung irgendwie verdiente
– Gegenleistung auf Basis der abgezogenen
Versicherungsbeiträge, sondern eine einseitige staatliche
Zuwendung im Notfall, d.h. der Beglückte muß nachweisbar vor
dem Nichts stehen und obendrein versuchen, diesen Zustand schnell
wieder loszuwerden. Ein womöglich noch vorhandenes "Vermögen"
wie das Eigenheim muß verwertet werden bzw. wird bei der
Berechnung abgezogen. Wozu sollte denn auch ein noch so mickriges
"Vermögen in Arbeitnehmerhand" gut sein, wenn nicht zur Entlastung
des Sozialstaats?! In schöner Offenheit bekennt sich die SPÖ
weiter dazu, daß Lohnarbeit eine Form der Zwangsarbeit ist, und
daß dieser erwünschte, durch Eigentum und Geld hergestellte
Zwang durch die staatlichen Zuwendungen auf keinen Fall gelockert
werden darf: Wer Staatsgeld will, muß glaubhaft machen, trotz
unerschütterlicher Arbeitswilligkeit vom Arbeitsmarkt
verschmäht worden zu sein. Nicht nur, daß mit der
"Mindestsicherung" die Wirtschaft endgültig vom ohnehin
illusionären Anspruch freigestellt wird, sie müßte
"Arbeitsplätze schaffen" und die von ihr gezahlten Löhne
müßten wenigstens für ein Auskommen reichen –
ungeachtet dessen, daß der Arbeiter gar nicht das Subjekt seiner
"Beschäftigung" ist, muß allein er beweisen, daß sein
ganzes Bemühen auf nichts anderes gerichtet ist als darauf,
nützlich für diese Wirtschaft zu sein: "Wir
wollen kein arbeitsloses Grundeinkommen, wir wollen eine
Mindestsicherung, die erst dann greift, wenn alle andern Wege aus der
Armutsfalle gescheitert sind." (SPÖ-Wahlprogramm Projekt 7: Armut bekämpfen)
Diejenigen, die vom massenhaft produzierten Reichtum ausgeschlossen
sind und das auch bleiben sollen, kriegen vom Staat ein irgendwie
definiertes Existenzminimum, bei dem die Latte dementsprechend niedrig
liegt:
"Gusenbauer warf die Frage auf: ‘will denn irgendjemand, dass Menschen in Österreich verhungern?’ Jeder Mensch habe das unveräußerliche Recht auf Würde, betonte Gusenbauer".
(Projekt 7: Armut bekämpfen) – Ja wenn es ohnehin nicht um
den Lebensstandard geht, sondern mehr um die Würde und die
höheren Werte und so Zeug, dann wird’s wohl reichen.
"Es ist genug für alle da!"
Auch andere Leute haben die Erfolge der Standortsicherung durch
Lohnsenkung und Sozialabbau registriert, und sie halten Gusenbauers
Leitlinie – "nicht verhungern in Österreich!" –
für eine Frechheit. Sehr nachvollziehbar, übrigens.
Angesichts dessen, dass der Zwang zur Lohnarbeit ihrer Ansicht nach
zunehmend unwirksam wird, die "Schikanen" des AMS nichts mehr bringen,
nachdem die Gelegenheiten zum Lohnarbeiten weniger werden; und weil die
gezahlten Löhne nicht einmal die Arbeitenden ernähren, halten
diverse Initiativen für ein "bedingungsloses Grundeinkommen" mit
einer gewissen Hartnäckigkeit und gegen alle von Politik und
Wirtschaft gesetzten Fakten daran fest, daß "die Wirtschaft" doch
"wir alle" seien und daher, "wenn es der Wirtschaft gut geht", es
auch "uns allen" wenigstens einigermaßen gehen
müßte. Dieser gute Glaube stimmt zwar nur in einer, in der
normalen Lesart mit dem bekannten Imperativ: damit es "der Wirtschaft"
gut geht, müssen die Arbeitenden zurückstecken, die
angedeutete spätere Beteiligung am Erfolg des Kapitals ist noch
nie zurückgekommen, wie denn auch! – Die aktuelle Fassung
der Vorstellung von der Marktwirtschaft als einer kooperativen
Veranstaltung zur Versorgung besteht in der Parole: "Es ist genug
für alle da!"
In der Tat, es ist sagenhaft viel Reichtum in der Welt. Aber daß
er "für alle da ist", kann auf keinen Fall stimmen. Immerhin haben
die Verfechter des bedingungslosen Grundeinkommens beides konstatieren
müssen, den Reichtum und den "Sozialabbau", daß also neben
dem wachsenden Vermögen der Reichen die "Kluft zwischen Arm und
Reich immer größer wird". Mangel an nützlichen
Gütern herrscht heutzutage wirklich nicht, allerdings wächst
neben dem Reichtum völlig unbetroffen auch der Hunger, und
ungerührt vom gewaltigen medizinischen Fortschritt raffen
"behandelbare Krankheiten" Menschen massenhaft dahin. Wenn es Armut,
Hunger, Seuchen und alle anderen Formen des Elends erstens weltweit und
zweitens nicht erst seit gestern und drittens mit viel Sozialstaat,
Entwicklungshilfe, Caritas und wohltätigen Rockstars auch noch in
ziemlichen Zuwachsraten gibt, dann ist die Gleichsetzung "viel Reichtum
= Wohlstand für alle" offenbar gerade nicht gültig. Grund
genug, die Frage zu stellen, warum denn der weltweite Reichtum die
Armut hier und die Hungersnöte woanders nicht behebt; warum er
nicht bereit ist, sich über die Armen und Elenden zu
ergießen.
Leider weichen die vielen Initiativen von "Netzwerk Grundeinkommen"
über attac bis zur KPÖ dieser Frage nach der Eigenart dieses
Reichtums, der keineswegs für alle da ist, durch das
unermüdliche Deuten auf seine unglaubliche Größe aus,
durch Hinweise, daß da wirklich unvorstellbar viel in Form von
privateigentümlich vorhandenem Vermögen unterwegs ist, was ja
niemand bestreitet. Der Schluß, der daraus gezogen wird,
nämlich daß "man" – gemeint ist natürlich die
staatliche Herrschaft, die öffentliche Gewalt – es
bloß den Eigentümern wohldosiert wegnehmen und es den Armen
oder überhaupt gleich allen Bürgern in Form eines
bedingungslosen Einkommens geben müßste, unabhängig von
geleisteter, weil ohnehin nicht mehr nachgefragter Arbeit, der
täuscht sich leider über beide angesprochenen Instanzen:
Sowohl über den Reichtum als auch über die politische
Macht.
Der geldförmige, der kapitalistische Reichtum
ist nämlich nicht nur ungeheuer groß, er besteht vor allem
aus einer "ungeheuren Warensammlung". So beginnt ein bekanntes Werk zur
Kritik der politischen Ökonomie des Kapitals, und damit ist
ausgedrückt, daß dieser Reichtum gerade nicht darin aufgeht,
für den Konsum durch Bedürftige bereit zu stehen. Er will zu
Geld werden, er muß verkauft werden, sonst hat er seinen Zweck
nicht erfüllt und ist für den Hersteller nutzlos. Deswegen
wird unverkäufliches Zeug auch mal vernichtet, bevor es ohne
geldwerte Gegenleistung an Leute hergegeben wird, die es durchaus
brauchen könnten. Wer nicht bezahlen kann, wer ohne Kaufkraft
dasteht, ist ausgeschlossen vom massenhaft vorhandenen Reichtum: "Tag
für Tag sterben auf unserem Planeten ungefähr 100.000
Menschen an Hunger oder an den unmittelbaren Folgen des Hungers. 826
Millionen Menschen sind gegenwärtig
chronisch und schwer
unterernährt. Alle sieben Sekunden verhungert auf der Erde ein
Kind unter zehn Jahren. Auch im reichen Norden steigt die Armut …" ["Arbeitsgemeinschaft
Christentum und Sozialdemokratie (ACUS)", Einladung zum
Bundeskongreß "Können wir uns die Reichen noch leisten?"]
Wenn permanent Millionen dahinvegetieren und als Folge ebenso
millionenfach krepieren, dann ist das nach gültiger,
öffentlich anerkannter Lesart sicher bedauerlich, eventuell ein
Anlaß für Betroffenheit und Mildtätigkeit, für
mahnende Papstworte, eine Gelegenheit zum Spendensammeln und zur
Selbstdarstellung für Kulturschaffende und Popstars. Eines ist
dieser Dauerzustand aber sicher nicht, nämlich eine
ökonomische KRISE. Da leiden zwar Millionen, aber "die
Wirtschaft", die inzwischen globale Marktwirtschaft, die sie dem Hunger
überantwortet, die leidet nicht; das alles ist nicht das Problem
dieser Wirtschaft, das geht sie nicht an, und wer Hungernden "helfen"
will, muß versuchen, denen privat und außerhalb der
üblichen Geldzirkulation Geschenke zukommen lassen, weil sie vom
normalen Gang des Wirtschaftens nichts zu erwarten haben. Wenn das liebe
Geld wirklich das geniale Kaufmittel zur Versorgung aller im Rahmen
einer arbeitsteiligen Wirtschaft wäre, als das es gemeinhin gilt,
dann wäre es selbst und die komplette Geldökonomie durch den
globalen Hunger schon seit Jahrzehnten oder länger bodenlos
blamiert, durch dieses "Versagen" beim – realiter eben gar nicht
existenten – Zweck, der bedürftigen Menschheit auf
raffinierte Weise Zahlungsfähigkeit zukommen zu lassen.
Wenn hingegen die globale Geldvermehrung in Schwierigkeiten ist, wenn
einige Banken krachen, dann droht eine KRISE. Dann werden an den
Börsen in ein paar Tagen ziemlich unvorstellbare Beträge
vernichtet, dann ist damit der herrschende Zweck der Ökonomie
tangiert, dann "pumpen" deswegen die staatlichen Zentralbanken ebenso
unvorstellbare Milliardenbeträge in den Markt, um eine allgemeine
Zahlungskrise abzuwenden und den großflächigen Zusammenbruch
der Ökonomie abzuwenden, und es ist noch nicht einmal sicher,
daß das überhaupt aufgeht. Das Geld hat nämlich selber
einen Zweck, und der heißt "Wachstum"; das Geld muß mehr
werden, oder es taugt nichts, und die Rolle der Klassen bei der
Geldvermehrung entscheidet über Lebensstandard
und Auskommen: Wer Geld immer nur als Kaufmittel verwenden kann – es verdienen muß, es für den Lebensunterhalt
verzehren muß, es daher sofort wieder verdienen muß, ohne
sicher zu sein, ob die Gelegenheit zum Verdienen überhaupt gegeben
ist –, kommt aus dieser Rolle des "unselbständig", des
"abhängig" Beschäftigten nicht heraus, in der er sich
für die andere Klasse nützlich machen muß. Wer Geld
hingegen als Kapital verwenden kann, wer es ausgibt, damit es durch die
Benutzung der Arbeit der Abhängigen wächst und vermehrt
zurückkommt, dessen Lebensunterhalt ist ein Derivat seines
wachsenden Reichtums und dementsprechend komfortabel.
Geldvermehrung, das ist der herrschende Zweck in dieser Ökonomie,
die Kaufkraft der eigentumslosen Massen ist eine davon abgeleitete,
eine abhängige Variable: Deren Einkommen hängt in Bezug auf
Höhe, Dauer und ob es überhaupt eines gibt, ganz davon ab,
wieweit sie sich als Arbeitskraft für den Reichtum anderer
aufreiben dürfen. Wer dafür nicht gebraucht wird, zählt
zur globalen Überbevölkerung, ist für die herrschenden
politischen und ökonomischen Interessen nutzlos und firmiert nur
noch als Hungerleider oder "bedroht" als Elendsflüchtling "unsere"
Sicherheit.
Die Anhänger des "bedingungslosen Grundeinkommens" kennen
natürlich die gängigen Hinweise auf die ökonomischen
Sachzwänge dieser Ökonomie der Geldvermehrung und das Deuten
auf die deswegen ja wirklich fehlenden Mittel für Bedürftige:
"Das bedingungslose Grundeinkommen ist nicht leistbar." Sie kontern
gern mit Hinweisen wie: "Berechnungen beweisen das Gegenteil. Es geht
bloß um den politischen Willen." (attac), für das
Grundeinkommen "fehlt also nicht das Geld, sondern der politische
Wille." (KPÖ) Nun, diese sog. "Beweise" sind billig zu haben, ein
kleiner Mißbrauch der Mathematik genügt. Natürlich kann
jeder mehr oder weniger akademisch Gebildete viel Geld –
dummerweise das Eigentum anderer Leute und Instanzen, und längst
für deren
staatlich geschützte Interessen verplant und festgelegt –
zusammenzählen und dann durch die Zahl aller Bedürftigen
dividieren. "Bewiesen" ist damit nur, daß man Geld ideell und
fiktiv zweckentfremden kann, durch seine imaginäre Verteilung als
Kaufmittel – eine Übung, die nur gelingt, solange man nicht
weiß, was Geld ist. Die Marktwirtschaft ist jedenfalls keine
Kommune oder ein ähnliches Kollektiv, in dem alle Erträge in
einen Topf geschmissen werden, zur Bestreitung der Aufwendungen aller
Mitglieder.
Der politische Wille: Zum Vergessen
Wenn mit dem Verweis auf den "fehlenden" politischen Willen bloß
gesagt sein soll, daß die Regierungs- und die anderen
staatstragenden Parteien gar nicht vorhaben, den Kapitalismus
wegzuschmeißen und eine ganz andere Ökonomie einzurichten,
in der zweckmäßig für die Bedürfnisse der
Gesellschaftsmitglieder gearbeitet wird – das wird wohl stimmen.
Die sind mit ihrem politischen Willen längst unterwegs und haben
daher nicht einmal das "bedingungslose Grundeinkommen" im Angebot: Die
wollen den Kapitalismus machen, ihn von oben, von den politischen
Kommandohöhen aus managen. Den vielfältigen herrschaftlichen
"Eingriffen" in "die Wirtschaft", die der demokratische Staat
tagtäglich und allem Gerede vom "Wirtschaftsliberalismus" oder
"Neoliberalismus" zum Trotz vollbringt, ist doch ihre konsequente, ihre
eindeutige Generallinie, ihr maßgeblicher Bezugspunkt
unschwer zu entnehmen: Sie sind in jeder Hinsicht pro-kapitalistisch.
Sie setzen durch die Garantie von Eigentum, Geld und persönlicher
Freiheit den Kapitalismus in Gang – wer es nicht glaubt,
möge sich an die ökonomische "Transformation" der
früheren Ostblock-Staaten erinnern –, und sie fördern,
begleiten, sichern und betreuen den Gang des Kapitalismus u. a. durch
Wirtschafts-, Sozial- und auch Geldpolitik: Wenn die Börsen
schlingern, stellen sie Unsummen zur Verfügung, die nicht einmal
vorher verdient oder als Steuern eingetrieben werden mußten! Das
alles geht unabhängig von den Mehrheitsverhältnissen im
Parlament seinen Gang und gleichgültig gegen die Parteien oder
Koalitionen, die gerade am Ruder sind.
Wenn mit dem Hinweis auf den eindeutigen herrschenden "politischen
Willen" allerdings gesagt sein soll, daß dem normalen Menschen,
von Arbeit oder Arbeitslosigkeit, von Prekarisierung und Sozialabbau
betroffen und von Armut bedroht, ohnehin nichts anderes übrig
bleibt, als wieder einmal auf Machthaber zu setzen, die ihm hoffentlich
von oben ein paar Kreuzer oder gar so etwas wie ein Grundeinkommen
zukommen lassen, dann ist das vor allem einmal sehr traurig. Nicht nur,
weil da gegen jede Erfahrung und gegen jeden Augenschein die
politischen Frasen und Sonntagsreden von der Verantwortung der
Machthaber für "die Menschen" hochgehalten werden – gegen
die Resultate dieser "Verantwortung" genannten Machtausübung, die
in Arbeit oder Arbeitslosigkeit, in Prekarisierung und Sozialabbau
bestehen. Sondern auch, weil damit ein lichter Moment in der Geschichte
der Arbeiterbewegung negiert wird, nämlich die Einsicht, daß
einen kein "höheres Wesen" retten wird – also auch kein
demokratisch gewählter Politiker! Anders formuliert: Es liegt
schon am Willen – es braucht den Willen der vom Kapitalismus
beanspruchten Leute, gegen die von dieser Ökonomie systematisch
produzierten Beschädigungen ihres Lebens und gegen den staatlichen
Garanten der Marktwirtschaft vorzugehen. Das ist alles.
© GegenStandpunkt Wien, 2007