Der Autor des Artikels Augsburger
Schurkenstück
(taz, 22.02.10) registriert zwar, was die Justiz in einem
(Wirtschafts-)Prozeß
macht bzw. unterläßt, charakterisiert dies jedoch
nicht als
Ausdruck derselben Gesellschaftsordnung, dem die Justiz selbstredend
verpflichtet ist. Die Justiz ist nicht - das wäre ein
eklatantes
Mißverständnis - dazu da, diese in
Mißkredit zu
bringen, im Gegenteil, sie ist dafür vorgesehen, sie zu
bereinigen
von allen nicht ihr gebotenen Verhaltensweisen auf allen Ebenen des
gesellschaftlichen Lebens. Die Justiz fußt auf der Trennung
zwischen Form und Inhalt der Politik (hier hauptsächlich der
Wirtschaftspolitik), sie achtet auf die Einhaltung der Form, aus der
die - souveräne! - Politik nicht fallen darf bzw. die,
fällt
sie da heraus, auch wieder dorthin zurückgeholt werden
muß.
Dafür ist dann ein Mann wie Karlheinz Schreiber ein Opfer und
die
Politik wird freigesprochen. Und im übrigen ist da ein
Karlheinz
Schreiber auch mehr ein Opfer als es einer der Politiker je sein kann.
Denn eine Infragestellung der Politik ist auch über ihre
Repräsentanten nicht beabsichtigt und deren
"Immunität"
muß allenthalben geschützt werden. Sofern ein
Politiker vor
Gericht gezerrt wird, muß die bestehende Verbundenheit
zwischen
Person und Politik förmlich aufgelöst werden. Das ist
im
allgemeinen nicht erwünscht und wird deshalb auch nur in
speziellen, gravierenden Fällen, also Fällen, die
Staat und
Gesellschaftsordnung absehbar zu größerem Schaden
gereichen
würden, praktiziert [von den Fällen einmal abgesehen,
wo ein
Politiker in seiner puren Individualität straffällig
wird,
z.B. ein Kinderpornorezipient]. Und wenn dies in Sachen
Wirtschaftskriminalität schon mal vorkommt, dann wird gerade
mit
der Justiz der Fall auch wieder gehörig relativiert,
also
in seinem Ausmaß heruntergehandelt. Da werden dann schon mal
die
guten, national erwünschten Gründe für die
Tat gegen
ihre unsaubere Umsetzung verrechnet.
Der Autor des genannten Artikels kapiert nicht die Ideologie der
Gewaltenteilung, derzufolge auch die Justiz dem
politisch-ökonomischen System verpflichtet ist, also auch nur
in
soweit ihre Fälle sucht und aufrollt, als sie die durch die
Rechtsordnung zu (Justiz-!)Fällen gewordenen Taten - also Verbrechen
an der Ordnung - aufgreift und als solche aufgreift, nicht die Ordnung
und ihr Weiß-Warum als solche. Der Autor findet es toll, sich
darin zu ergehen, daß die Protagonisten des Systems - wozu
auch
die Justiz gehört - nicht über das
Quidproquo des
Systems Bescheid wüßten: Sie wissen es sehr wohl,
allerdings
in apologeticher, nicht in anklagender und kritisierender Absicht. Die
Justiz will es ja gerade einer öffentlichen Anklage den Boden entziehen,
wenn und indem sie die Trennung zwischen Form und Inhalt aufmacht und
durchsetzt.
Die Gewaltenteilung ist eine der kapitalistischen Gesellschaftsordnung
zweckdienliche Ideologie. Exekutive, legislative und judikative Gewalt
sind getrennt, weil so die Reinheit des Zwecks der Geldvemehrung und
einer der diesem zum eigenen Zweck der Machtausweitung dienenden
staatlichen Politik[*] am besten und effektivsten gedient ist, auch
wenn das Prozedere bisweilen als allzu pompös und in dieser
Pompösität unsinnig erscheinen mag. Aber genau diese
Umstände, diese Art Akribie, die sich die politische Ordnung
leistet, ist ja - so sieht sie es selber - auch ihr großes
Plus
im Vergleich mit anderen (bürgerlichen)
Gesellschaftsordnungen,
also im Vergleich mit dem Faschismus einerseits und dem Realsozialismus
Marke DDR andrerseits. Das wollte der Autor doch sicher nicht
bestreiten!
(23.02.10)
[*] Wenn unmittelbar staatlicher Gewalt dienende Vorhaben -
militärische Aufrüstung -
geschäftsmäßig
abgewickelt werden, so ist der Konflikt zwischen korrekter und
inkorrekter Vorgehensweise naheliegend. Das ergibt sich aus dem
riesigen Umfang der staatlichen investierten Gelder einerseits und aus
der exorbitanten Geschäftsmöglichkeit beauftragter
Firmen
andrerseits. Bei internationalem Waffenhandel steht zudem das nationale
Interesse und dessen Einhaltung zur Debatte. Von vorneherein also
für die Justiz sehr anspruchsvolle Fälle! Ob Politik
und
Wirtschaft es immer gerne sehen, wenn die sich einmischt, ist
naheliegenderweise zu bezweifeln, schließlich kann sie sich
kostentreibend bemerkbar machen.
Insofern bringen solche Fälle auch immer eine ganz bestimmte
Sorte
Fanatiker der Ordnung hervor, für die alle Zwecke des
politischen
Systems ebenso unterstellt sind wie sie formgerecht abgewickelt sich
gehören, formgerechter als überhaupt je stattfindend.
Es sind
die, die - so sie kritisch werden - in der bestehenden Rechtsordnung
mehr Konsequenz vermissen und noch mehr Staat d.h. mehr justizielle
Kontrolle einklagen, als dies überhaupt möglich (wie
sollte
das denn gehen? Es würde ja auf eine generelle
Prüfung aller
Fälle, nicht nur der Verdachtsfälle hinauslaufen,
also ein
sehr prinzipielles Mißtrauen gegen die bestehende Ordnung
erwecken) - von einer Zweckmäßig- und
Notwendigkeit
ganz zu schweigen - ist: Idealisten des Rechtsstaats. Woraus noch
Konsequentere gleich an eine andere Staatsordnung denken, diese
Saubermänner denken in Richtung radikalere Durchsetzung der
gesamten - vorzugsweise dann ungeteilten - politischen Gewalt,
auch gegen deren ökonomische Grundlage: Faschisten.
