Apropos "Anti-NPD-Demo": Wie kindisch Antifaschisten sein können

Schaut man auf die einschlägige Demo-Aufruf-Website, so stellt man fest, daß sich Antifaschisten schwer darüber wundern müssen, daß es in unserer hübschen Demokratie Nazis gibt. Ja, daß sie auch Demos machen und - was der GAU wäre - in ein demokratisch gewähltes Parlament einziehen könnten! Offenbar schimmert es ihnen nicht, daß die Faschisten zur Demokratie gehören wie der Apfel zum Apfelbaum.
Kurzum, sie finden das Nazitum ganz, ganz schlimm, weil die Nazis bekanntlich Menschen ohne Moral sind, oder besser ausgedrückt: Im Grunde eigentlich gar keine Menschen nicht, jedenfalls nicht mit dem gesegnet, was einen Menschen vom Tier unterscheidet: Mit Verstand. Nur: Mit dieser Diagnose ist man meilenweit davon entfernt, auch nur einen der vielen Zusammenhänge zweier Arten bürgerlicher Herrschaft zu begreifen: Da, wo es gälte, die erheblichen und grundlegenden Gemeinsamkeiten zwischen Demokraten und Faschisten aufzuzeigen - jeder von ihnen ist doch ein vehementer Protagonist des Nationalismus und des Erfolg der deutschen Nation, oder etwa nicht? -, da hängen sie die vergleichsweise eher marginalen - zumal allenthalben auf moralische Maßstäbe reduzierten - Unterschiede an die große Glocke!
Sie, die Antifa-Leute, treten gar als Ehrenretter und Verteidiger der Demokratie auf, als hätte die das verlangt! Ausgerechnet von ihnen doch schon gleich nicht! Bertolt Brecht hatte z.B. durchaus einen Schimmer vom Zusammenhang von Demokratie und Faschismus: Er meinte, man solle vom Faschismus schweigen, wenn man nicht vom Kapitalismus reden wolle. Zugegeben, dem liegt ein falscher, revisionistischer Zusammenhang zugrunde (so als ob das Kapital für sich eine Perspektive ausgerechnet bei denen sähe, die dem "raffenden, dem internationalem Kapital" den Kampf angesagt haben!); hätte er, Brecht, vom demokratischen Staat gesprochen und seinem Gewaltmonopol, - das nach Weltherrschaft schreit und dafür seiner Ökonomie alle Freiheiten eröffnet und - dessen konsequentes Vorgehen Faschisten ja so sehr vermissen (für sie ist eine erfolgreiche Ökonomie im Gegenteil ja ein Hinderungsgrund auf dem Weg zur Weltherrschaft: Ausverkauf nationaler Interessen!) -, dann hätte er die Sache freilich exakt auf den Kopf getroffen.
Kurzum, Faschisten machen Ernst mit dem demokratischen Staatsprogramm, sie werfen ganz grundsätzlich die Gewaltfrage neu auf, nach innen - als Voraussetzung für die nach außen, die Gewaltfrage, von der sie glauben, vor der schräke der demokratische Staat zurück. Von wegen! Der hat sie so weitgehend vorangebracht, daß sich Faschisten heutzutage an der Demokratie die Zähne ausbeißen, weil die für den Geschmack eines jeden - realistischen! - Nationalisten wirklich so gut wie nichts zu wünschen übrig läßt. Mit ihren Staatsschützern hat sie sogar die radikale NPD voll in der Hand, die partout nichts wissen will von einem berechnenden Vorgehen staatlicher Gewalt!
Und, wie gesagt, die Antifaschisten machen sich anheischig, ausgerechnet diese Demokratie zu verteidigen, die mit ihrem nationalen wie internationalen Erfolgsprogramm wahrlich keine Opfer unter der Bevölkerung scheut. Antifaschisten wollen den Grund des Übels nicht sehen, weil er ihnen angesichts der schönen Welt demokratischer Ideale offenbar nicht offenkundig (genug) ist; Ideale, an die sie genauso fest glauben wie früher die KPD und spätere Pseudokommunisten.
Sie machen sogar noch eine Unterscheidung im Bewußtsein ganz normaler demokratischer Nationalisten aus, wenn sie schreiben:
"Doch die neonazistische Ideologie, die von Antisemitismus, Rassismus, Chauvinismus und Nationalismus geprägt ist, ist kein Randfänomen. Ursprung dieses Denkens ist die Mitte der Gesellschaft. Immer wieder beweisen Studien, daß rechte Ideologie in sämtlichen gesellschaftlichen Schichten verbreitet ist. Der Kampf gegen Neonazismus beinhaltet somit immer auch den Kampf gegen seine inhaltliche Basis, also gegen alltäglichen und staatlichen Rassimus, sowie Nationalismus und Antisemitismus."
Bloß: Worin besteht jetzt diese Ideologie? Mehr als Fraseologie ist diese Behauptung doch nun wirklich nicht! Aber so sind sie eben, die antifaschistischen Moralisten: Wofür denn eine Erklärung, wenn der Fall so offenkundig ist und gar Studien(!) das beweisen! (Da hätte man schon gern mal gewußt, ob an denen auch etwas dran ist und wenn, dann was!)

Aber wahrscheinlich sind diese Überlegungen hier eh alles Hirnfuck. Das einzige, was zählt, ist die action: Die persönliche Selbstbehauptung gegen den allüberall drohenden Faschismus. Dafür braucht es dann auch ein Demo-1x1, denn dieser Kampf scheut keine Opfer; Opfer des demokratischen Rechtsstaat zu werden, zeugt von ehrenhaftem Kampf, da nimmt man einen Straftatbestand dann schon mal bedingt vorsätzlich und locker in Kauf. Schließlich ist man zumindest moralisch immer im Recht. Das sollte sich der demokratische Staat samt seiner Polizei doch einmal hinter die Ohren schreiben!
(02.12.06)