Königsplatz AUgsburg PilzDer Königsplatz-Umbau und der Streit darum  - eine Nebenfront der kapitalistischen Standortfrage
              
Bisher orienteierte sich der regelmäßige Um- und damit Ausbau sowie der Neubau von Straßen und Plätzen am Wirtschaftswachstum. D.h. er antizipierte es sogar und entsprechend groß fielen so manche Projekte aus (was nicht heißen soll, daß die Projekte heute zur Zeiten einer größeren Wirtschaftskrise kleiner ausfallen, ganz im Gegenteil). Das betraf nicht nur, aber vor allem den Straßenverkehr. Bei den öffentlichen Verkehrsmitteln fand in den ersten Nachkriegsjahrzehnten ein Rückbau der Straßenbahn - die Wiederkehr der Linie 6 heuer führt das vor Augen - zugunsten der Busse statt. Am Fetisch Auto orientierte sich so auch das öffentliche Verkehrswesen der Stadt. So wurde es ungemütlicher in der Stadt, in der Innenstadt zumal, zu leben. Noch ist diesbezüglich trotz so manchen Umgehensstraßen keine grundsätzliche Neuorientierung abzusehen: Noch immer gibt es die Ost-West-Achse, die über Jakoberstr./Pilgerhausstr./Leonhardsberg/Karlstr./Ludwigsstr./Grottenau Durchgangsverkehr mitten durch die Altstadt leitet (den Straßenzug dadurch als Lebensraum - und sogar als Geschäftsstraße - entwertet!), und die Süd-Nord-Achse, die über den Oberen/Mittleren/Unteren Graben führt, ebenfalls als Achse des Durchgangsverkehrs. Noch immer gibt es eine uneingeschränkte Zufahrt in die Maximilianstraße von verschiedenen Seiten aus. Soweit, so absurd, selbst von dem kapitalistischen Gesichtspunkt des Geschäfts aus, zumal die Parksituation dadurch in ihrer Unmöglichkeit erst geschaffen wurde und beibehalten wird.

Nun gibt es freilich einen ganz neuen Aspekt in den Überlegungen der Verkehrplanung, die mit der Privatisierung der öffentlichen Verkehrsmittel zusammenhängen. Es gibt jetzt ein Geschäftsinteresse, das das ideelle gesamtkapitalistische Interesse der Kommune stützt, welche ja immer sich gegen eine sture und uneinsichtige Autolobby behaupten mußte (wenn sie es denn wollte - in vielen Fällen hat sie der ja ganz einfach entsprochen). Mit dem neuen Königsplatz wird das Auto ein Stück aus der unmittelbaren Innenstadt, der Altstadt zurückgedrängt. Als Nebenwirkung wird die Luft dort etwas gesünder und die Nachtruhe einiger besser, für andere, die, die an die Innenstadt angrenzen, die mit erhöhtem Verkehrsaufkommen zu rechnen haben, schlechter. So schafft es die Standortpolitik es nie, es allen recht zu machen, wie sollte sie auch?
Was beweist das? Daß eine vernünftige Verkehrsplanung relativ ist, relativ zu den vorherrschenden Interessen. Momentan sieht es so aus, daß die, die partout mit dem PKW meinen in die Innenstadt fahren zu müssen, eine Niederlage erleiden, denn ihr Tunnelvorschlag ist in jeder Hinsicht bescheuert: Letzten Endes würde er mehr Staus verursachen, als dadurch vermieden werden könnten - man denke allein an die Zu- und Abfahrtsschwierigkeiten.
Die Frage der Finanzierung des Kö-Umbaus im Rahmen der »Mobilitätsdrehschreibe«, also zusammen mit dem Umbau des Hauptbahnhofs, ist eine so grundsätzliche, die Standortfrage berührende, der sich keine Partei verweigern kann, die ernstgenommen werden möchte - schließlich wird im Kapitalismus so gut wie alles über's Geld geregelt, steht oder fällt also mit ihm. Daß die SPD diesen auch ihren staatsaffirmierenden Standpunkt, nun in der Opposition, nicht als solchen aufgegeben hat, sondern rein taktisch, zeugt allein von einer schäbigen Kleinkariertheit, die im Nachtarocken eines schlechten Verlierers besteht. Die GRÜNEN haben sich da anders entschieden - nicht zuletzt deshalb, um, wie es unter Demokraten allemal üblich ist, größere Übel (hier: Tunnellösung) zu vermeiden. Es zeugt auch in dieser Frage von ihrer Avantgarderolle, die Demokratie als widerspruchsfreie etablieren zu wollen. Nun machen also CSU, Pro-Augsburg und Grüne die Verkehrspolitik, der sich eine abgespaltene sture CSU-Auto-Fraktion zusammen mit der SPD widersetzt. (Die Linkspartei befindet sich offenbar auf Tauchstation, nicht nur in der Verkehrspolitik.)

[Die Abbildung zeigt eine historische Aufnahme der früheren Drehscheibe, des »Pilzes« am Königsplatz, seinerzeit ein beliebter Treffpunkt, welcher 1975 beim letzten Kö-Umbau abgerissen wurde.]

Literaturtip:
»Zum gesellschaftlichen Bedarf nach Mobilität« in »Die Automobilindustrie« in GegenStandpunkt 2-2006 (17.07.10)