50 Jahre Ostermärsche - 0 % politischer Einfluß: Der Fehler?

Den Ostermarschierern haftet zweifellos der Ruf der permanenten Loser an, wie so vielen Idealisten einer besseren Welt. Dem versuchen sie auch heuer entschieden zu widersprechen: Sie betonen, ihre Forderungen könnten sich auf die (schweigende) Bevölkerungsmehrheit - Fälle: die Kriege im Irak und in Afghanistan - berufen. Als ob das ihr Fehler gewesen wäre, sich bislang nicht auf eine solche Mehrheit berufen zu können! Wie Bertrand Russell feststellte, "können, auch wenn alle einer Meinung sind, alle unrecht haben".
Ihre wirklichen Fehler sehen ganz anders aus.

Klaus Länger, Vertreter der Augsburger Friedensinitiative (AFI), sagt folgendes:

"Ban the bomb - Verbietet die Bombe: Unter diesem Motto zogen vor etwa 50 Jahren tausende Engländerinnen und Engländer von London zum britischen Atomforschungszentrum Aldermaston. An diesem 07.04.1958 fand der erste Ostermarsch statt. Diese Forderung ist leider auch nach 50 Jahren noch aktuell: Denn die Arsenale der Atommächte reichen auch nach Ende des Kalten Krieges zur mehrfachen Zerstörung der Erde aus. Und Atomwaffen werden nicht nur einsatzfähig gehalten und modernisiert, Militärs und Politiker denken sogar offen über deren Einsatz nach: Fünf Ex-NATO-Generäle erklärten, daß die Option für einen nuklearen Erstschlag ein 'unverzichtbares Instrument' bleibe, 'einfach weil es keine realistische Aussicht für eine Welt ohne Atomwaffen gibt.' Und Rußlands Generalstabschef Juri Balujewski kündigte erst im Januar einen atomaren Präventivschlag unter bestimmten Umständen 'zur Demonstration der Entschlossenheit der Staatsführung, die Interessen der Nation zu verteidigen' an." (Rede vom 22.03.09)

Es gibt Atomwaffen. Aber warum eigentlich? Ach ja, "Politiker und Militärs" halten sich solche. Zum reinen Vergnügen an den technischen Wunderdingern wohl kaum, da mögen sie privat so pervers sein, wie sie aussehen. Wofür dann? Sind es vielleicht gar nicht Politiker und Militärs, sondern Staaten und deren Ambitionen, die solch scheußliche Dinge erfordern? Sind die Zwecke der Staaten nicht deshalb so unverrückbar, weil sie nicht vom Personal abhängig sind, das sich in ihren Dienst stellt? (Fragen übrigens, die die Friedensbewegung nach 50 Jahren endlich mal klären könnte!) 
Doch weiter mit Klaus Länger:

"Dabei sind Atomwaffen illegal - und zwar nicht nur solche, an denen der Iran angeblich baut, oder die in Nord-Korea, sondern alle - auch die der Großmächte. Der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag hat sie 1996 für 'generell völkerrechtswidrig' erklärt, damals ein erster Erfolg der international vernetzten Kampagne 'Atomwaffen abschaffen!'. Sie fordert eine Abschaffung aller Atomwaffen bis zum Jahr 2020, eine Forderung, der sich auch die Augsburger Friedensinitiative anschließt. Ein kleiner aber trotzdem wichtiger Schritt auf diesem Weg ist, daß endlich die letzten Atomwaffen aus Deutschland verschwinden, die immer noch in Büchel in der Eifel lagern."

Da erklärt der IGH also die Atomwaffen für illegal und kein Staat, der auf sich etwas hält, hält sich daran. Wie gibt es denn das? Ist ein internationaler Gerichtshof nicht ein Produkt von Staaten und also auch den Staaten unterworfen, die an seiner Existenz ein Interesse haben, weil sie sich von ihm einen Konkurrenzvorteil in der internationalen Staatenwelt versprechen? Also genau das Gegenteil davon, auf eigene Macht und Machtmittel zu verzichten: Das sollen doch bloß die jeweils anderen Staaten! - Und überhaupt: Wenn es denn schon Staaten gibt, Staaten mit Interessensgegensätzen, dann rufen sie doch auch nach Regelungsinstrumenten derselben: Auf dieser Ebene sind internationale Institutionen fast ebenso notwendig und brauchbar wie militärische Waffen kleineren und größeren Kalibers: Gerade diese internationalen Rechtsinstanzen sind ein Ausdruck der überlegenen Gewalt, die nicht erst zu militärischen Waffen greifen muß, um Recht zu bekommen, sich durchzusetzen also. Da langt es völlig, daß das entsprechende Arsenal im Hintergrund steht. Ein unterlegener Staat kann zwar diese Instititionen ebenfalls anrufen, im besten Fall sogar Recht bekommen, wie z.B. das sandinistische Nicaragua seinerzeit, aber es nützt ihm herzlich wenig: Eine Superpower wie die damals verurteilten USA sehen darin allenfalls einen Mißbrauch des Gerichts. Und wenn alle Atommächte unisono einen Beschluß des Gerichts für sich für gegenstandslos halten, umso besser; weniger der Gerichtshof, vielmehr die vorliegende Frage hat sich dann blamiert. -
Weiter mit Klaus Länger:

"Und die Militäreinsätze verschlingen so viel Geld, daß für den zivilen Wiederaufbau des Landes fast nichts mehr übrig bleibt. Seit 2002 wurden in Afghanistan 85 Mrd. Dollar für Militärmaßnahmen, dagegen nur 7,5 Mrd. Dollar für den zivilen Wiederaufbau eingesetzt. Und auch diese Mittel konzentrierten sich fast ausschließlich auf die Hauptstadt Kabul und vernachlässigten vor allem die Paschtunengebiete, in denen die Taliban am stärksten sind. Der Gesamtbetrag für die militärische 'Verteidigung' Deutschlands am Hindukusch hat die Zwei-Milliarden-Grenze längst überschritten. Damit gibt Deutschland für zweifelhafte Militäreinsätze ein Vielfaches von dem aus, was in dringend notwendige zivile Hilfsprojekte geflossen ist oder noch fließen wird. Die Kinderhilfe Afghanistan rechnete in einer Presseerklärung vom 08.02.2007 vor: 'Mit weniger als der Hälfte der derzeitigen jährlichen Kosten für den ISAF-und OEF-Einsatz wäre der Bau ausreichender und qualifizierter regulärer Schulen und deren Unterhalt für 10 Jahre möglich. Allein die Kosten des Tornado-Einsatzes für 2007 würden den Bau von ca. 1.000 Schulen ermöglichen.'
Trotz des offensichtlichen Scheitern des Militärs fällt unserer Regierung aber nicht anderes ein, als noch mehr Soldaten nach Afghanistan zu schicken, im Herbst soll der Bundestag über die Verlängerung der Militäreinsätze entscheiden."

Woran man sehen könnte, daß der Staat nicht für wohltätige Zwecke existiert. Also warum sollten sich Politiker - außer zu Propagandazwecken - für die Kinder in Afghanistan einsetzen? Das tun sie im übrigen ja nicht einmal groß für die Kinder der Arbeiterklasse hierzulande.
Das Kriegsziel, die Befriedung Afghanistans unter einem Vasallenregime, hingegen darf doch nicht an seinen Kosten scheitern! Weder an den finanziellen noch an den leiblichen. Es hat den Anschein, als wollten Friedensbewegte der Härte der imperialistischen Wirklichkeit, die ein Staat wie Deutschland schafft, nicht ins Auge sehen. Sie appellieren an Politiker, also an die Protagonisten des Staatsinteresses, als an Menschen guten Willens, denen bloß nichts anderes einfiele! Kein Wunder, daß sie von jenen nicht die Bohne ernstgenommen werden!
"Unsere" Regierung! Wenn man aus Dringlichkeitsgründen tatsächlich keine Gegensätze mehr kennen will, dann versucht man mit der 1. Person Plural hausieren zu gehen. Das gelingt der Politik, weil sie eh die Macht hat, das gelingt aber nicht der AFI, bei der man sofort merkt, daß das Wir eine Anmaßung ist. 

Um keine Illusionen aufkommen zu lassen: Die Friedensbewegung hat sich über Jahrzehnte schon in ihrer eigenen kleinen Welt eingehaust, ihre Selbsttäuschungen über die Politik läßt sie sich sicher nicht nehmen, dafür erachtet sie ihr Anliegen als viel zu integer. Wer aber nicht ewig als Gewissenswurm und nationaler Verantwortungsträger im Geiste herumlaufen möchte, der kann feststellen, daß er jener Täuschungen als sein Lebenselixir durchaus entbehren kann. Er wird sich dann darum kümmern, "Politikern und Militärs" in ihren Staatszwecken das Leben schwer zu machen. Wer läßt sich von denen schon gerne Jahr für Jahr ungestraft auslachen, sofern er überhaupt (noch) zur Kenntnis genommen wird? (22.03.08)