Das (schleppende) Geschäft mit dem Müll und seine grundsätzlichen Resultate
1. Die Abfallverwertungsanlage Augsburg (AVA) hat den Zweck, den aufgrund der kapitalistischen Produktionsweise in riesigen Mengen anfallenden Müll nicht bloß zu entsorgen, sondern möglichst rentabel zu verwerten, also auch aus und mit wertlosem Zeug noch bzw. wieder ein Geschäftzu
machen. Das ist natürlich nicht so einfach und ohne
Federführung des Staates nicht zu machen. So haben sich die Stadt
Augsburg und die Landkreise Augsburg und Aichach-Friedberg zu einem
Zweckverband zusammengeschlossen (AZV). Und daß genügend
Müll, insbesondere für eine rentable Verbrennung,
zusammenkommt ist auch die "Schwäbische Entsorgungsgesellschaft"
(SE), eine
Tochter der Lech Elektrizitätswerke (LEW), mit dabei; sie
hält 49% der AVA GmbH-Anteile, die staatliche Seite 51%. Über
die SE liefern drei weitere schwäbische Landkreise Müll an;
von den rund 320.000 Tonnen Müll, die pro Jahr verarbeitet werden
können, werden gut 200.000 t verbrannt.
2. "Die Müllgebühren in der
Region sind teilweise überdurchschnittlich hoch, und dennoch
braucht die Abfallverwertungsanlage Augsburg (AVA) jedes Jahr einen
satten Zuschuß von der Stadt und den Landkreisen, um ihr Defizit
auszugleichen." (Augsburger Allgemeine,
12.08.07) Und dieses chronische Defizit wundert überhaupt nicht -
die SE ist ja nur unter der Bedingung dabei, daß ihr eine
kräftige Rendite gewährt wird: "[Der andere AVA-Gesellschafter, die SE,] bekommt
eine vertraglich garantierte Verzinsung seiner Beteiligung von 6,5
Prozent, nach Steuern wohlgemerkt. Um den Betrag von gut 1,69 Millionen
Euro netto zu erwirtschaften, sind brutto fast 2,6 Millionen Euro
nötig. Zwar hat auch der AZV gemäß seines
51-Prozent-Anteils am Grundkapital der AVA einen Anspruch auf Zinsen,
doch die werden gleich mit der Verbandsumlage verrechnet. Der AZV hat
also das Risiko, die SE den Gewinn." (ebenda) Und das widerspricht ja auch überhaupt nicht dem Zweck, Müll rentabel zu machen.
3. Angesichts dieser Sachlage ist klar, daß die Politik nicht
zufrieden ist, weil sie immerzu zuschießen muß, obwohl sie
den Bürgern in Sachen Hausmüllbeseitigung eh schon mehr als
genug abverlangt. Völlig zweckfremd wäre es auch, wenn die
Politik die Gründe für die allenthalben ins Gespräch
gebrachten "Mißstände" bei der AVA in der Sache als solcher
sehen würde. Sie denkt strikt ökonomisch, entdeckt
Einsparungsmöglichkeiten, weiß effizientere Methoden und
denkt mitunter gar an eine Verabschiedung der SE aus dem Projekt und an
eine völlige Neukonzeption (hier ergibt sich parteipolitisches
Betätigungsfeld zwischen der Stadt Augsburg - rotgrün-regiert
- und den beiden Landkreisen - CSU-regiert -). Auch führende
Mitarbeiter der AVA scheinen derart konstruktiv mitzudenken und gehen
mit Dokumenten an die Öffentlichkeit, die viel Staub aufwirbeln -
soviel, daß jetzt sogar seitens der Geschäftsführung
die Staatsanwaltschaft eingeschaltet wurde, die "Maulwürfe"
dingfest zu machen. Und die schlug dann so los, wie man sie kennt,
nämlich ohne Rücksicht auf irgendwen und irgendwas, was im
Grundgesetz als "unveräußerlich" etc. definiert ist.
4. Wenn schon nicht am Thema Müll und seiner Beseitigung, dann
wurde an dieser Stelle des gewaltsamen staatlichen Eingriffs
Prinzipielles aufgeworfen. Der Chefredakteur der Augsburger Allgemeinen,
Rainer Bonhorst höchstselbst, schrieb in den Niederungen der
Lokalseite einen Kommentar, der sich gewaschen hat und der hier
dokumentiert sei:
"Ja, es ist eine klassische Szene.
Plump, kurzsichtig, maßlos
übertrieben, als wäre unser Staatswesen in Gefahr. Elefanten
im Porzellanladen der Demokratie.
Das Stück geht so: In einer
Behörde oder einem staatsnahen Unternehmen – hier ist es die
Augsburger Abfallverwertungsanlage – herrschen Zustände, wie
sie nicht herrschen sollten. Die Mißstände geraten an die
Öffentlichkeit. Die Staatsorgane greifen zu. Greifen sie zu, um
die Mißstände in Ordnung zu bringen? Das wäre mal etwas
Neues. Nein, sie greifen zu, um einen 'Maulwurf' zu finden, der die
üblen Dinge an die Öffentlichkeit (sprich: an die Zeitung)
weitergegeben haben soll. Es ist der ewig gleiche, beschämende
Reflex. Die ganze Energie richtet sich auf die Maulwurfjagd. Eine dumme
Verschwendung von Energie, die man einsetzen sollte, um den Laden
wieder auf Kurs zu bringen.
Aber natürlich hat die
Energieumleitung ihren Hintersinn. Sie dient der Rache und der
Einschüchterung. Man glaubt, man könne künftige 'Lecks'
verhindern, indem man massiv und ohne Scham gegen die eigenen Leute
vorgeht.
Liebe Leute: Eine solche
Einschüchterungstaktik funktioniert nicht. Das Rechtsgefühl
unserer Bürger ist so leicht nicht abzuwürgen. Wo etwas faul
ist, wird die Presse auch in Zukunft Wind von der Sache bekommen. Und
wo Mißstände vertuscht werden sollen, hat die Presse eine
ihrer wichtigsten Funktionen: aufdecken, die Wahrheit an den Tag
bringen.
Wer nur massiv
gegen 'Maulwürfe' vorgeht, geht auch gegen die Pressefreiheit
vor. Und wer durch Einschüchterung unsere Pressefreiheit aushebeln
will, versucht letzten Endes, unsere Demokratie auszuhebeln.
Vergebens." (22.12.07)
Nein, das kann wirklich nicht sein, daß die
Müll(entsorgungs)frage die Demokratie tangiert! Ist es auch nicht.
"Mißstände" sind nämlich nie etwas anderes als die
Ausnahme von der Regel, daß etwas ordnungsgemäß, das
heißt gesetzeskonform abgewickelt wird. Und wenn die
"Selbstreinigungskräfte" der Demokratie versagen, dann muß
es auch, so ein kritischer Journalist, erlaubt sein, jenseits dessen an
die Öffentlichkeit zu gehen. Wie oft das in der schönen
heilen Welt des Kapitalismus eigentlich sein müßte,
macht allein schon der Umstand deutlich, daß jede Firma ihre
Mitarbeiter arbeitsvertraglich dazu verpflichtet, keine sogenannten
Betriebsgeheimnisse (der Schutz von Knowhow ist da nur ein
Aspekt!) auszuplaudern - bei manchen Firmen fallen gar
Lohnhöhe und Arbeitsbedingungen darunter. Betriebliche
Kalkulationen gegen die Konkurrenz umfassen eben alle Mittel - nach dem Motto: Der Erfolg gibt einem Recht! (Und nicht umgekehrt!)
Wenn der Staat mit seiner Exekutivgewalt eingreift, dann in aller Regel
gegen die Mitarbeiter - und nicht bzw. selten genug gegen das Eigentum.
(Freilich gibt es auch eine Gewerbeaufsicht; die führt allerdings
einen sowohl staatlich wie betrieblich erwünschten
Dornröschenschlaf und fungiert de facto als Alibibehörde des
Klassenstaats.)
Am Eigentum - das könnte selbst ein demokratischer Journalist
eigentlich ahnen - relativiert sich nicht nur die Freiheit von
Lohnarbeitern, sondern auch die Pressefreiheit:
Ob das Gesamtkunstwerk (deutsche) Demokratie auf seiner gewaltsam
durchgesetzten und aufrechterhaltenen Ökonomie fußt oder auf
seinem geistigen Überbau, seiner grundgesetzlich verordneten
Ideologie, die Presse- und Meinungsfreiheit beinhaltet, ist
nämlich keine Frage. Die Ideologie mag man als Porzellanladen
bezeichnen, ihre gewaltige Grundlage jedoch läßt das nie und nimmer zu.
Allein Bonhorst mag sich darüber täuschen, weil er in einem anderen Punkt so sicher sein kann: In dem, was das "Rechtsgefühl unserer Bürger"
anbelangt. Das besteht nämlich in der Tat darin, was ihnen die
Presse vermittelt. Und die wiederum hat zum Dogma, den Glauben an "unser Staatswesen" zu erhalten und zu befördern. Weshalb mancher
Journalist schon fast krankhaft, auf jeden Fall aber berufsnotwendig
allüberall - mitunter eben selbst im staatlichen Vorgehen selber -
einen Anschlag auf eben dieses hohe Gut wittert.
In Sachen demokratischen Totalitarismus' führen Justiz und
Journaille einen jener in der Demokratie so beliebten und ihr
Würze verleihenden permanenten Grabenkriege.
(25.12.07)