Unsere Kritik am Aufruf von Attac und anderen Linken zur Demo in Augsburg [Foto: attac] und anderen Städten am 28.03.2009:
Ihr wollt nicht für die Krise des Kapitals zahlen?
Dann tut es auch nicht!
Tatsächlich bezahlt ihr längst! Und die Demonstrationsaufrufe
benennen das auch: Wenn die Märkte einbrechen, wenn in Industrie
und Handel die Geschäfte schrumpfen, dann wenden die Unternehmen
Schaden von ihren Bilanzen ab, indem sie ihn an ihre Arbeitskräfte
weitergeben: Sie entlassen, verordnen Kurzarbeit, senken Löhne.
Sie passen ihre Kosten an die verminderten Geschäftsgelegenheiten
an und verteidigen ihre Gewinne.
An dieser Front findet der Kampf darum statt, wer in welchem Maß
Opfer zu bringen hat dafür, daß das Wachstum wieder in Gang
kommt und die ganze kapitalistische Scheiße von vorne losgeht.
Wer sich die Rolle als flexibler Kostenfaktor nicht mehr gefallen
lassen will; wer es satt hat, in Zeiten der Konjunktur mit flexibler
Arbeitsbereitschaft für das Wachstum der Profite bereit zu stehen
und in der Fase der Schrumpfung die Firmenbilanzen durch Lohnverzicht
zu sanieren, der kommt um eine Kündigung seiner Rolle als Ware
Arbeitskraft nicht herum. Die Aufrufe zu dieser Demonstration schimpfen
kräftig auf den Kapitalismus und fordern "ein anderes
Wirtschaftssystem, das Mensch und Natur dient" – aber den Kampf
um die Abschaffung des Kapitals, den halten sie nicht für
nötig.
"Zeit für
Systemwechsel" schreibt der gemeinsame Aufruf. Ein merkwürdiger
Systemwechsel ist das, der all die Figuren gleich wieder mit an Bord
nimmt, die in der schlechten alten Gesellschaft das Sagen haben und
deren Profitmacherei all die aufgezählten Übel von der Armut
in Europa und in der Welt bis hin zum Klimawandel verursacht.
- Die Millionäre zum Beispiel. Sie bleiben Millionäre:
Schließlich will man ihnen eine Millionärssteuer aufbrummen,
um die staatlichen Unkosten der Bankenrettung zu mindern.
- Die Banken müssen natürlich gerettet werden! Auch sie sind
in der "solidarischen Gesellschaft" unverzichtbar. Nur gesunde Banken
können der Wirtschaft Kapitalvorschuß auf Kredit spendieren
– und Kapital braucht die arbeitende Bevölkerung ja wohl so
nötig wie das tägliche Brot, oder? Und das Vermögen der
Banken wird vom Volk auch noch gebraucht - denn nur reiche Banken
können den vom Demo-Aufruf geforderten Fonds auflegen, mit dem sie
sich selber aus ihrer Pleite herauskaufen und dem Volk Kosten für
die unverzichtbare "Sanierung des Finanzsektors" ersparen.
- Und die Wirtschaftskapitäne aus der "Realwirtschaft" - die
braucht ihr natürlich auch in der neuen Gesellschaft: Wer sonst
könnte den Kredit der Banken verwenden und neben dem eigenen
Profit noch den Zins für die Banken aus der Arbeit
herauswirtschaften. Nur Ausbeutung kann die Arbeitsplätze
schaffen, die das Volk braucht! Die muß wieder in Gang kommen.
Denn für die kapitalismuskritischen Aufrufe scheint das Übel
des Kapitalismus nicht darin zu bestehen, daß es in diesem System
Lebensunterhalt für Arbeiter nur gibt, wenn ihre Arbeit Profit
abwirft. Sondern darin, daß der Kapitalismus gegenwärtig mal
nicht gescheit funktioniert.
Nicht nur die
Reichen und Mächtigen, auch die Armen und Abhängigen treten
in der "solidarischen Gesellschaft" wieder in ihren alten Rollen auf:
Wozu fordert man wohl einen "Sozialen Schutzschirm", wenn man nicht
davon ausgeht, daß es weiterhin ohnmächtige und
schutzbedürftige Sozialfälle geben wird:
- einen Mindestlohn für die Beschäftigten im
Niedriglohnsektor. Den Sektor soll es offenbar noch länger geben
– da haben die Aufruf-Autoren es dann schon nötig, sich von
der SPD-Definition des für arme Arbeiter Zumutbaren mit einem
'aber bitte armutsfest' abzugrenzen.
- eine "existenzsichernde" Erhöhung der Hartz-IV-Sätze
für die Langzeitarbeitslosen, die auch nicht weniger werden -
mitsamt ihrer ewig unsicheren Existenz;
- Sozialrente mit 65 statt mit 67 für die Alten, die in der Krise
sowieso vor Erreichen der Altersgrenze aus den Betrieben gedrängt
werden.
Geht's noch bescheidener? Aber was soll man schon erwarten von einem
Demonstrationsaufruf, der die "Menschen vor Profite" setzen, also die
Rangordnung der beiden hohen Güter korrigieren will? Profit soll
schon sein, aber der Mensch darf darüber nicht vergessen werden!
Mensch und Profit sollen koexistieren können, so ist es doch
gemeint? Wie paßt das dazu, daß Profit von vornherein auf
Kosten der arbeitenden Menschen geht? Daß er gar nichts anders
ist, als was der Kapitalist aus seinen Arbeitskräften herausholt?
Sieht so die "andere Welt" aus? Ist das das "neue Wirtschaftssystem", für das ihr demonstrieren geht?
Nein, liest man,
mit Mindestlohn, existenzsichernder Sozialhilfe, Rente mit 65 etc. ist
die "solidarische Gesellschaft" noch nicht fertig. Das alles sind nur
"Sofortmaßnahmen", "erste Schritte" – aber Schritte wohin?
Die Demo-Aufrufe zählen viele Übel auf, die das
kapitalistische Wirtschaften bei der Klasse der Lohnabhängigen
verursacht, aber sie wenden sich nicht gegen das Kapital, sondern an
den Staat, der dem Schaden Grenzen ziehen soll. Also an genau die
Adresse, die mit ihrer politischen Macht durch die Garantie des
Privateigentums die Wirtschaftsmacht des Kapitals in die Welt setzt,
absichert und betreut. Eine sozialere Politik soll die Schäden
korrigieren, die die Wirtschaft verursacht. Im Fordern nach
Schadensbegrenzung werden all die ökonomischen Prinzipien, die im
Kapitalismus herrschen, und all die sozialen Rollen, die er
hervorbringt, vorausgesetzt und anerkannt. Das ist nicht ein erster
Schritt zur Abschaffung des Kapitalismus, es ist der Ruf nach sozialer
Politik, der diese Ausbeutungsökonomie begleitet, solange es sie
gibt.
Wer nicht
weiterhin zum Opfer von Krise und Krisenbewältigung gemacht werden
will, wer in einem neuen Aufschwung nicht wieder Mittel des Profits
sein will - der hat anderes zu tun, als mit einer Demonstration
gesellschaftlichen Druck für einen sozialen Politikwechsel in
Berlin aufzubauen.
Ihr wollt nicht zahlen für die Krise des Kapitals? Dann verweigert
euer Mitmachen! Aber feilscht nicht mit der Regierung um
Preisnachlässe bei der Bezahlung der Krisenlasten.