Ägypten: Charaktermaske der Unschuld
Seit
1981, seit der nach wie vor andauernden Präsidentschaft Mohamed
Hosni Mubaraks, gelten in Ägypten die Notstandsgesetze, erst 2006
wurden sie für zwei Jahre verlängert. Seit Jahren ist
Ägypten auf internationalem Parkett nur wenig präsent, weder
als Parteiergreifender noch als Vermittler. Eine Ausnahme war der
Versuch, gemeinsam mit den gemäßigten Palästinensern
und Israel, die Hamas zu bremsen (2006). Freilich spielte auch damals
der innenpolitische Aspekt eine ganz entscheidende Rolle.
Jetzt sollen das Notstandsgesetze (Art. 76 und 77 der Verfassung) durch
insgesamt 34 Verfassungszusätze ersetzt, erweitert und
vervollkommnet werden. Adressat dieser für notwendig befundenen
Maßnahme ist - damals wie heute - die einzig nennenswerte
innenpolitische Opposition, die Muslimbruderschaft: Die hat weiterhin
Zulauf, zumal die Regierung gegen die Verslumung, gegen Not und
Elend weiter Bevölkerungskreise wenig unternimmt, diese
Zustände ganz im Gegenteil mit Privatisierungsprogrammen,
Steuersenkungen für's Kapital und Senkung von Zollschranken
für ausländisches Kapital noch verschlimmert.
Nach Meinung des IWF freilich tut die Regierung noch viel zu wenig, die
staatlichen Ausgaben zu beschränken und die 8 Milliarden Ägyptischen Pfund (ca. 1,1 Mrd. Euro) für die Ärmsten der Armen sind ihm - wie könnte es anders sein - viel zu unproduktiv vergeudet.
Nichts einzuwenden hat der IWF gegen den Sicherheitsapparat.
Imperialistischen Staaten kann der gar nicht umfangreich genug sein,
zumal sich doch immer wieder ihre eigenen Bürger am Roten
Meer und an den historischen Stätten der Faraonen einen
einigermaßen exotischen Urlaub gönnen wollen. Die Lüge,
beim Kampf gegen den Terrorismus ginge es um das Eintreten für die
Sicherheit der Bevölkerung, ist ja gerade in diesem Zusammenhang
sehr beliebt.
Während der Regierung also die innere Sicherheit
überaus am Herzen liegt und ihr dafür kein Piaster zu
schade ist, haben die Muslimbrüder nicht nur bei den letzten Parlamentswahlen 2005 haushohe Zuwächse (88 statt vorher 17 Sitze im Parlament) erzielt; mittlerweile haben sie beispielsweise den Verband der Ärzte und den der Ingenieure übernommen.
Insbesondere der neue Artikel 179, der den
Strafverfolgungsbehörden im Falle eines Terrorismus-Verdachts
weitgehendste Vollmachten einräumt, stößt der
Opposition sauer auf. Ohne gerichtliche Überwachung, Billigung
oder Vollmacht der Justiz ist von der Observierung über die
Verfolgung bis zur Verhaftung alles möglich, was das Herz der
Regierung begehrt. Die Muslimbrüder wollen die Abstimmung
über die Verfassungsänderung am 25./26. März 2007
boykottieren, weil sie ihnen zudem die Umwandlung von einer
religiösen in eine laizistische Partei abverlangt. -
Daß auch die USA gegen die neuen Gesetze in persona
ihrer Außenministerin Vorbehalte angemeldet haben, zeugt
einerseits von Heuchelei, andrerseits aber auch von der Unzufriedenheit
mit ihrem Bundesgenossen, der sich viel zu wenig für den Kampf
gegen den internationalen Terrorismus hat einspannen lassen. Erst im Januar 2007 hat Condoleezza Rice bei ihrem neuerlichen Besuch in Kairo Ägypten
als Teil des us-freundlichen arabischen 8er-Blocks (die im GCC - golf
cooperation council - mit Saudi-Arabien zusammengeschlossenen 5 kleinen
Golfstaaten sowie Jordanien und Ägypten) gut
zugeredet und auf Ägyptens Aufgabe und Verantwortung für die
Stabilität vom Iran bis zum Sudan hingewiesen. Daß sie mehr
ägyptisches Engagement diesbezüglich wünscht, war
ebensowenig zu überhören wie die reservierte Haltung
Ägyptens dem us-amerikanischen Anliegen gegenüber.
(26.03.07)
Nach Paragraf 4 der Verfassung ist Ägypten übrigens immer
noch "sozialistisch" - aber was heißt das schon...