Warum Mugabe weg muß
Über Zimbabwe hat sich die maßgebliche westliche Welt und
ihre demokratische Presse seit langer Zeit und mit seltener Einigkeit
eine eindeutige Meinung gebildet: Da soll es sich um einen besonders
eklatanten Fall von 'schlechter Regierung' handeln, der nach
ausländischer Intervention schreit. Und dieser Fall hat einen
Namen: Mugabe. Der Mann klammere sich skrupellos und brutal an die
Macht und habe nichts anderes im Sinn, als mutwillig sein ganzes Land
und dessen Bevölkerung zugrunde zu richten. Eine unsinnige
Vorstellung, aber eine eindeutige Feindansage an den schwarzen
Staatsmann, der die unverzeihliche Todsünde beging, weiße
Farmer zu enteignen.
Zwar gibt es auch für die Süddeutsche Zeitung
"keinen Zweifel, daß Land
gerechter verteilt werden mußte, um koloniales Unrecht zu
korrigieren. Doch Mugabe nutzte Land als Waffe, nicht um das Wohl der
Zimbabwer zu fördern, sondern um seine Herrschaft zu sichern.
Einerseits katapultierte er sein Reich damit zurück in eine
archaische Wirtschaftsordnung, in der Kleinbauern ohne Saatgut,
Dünger oder Gerät überleben müssen."
Die Frage, wem Mugabe das Land denn statt den alten antikolonialen
Kämpfern und den Kleinbauern hätte geben sollen und wie sich
die Kritiker eine Landumverteilung statt dessen vorstellen, ist
müßig: Der Mann hat sich an den weißen Farmern
vergriffen – und das gegen den erklärten Willen von deren
altem Mutterland Großbritannien. Noch Ende der 90er Jahre waren
ein Drittel der hochwertigen landwirtschaftlichen Nutzfläche in
den Händen von wenigen tausend weißen Großfarmern, die
das Land für ihr Tabakexportgeschäft nützen,
während der größte Teil der Kleinbauern auf
ertragsarmen Mini-Böden zurecht kommen muß. England hatte
sich zwar bereit erklärt, bei einer Landreform die Hälfte der
anfallenden Entschädigungen zu finanzieren. Allerdings bestand die
Kolonialmacht 1979 beim Abschluß des
Unabhängigkeitsvertrages auf einer Garantie der kolonialen
Eigentumsverhältnisse für 10 Jahre. Außerdem
mußte Zimbabwe unterschreiben, daß nach Ablauf des
Stillhalteabkommens eine Landreform nur mit Zustimmung der
(weißen) Farmer und Großbritanniens durchgeführt
werden dürfe. Und da waren weder die Farmer noch London gewillt,
irgendeine substantielle Änderung hinzunehmen. Es gibt
nämlich keine einvernehmlich Weise, wie der Gegensatz zwischen den
gewichtigen ökonomischen und politischen Ansprüchen an Mugabe
und dessen Interesse, mit Landvergabe die schwarze Bevölkerung
für seine Partei zu begeistern, zu regeln wäre. Die hierin
völlig einige Staatenwelt des demokratischen Imperialismus
erwartet von der neuen schwarzen Herrschaft, daß sie der alten
Kolonialmacht den Aufwand für die Beaufsichtigung der Schwarzen
einspart und das Land so verwaltet, daß seine Funktion für
die alten weißen Eigentümer und den kapitalistischen
Weltmarkt weiterhin garantiert ist.
Insofern kann Mugabe gegenüber der alten Kolonialmacht nichts
richtig machen. Als seine Regierung eine 5%ige Steuer auf die
Tabakgeschäfte der Farmen erhob und anfing, Land nach eigenen
Kriterien zu enteignen und zu verteilen, stand für England das
Urteil fest: Hier wird Recht verletzt. Mugabe nahm zwar aufgrund seiner
nationalen Aufbauvorstellungen durchaus Rücksicht auf die
Tabakfarmer als ökonomische Ressource des Landes. Daß er sie
aber auch als solche fordert und ins Verhältnis zu den sonstigen
Herrschaftsbedürfnissen setzt, das findet England im Verein mit
seinen Schutzbefohlenen im Land unerträglich. Es verweigerte daher
mit der Begründung, Mugabe mißbrauche die für eine
Entschädigung der weißen Farmer vorgesehenen Gelder zu
politischen Zwecken, 1998 endgültig die vormals zugesagten
Zahlungen. Daß der Präsident daraufhin der mit dem
britischen Widerstand wachsenden Unzufriedenheit der Bevölkerung,
die endlich die Früchte des Befreiungskampfes ernten will, Recht
gibt und eigenmächtige Landbesetzungen duldet, ist seitdem der
Beweis dafür, daß er sich "wider alle marktwirtschaftliche
Vernunft und rechtsstaatliche Ordnung" an den im Land verbliebenen
britischen Staatsbürgern und eigentlichen Stützen der
Herrschaft vergeht.
Einmal als antikolonialer Rechtsbrechers geächtet, dienen alle
Störungen, die die bleibende Einbindung des Landes in den
Weltmarkt mit sich bringt, als Bestätigungen des Generalvorwurf,
Mugabe sei ein "unfähiger Despot". Wenn er ein nach den
Maßstäben der Entwicklungspolitik ziemlich vorbildliches
Ausbildungs- und Gesundheitswesen aufzuziehen versucht, dann ist das
folglich Mißbrauch von Staatsgeldern, statt daß der
Staatshaushalt sich an der wachsenden internationalen Verschuldung
orientiert, die solche Ausgaben nicht verträgt, dient also nur dem
Machtegoismus des "Diktators". Als Zimbabwe im Kongo mit der
Begründung militärisch intervenierte, es gelte die mit dem
Kongo geschlossenen Vereinbarungen zur Sicherung der Rohstoffversorgung
zu garantieren, und das auch noch tut, ohne vorher in London oder
Washington um Erlaubnis gefragt zu haben, war das nur ein weiterer
Beweis für die eigenständigen Herrschaftsambitionen des
Staatschefs, also für den Mißbrauch von Macht und Geld. Dies
nahm der IWF zum Anlaß, ihm weiteren Kredit zu verweigern. Die
imperialistischen Aufsichtsmächte sind eben ein für alle Mal
entschlossen, in solchen, ihnen durchaus geläufigen
Bemühungen um staatliche Machtentfaltung nur noch die
Anmaßung eines unbotmäßigen, allzu selbstherrlichen
Souveräns zu sehen, dem nicht zusteht, was sie sich als
selbstverständlich herausnehmen.
Daß Mugabe die Feindseligkeiten genauso prinzipiell nimmt, wie
sie gemeint sind, und sich gegen die westlichen Einwände,
Schikanen, Sanktionen und von außen beförderten Angriffe auf
seine Machtstellung wehrt, disqualifiziert ihn dann erst recht. Der
Westen unterstützt materiell und ideell massiv die Opposition.
Entwicklungshilfe geht nicht mehr an die Regierung, sondern an diverse
NGOs, die Nahrungsmittel vorzugsweise in den Hochburgen der Opposition
verteilen. Wenn Mugabe das verbieten läßt, steht schon
einmal der Vorwurf des 'Genozids' im Raum. Wenn der Chef des
oppositionellen 'Movement for Democratic Change' seine Massen mit Blick
auf die Weltöffentlichkeit aufmarschieren läßt oder das
umliegende Ausland zu Sanktionen gegen Zimbabwe auffordert, dann gilt
das als friedlicher Einsatz für den unerläßlichen
'Change'. Wenn Mugabe mit der Staatsmacht und seinem organisierten
Anhang dagegenhält, dann beweisen schon die Mittel, daß hier
pure Gewalt unterwegs ist. So werden die inneren
Machtauseinandersetzungen, die unter den wüsten
Staatsverhältnissen in solchen Ländern bekanntlich nicht nach
dem hier gewohnten Sittenkodex politischen Konkurrenzkämpfe um die
Wählerschaft und um demokratische Machtteilung verlaufen,
parteilich interpretiert, begrüßt oder verurteilt und
praktisch vorangetrieben, um am Ende dann erbittert festzustellen,
daß der "halsstarrige Greis" nicht einfach "abzuwählen" ist.
Am Fall Mugabe werden nämlich imperialistische Zuständigkeitsfragen prinzipieller Natur ausgetragen.
Dagegen sucht und verschaffte sich der bis unlängst mit satten
Mehrheiten seiner Bevölkerung immer (wieder‑)gewählte
Staatspräsident Zimbabwes machtvollen Rückhalt gegen die
Anfeindungen der versammelten Oberimperialisten. Kreditsperre und
westliche Sanktionen, verheerend angesichts der Importabhängigkeit
des Landes, veranlaßten ihn, sich der Volksrepublik China
"zuzuwenden". Mugabe macht sich damit zum Einfallstor der unliebsamen
imperialistischen Konkurrenz, und die ermöglicht mit ihren Waffen-
und sonstigen Lieferungen, daß das längst
überfällige Regime sich halten kann und durchkreuzt –
so die öffentliche Lesart – damit auch hier die
Bemühungen der Weltordnungsverantwortlichen, überall für
'good governance' zu sorgen.
Wenn er sich als Galionsfigur gegen den Westen aufspielt, bietet Mugabe
zudem allen möglichen, nicht nur afrikanischen Staaten, ein
schlechtes Vorbild und diplomatische Gelegenheit, ihrerseits Vorbehalte
gegen die Aufsichtsmächte geltend zu machen und
Eigenständigkeit zu demonstrieren. So wird Zimbabwe gegen den
Widerstand des Westens in die UNO-Menschenrechtskommission
gewählt, und beim EU-Afrika-Gipfel trotz britischer
Erpressungsversuche nicht ausgeladen. Und Südafrika demonstriert
mit seiner Weigerung, die vom Westen geforderten Sanktionen gegen
Zimbabwe zu ergreifen, daß es sich nicht einfach für die
westlichen Ordnungsansprüche funktionalisieren lassen will. Das
versteht der Westen genau so, wie es gemeint ist, und dringt auf
Klarheit: An der Entschlossenheit, "nicht auf Mugabes
antikolonialistische Retorik hereinzufallen", wird Südafrikas
Anspruch auf eine Rolle als afrikanischer Regional- und Ordnungsmacht
geprüft. So dient der Fall Mugabe den Weltaufsehern auch dazu, die
afrikanischen Staaten mit dem Anspruch auf Unterordnung zu
konfrontieren. Dementsprechend gehässig fällt das Urteil
über den Staatschef Zimbabwes und seine Einwände aus: Wenn
Mugabe die Vorherrschaftsansprüche des Westens anklagt und
Großbritannien des Neo-Kolonialismus bezichtigt, dann beweist er
damit seinen Gegnern, daß er ein unverbesserlicher "Rassist" ist.
Schließlich ist er ja Schwarzer, redet also 'als Schwarzer'
verächtlich über die Weißen, die solche Anklagen
selbstredend nicht verdient haben. Und auch nicht zu dulden gewillt
sind.
Mugabe ist also einsortiert als ein
Exempel für die imperialistische Ausrichtung Afrikas. Als solches
muß er erledigt werden.
Das versteht die imperialistisch geschulte Presse genau und macht ihren
Vers daraus. Das beherrscht sie: Auf das Elend in solchen Ländern
zeigen; die Brutalität der Machtausübung, die anderswo
durchaus immer wieder einmal für nützlich oder geboten
angesehen wird, hier für sich sprechen lassen; die Opfer bedauern
und in ihrem Namen nach besserer Herrschaft rufen; und mit all dem eine
einzige verlogene Botschaft loswerden: Das alles komme daher, weil dort
ein antiwestlicher, gegen "uns", das heißt gegen "unsere guten"
Herrschaftsprinzipien gerichteter "Potentat" am Werk ist. Mit Weltmarkt
und imperialistischem Zugriff auf Afrika und andere Regionen soll das
alles selbstverständlich nichts zu tun haben. An Mugabes Zimbabwe
sehe man doch, wie verheerend regiert wird, wenn sich einer gegen die
imperialistischen Vormächte etwas herausnimmt! Fragt sich nur,
warum es in den afrikanischen Staaten, mit deren Politik ebendiese
Mächte zufrieden sind, genauso verheerend aussieht wie in
Zimbabwe…
GegenStandpunkt – Kein Kommentar im Freien Radio für Stuttgart vom 18. Juni 2008
