Im
Februar hatten die Gipfelproteste und die Finanzminister der G7, also
die mächtigsten Industriestaaten ohne Rußland, in Essen ein
erstes Stelldichein. Über 1.000 DemonstrantInnen nahmen an den
Protesten teil. Sie richteten sich vor allem gegen das Treiben
sogenannter Hedge Fonds. Während diese in der
Abschlußerklärung der Regierungschefs zentrales Thema waren,
konnte sich Deutschland mit einem Fingerzeig Richtung Japan nicht
durchsetzen. Der Gastgeber hätte Japan gerne darauf gedrängt,
für einen stärkeren Yen zu sorgen. Wenige Wochen später
brach die chinesische Börse ein und nahm die US-Börse gleich
mit. Auch Tage später war die Unsicherheit groß -
schließlich wurden viele hundert Mrd. US-Dollar vernichtet. Ein
Grund dafür war die Kursentwicklung des Yen.
Der Präsident der
Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, hatte bereits
auf dem vergangenen G7-Treffen im September 2006 deutlich gemacht,
daß ihm die Schwäche des Yen mißfällt. Allein im
letzten Jahr ist der Wert der japanischen Währung gegenüber
dem Euro um 13 Prozent gesunken. Für Deutschland bedeutet das,
daß der Exportweltmeister gegenüber der japanischen
Wirtschaft in der internationalen Konkurrenz um Absatz schwerer
mithalten kann. Für die Exportökonomie Japan bedeutet es
hingegen einen Vorteil.
Dennoch befindet sich
Japan in einem Dilemma: Von der Rezession Ende der 1990er Jahre hat
sich das Land nur schwer erholt. Der Flaute versuchte die Notenbank mit
extrem niedrigen Zinsen entgegen zu wirken. Das sollte Kredite
verbilligen und die Kapitalakkumulation wieder rentabel machen. Die
niedrigen Zinsen sind jedoch gleichzeitig ein Grund für den
schwachen Außenwert des Yen.
Die Schwäche des Yen und ein Herdentrieb mit Folgen
Die niedrigen Zinsen
ermöglichen vor allem institutionellen Großanlegern die
Möglichkeit, in Japan große Kredite billig aufzunehmen. Die
in Yen denominierten Kredite werden dann in eine andere Währung
getauscht und auf den internationalen Finanzmärkten profitabel
angelegt. Diese Geschäfte nennt man "Carry Trades", und die haben
den Wert des Yen weiter gedrückt. Denn Milliardenkredite wurden in
Yen aufgenommen, anschließend wurde der Yen verkauft und
US-Dollar oder Euro gekauft.
Diese
Spekulationsgeschäfte sind nur deshalb möglich, weil der
Weltmarkt in Währungsräume fragmentiert ist. Investitionen in
Produktivkapital und internationalen Handel sind bei unvorhersehbaren
Währungskursen mehr als risikoreich. Deshalb wird der
grenzüberschreitende Zahlungsverkehr in Währungen vollzogen,
die allgemein anerkannt sind - vor allem in US-Dollar, Euro und Yen
[der chinesische Yuan ist nicht konvertibel, nicht frei handelbar,
entzieht sich also auch der Spekulation].
Damit aber die erwarteten Gewinne nicht durch mögliche
Währungsschwankungen vernichtet werden, sichern sich Unternehmen
gegen Wechselkursverluste ab. Erwartet ein deutsches Unternehmen zum
Beispiel Einnahmen von 100 US-Dollar und will diesen Betrag zu einem
1:1-Kurs absichern, so vereinbart es mit einer anderen Partei, in einem
Jahr 100 US-Dollar gegen 100 Euro zu tauschen. Fällt der US-Dollar
auf 90 US-Cent je Euro, so trägt diesen Verlust das
Partnerunternehmen.
Will sich ein Unternehmen
auf diese Weise gegen den Wertverlust seiner US-Dollar-Einnahmen
absichern, so bedeutet dies jedoch gleichzeitig, daß es ein
Partnerunternehmen finden muß, das auf die gegenteilige
Entwicklung spekuliert, also darauf, daß der US-Dollar steigt und
es davon profitiert. Dies sind häufig Hedge Fonds. Währungen
vermitteln nicht allein den internationalen Handel, sondern werden
selbst zur Ware.
Was bedeutet dies
für die so genannten Carry Trades? Zunächst scheinen diese
wie ein sicheres Geschäft: Man verschuldet sich zu einem Zins von
1,5 Prozent in Yen, tauscht diese gegen US-Dollar und kauft
Staatsanleihen der USA, die 4,5 Prozent Zins bringen. Die Zinsdifferenz
ist der Gewinn des Carry Traders. Doch hier lauert eine Gefahr: Der
Carry Trader muß am Ende seine Dollars in Yen
zurücktauschen, um seinen Kredit zurückzuzahlen. Wertet der
Yen gegenüber dem US-Dollar auf, so droht dem Investor ein
Verlust. Die in Yen aufgenommen Kredite werden dann unprofitabel,
sobald der billige Zins durch einen ungünstigen Wechselkurs
"aufgevespert" wird.
In den vergangenen Wochen
wurde eine Leitzinserhöhung in Japan erwartet. Als Folge
fürchtete man eine Aufwertung des Yen. Daher kam es zu
massenweisen Auflösungen der Carry Trades. Es stellt sich
allerdings die Frage, woher die Liquidität kam, derartig
große Kredite in kürzester Zeit aufzulösen. Die Antwort
liegt zu einem großen Teil im Kurseinbruch der chinesischen
Börse. Dort wurden große Teile der billigen Kredite
angelegt. Als die Furcht vor einem steigenden Yen aufkam, wurden in
großem Maßstab chinesische Aktien verkauft. Die Nachfrage
nach Yen, um die Schulden zurückzuzahlen, trieben den Kurs der
japanischen Währung in die Höhe, ließen die chinesische
Börse einbrechen und lösten ein mittleres Erbeben auf den
internationalen Finanzmärkten aus. Ein klassischer Fall von
Herdentrieb.
Bei der Wertvernichtung
von Börsenkapital ist jedoch selten davon die Rede, was dies
für die lohnabhängige Klasse bedeutet, deren Altersvorsorge
zunehmend in Rentenfonds organisiert wird, Löhne in
Unternehmensbeteiligungen ausgezahlt werden sollen und Betriebe nach
dem Interesse des "Shareholder Value" umstrukturiert werden. Nach wie
vor zeigt sich hier die neoliberale Hegemonie, die das Interesse des
anlagesuchenden Geldkapitals zum Interesse aller gemacht hat.
Hedge Fonds im globalen Konkurrenzkapitalismus
In Essen forderte attac
schlicht ein Verbot von Hedge Fonds. "Sie sind überflüssig,
untergraben die Stabilität der Finanzmärkte und bedrohen
ganze Volkswirtschaften", meint Detlev von Larcher vom
attac-Koordinierungskreis. Leider bleibt bei dieser Kritik einiges auf
der Strecke: Daß die Hedge Fonds gerade eine Form sind, in der
Unsicherheiten auf den Finanzmärkten bearbeitet werden, und
daß der Kapitalismus an sich krisenhaft ist. Auch eine
Volkswirtschaft ist keine nationale Wertschöpfungsgemeinschaft,
sondern eine in Klassen und damit Gewinner und Verlierer gespaltene
Gesellschaft, die alles andere als gemeinsam unter dem globalen
Konkurrenzkapitalismus leidet.
Ingo Stützle