Sein WikiLeaks soll getroffen werden
Assange in Zwickmühle des Imperialismus
WikiLeaks
hat es sich zur Aufgabe gemacht, Lügen der Politik an den Prager
zu stellen, indem es entlarvende Fakten ans Tageslicht befördert.
Die Verlogenheit der Politik ist ihrer Interessenlage geschuldet. Macht
und Reichtum einer kapitalistischen Nation beruhen notwendigerweiser
auf Armut und Leichen. Wer sich die Frage nach diesem Zusammenhang
stellt, kann bezüglich der Gründe bei Marx fündig
werden. Wer sich dieser Frage nicht stellt, der bleibt dabei stehen,
bei jeder Schweinerei »Skandal, Skandal« zu rufen, als
wäre eine ambitionierte kapitalistische Nation auch skandalfrei zu
haben. WikiLeaks hat sich entschieden, skandalöse Fakten
zusammenzutragen. Nicht eben um anzuecken, vielmehr um der jeweils
bloßgestellten Nation (wieder) auf den rechten Weg zu helfen.
Wenn
WikiLeaks also nichtsdestotrotz aneckt, dann liegt ein beabsichtigtes
Mißverständnis vor: Konkret werden der Bloßstellung
antiamerikanische Absichten unterstellt. Dieses Politikum
erschlägt dann auch das schwedische Ermittlungsverfahren wegen
möglicher, rein privater Strafrechtsverstöße, das
bereits angestrengt war, als WikiLeaks offiziell zu einem der
größten US-Staatsfeinde, zum nationalen Sicherheitsrisiko
schlechthin ernannt wurde. Denn es darf nicht sein, daß die
staatlichen Schweinereien als solche aufgedeckt werden. Das Kratzen am
Image der USA ist also ein Verbrechen, das es rechtfertigt, alles
Mögliche in den Dienst der Verfolgung dieses Verbrechens zu
stellen. Zu aller Komfortabilität ihrer Weltherrschaft haben die
USA in Großbritannien einen mehr als willigen Gehilfen bei der
Verfolgung ihrer außenpolitischen Interessen:
Großbritannien hat längst eingesehen, daß es gegen den
einstigen Kriegsgegner den Glanz seines Empires nicht wiederherstellen
kann. Von größerem staatlichen Glanz träumt selbst ein
kleiner Staat wie Schweden. Daß dort richterliche Entscheidungen
deshalb ganz »unabhängig« gefällt werden,
versteht sich: Das nationale politische Interesse ist ja gerade bei
einer solch international dimensionierten Angelegenheit selbstredend
unterstellt.
Es ist gar
nicht mehr möglich, den Fall Assange auf ein unpolitisches,
privates Niveau herunterzuschrauben. Alles andere ist ebenso
lächerlich wie das politische Interesse verratend.
Natürlich
machen die demokratischen Medien nichtsdestotrotz ihre Kopfstände.
Und man muß schon länger suchen, um eine Zeitung zu finden,
die Assanges Verdienste um Transparenz insbesondere der
us-amerikanischen Außenpolitik noch einmal detailliert vor
Augen führt, scheint doch einer jeden das übergeordnete
politische Interesse eine Parteinahme gegen Assange zu erheischen:
Eben deshalb
erwähnen gerade die ambitionierten deutschen Gazetten nur ganz
allgemein die Enthüllungen über die Machenschaften der USA.
Nicht so die Wiener die presse:
"... Dieser
Idealismus kam anfangs gut an. WikiLeaks publizierte Dokumente aus dem
innersten Zirkel der Scientology-Sekte, brachte Beweise für
Korruption in Kenia und vertrauliche Dokumente einer Schweizer Bank.
Die Internetaktivisten hatten mit Assange ihren neuen Profeten,
Medientheoretiker fanden reichlich Stoff für wissenschaftliche
Abhandlungen, Feuilletonisten nickten zustimmend – und dabei
wäre es vermutlich auch geblieben, hätte WikiLeaks 2010
nicht jenes Video publiziert, das sich unter dem Titel
»Collateral Murder« tief in die kollektive Erinnerung
eingegraben hat, und das den Einsatz eines US-Kampfhubschraubers gegen
unbewaffnete Zivilisten im Irak zeigt. ...
Doch
die Causa »Collateral Murder« hatte einen weiteren
Nebeneffekt: Der Nimbus der Unparteilichkeit, der WikiLeaks bis dahin
umgeben hatte, war dahin. Was folgte, war ein regelrechter
Informationskrieg [! – Kriege werden dem freien Westen immer nur aufgezwungen!] gegen
die Vereinigten Staaten: Dokumente aus Afghanistan, Militärakten
über den Irak-Krieg, diplomatische Depeschen, interne Mails eines
amerikanischen Sicherheitsunternehmens – alles, was Assange in
die Finger bekam und den USA schaden konnte, wurde auf den Markt
geworfen. Daß im Zuge dieser Kampagne die Identität
amerikanischer Informanten preisgegeben wurde, nahm man als
Kollateralschaden in Kauf. ..." (17.08.12)
Sicher, die
Kurve zu kriegen, fällt auch dem Kommentator Michael Laczynski
nicht schwer: Er muß Assange und Co. ja nur verwerfen, auf diese
Weise parteilich zu sein. So als sei Parteilichkeit ein Vorsatz und
kein Ergebnis offengelegter Tatsachen. Wenn es schon eine
»Mär« ist, wie der Kommentator behauptet, daß es
»unparteiische Informationen« gäbe, dann rechtfertigt
er damit seine Parteinahme für die Welt, die sich herausnimmt, so frei zu sein, wie sie will.
Das
Schöne an der Zusammenstellung der Fakten ist allerdings nicht zu
übersehen: Gerade die »freie Welt« und ihre
Meinungsmacher beanspruchen ja gerne, die Fakten sprechen zu lassen,
um mit ihnen ein – wie es ihnen scheint: unwiderlegliches –
Argument für ihre Interessen zu haben. Deshalb ist es immer
saublöd, wenn jemand ausgerechnet daran kratzt. Wie langweilig
dagegen einer, der – »bloß!« –
feststellt, daß die Interessen eines Gewaltmonopols, eines
Staates allenthalben alle Mittel einschließen und Leichen
lässig rechtfertigen: Wie sonst könnte ein solcher sein
Gewaltmonopol über (noch) bestehende Grenzen hinaus auch ausweiten?
Gerade das zu
wissen, macht es keineswegs erforderlich über alle (Un)taten der
USA und ihrer Verbündeten en détail Bescheid zu wissen.
Treffen tut man den Imperialismus mit ihrer Offenlegung, schlagen nicht.
(21.08.12)