Der Zusammenbruch des Hauses WALTER BAU
Im Augsburg
Journal 3/2006 hat ein Rechtsanwalt in Zusammenarbeit mit und daher
wohl auch im Namen von früheren Mitarbeitern des WALTER BAU-Konzerns,
sowohl Leuten aus der Geschäftsleitung wie der Arbeitnehmervertreter,
eine 9seitige Anzeige drucken lassen, die ihrer Empörung über den
Zusammenbruch des Betriebs beredt Ausdruck verleiht.
Dieser Ausdruck besteht in einem - zugegebenerweise: genialen - Dreh, im nachhinein
zu behaupten und die Behauptung mit dem Anschein eines Beweises versehen zu
wollen, daß die Ergebnisse gesamtgesellschaftlicher und einzelkapitalistischer
Entscheidungen so gar nicht nötig, nicht sinnvoll, ja geradezu kontraproduktiv
seien. Ein Dreh ist das deshalb, weil man sich dadurch positiv zur neuen
Lage stellen kann, nämlich der Lage ohnmächtig gegenüberstehend
seine Verständnislosigkeit demonstrieren kann, sich also die Frage
nach der Notwendigkeit des Warum so & nicht anders vorsätzlich
erst gar nicht stellen will.
Kurzum: Man will aller Getäuschtheit zum Trotz nicht den Glauben
an das Beste aller Systeme, das gemeinhin als Demokratie & Marktwirtschaft
bezeichnet und verherrlicht wird, verlieren. Und man will vor allem weiterhin
am Erfolg der Nation beteiligt sein: Als kritischer Geist Nationalist
zu sein, der den entscheidenden Instanzen vorwerfen kann, einen deutschen,
an sich gesunden Betrieb und damit auch ein gutes Stück Deutschland vergeigt
zu haben!
Mehr als das, das aber ganz dick aufgetragen, will man als Verlierer
in der kapitalistischen Gesellschaft schon mal angemerkt haben. Deshalb würden
sich die Urheber der Anzeige auch gegen folgende Überlegungen zur Sache
verwahren:
1. Wenn ein
kapitalistischer Betrieb keinen Kredit mehr erhält (bzw. eben
nicht genügend), dann hat er auch keinen mehr: Er hat sich als
untauglich in der kapitalistischen Konkurrenz erwiesen, so das maßgebliche
Urteil des Geldkapitals, ist also auch für den deutschen Standort (so)
nicht mehr brauchbar. Apropos Fehlbetrag 80 Millionen Euro: Dieses Argument
wird umgekehrt erst richtig: Der Betrieb ist selber nicht in der Lage gewesen,
diesen mickrigen Betrag aus eigener Kraft für seine Kreditfähigkeit
aufzubringen: Ein in der Tat entscheidend vernichtendes Urteil!
2. Wenn ein Kapital, in welcher Form auch immer, entwertet wird, ist das nicht
nur eine Niederlage des eben entwerteten Kapitals, sondern gleichzeitig ein
Sieg des Kapitals, das sich behauptet hat. Auch dafür, daß diesbezüglich
die richtigen Entscheidungen getroffen werden, das Ergebnis der Konkurrenz
quasi antizipiert werden kann, ist gesorgt: Die Anleger am Aktienmarkt sind
die Pfadfinder des Kredits, sie suchen allenthalben nach den besten Renditemöglichkeiten,
also nach den erfolgsträchtigsten Kapitalien. Eine Aktiengesellschaft,
die keine Dividende vorweisen kann (oder eine vergleichsweise niedrige) hat
eben schlechte Karten: Ihr wird Kapital entzogen! Und das, was für einzelne
Kapitalien gilt, gilt auch für ganze Sfären der Ökonomie. WALTER
BAU hatte eben nicht nur das Pech, selber keinen Gewinn abzuwerfen, sondern
gehörte obendrein einer Sfäre, der Baubranche, an, die insgesamt
nicht als zukunftsträchtig eingestuft wird - im Vergleich etwa zur der
IT-Branche. (Eine heutzutage keineswegs unübliche branchenübergreifende
Diversifizierung war nicht die Erfolgsstrategie von WALTER BAU!)
3. Wenn Lohnarbeiter ihre Arbeitskraft nicht mehr zugunsten "ihres"
Betriebs verschleißen können, leisten sie dem weiterhin produktiven
Kapital anderer Firmen einen Dienst: Indem sie ihre Arbeitskraft nicht nur
ohnehin unter Wert anbieten müssen, sondern auch unter dem Wert anderer
in Lohn stehender Arbeiter anbieten müssen - so sie wieder Arbeit finden
wollen, was sie (siehe Punkt 4) auch müssen -, machen sie sich um eine
Senkung des gesamtgesellschaftlichen Lohnniveaus verdient.
4. Wenn durch den Zusammenbruch Kosten für das Gemeinwesen namens Staat
entstehen, zwecks Durchfütterung von arbeitslos gewordenen Lohnarbeitern,
dann ist das für den Staat ein schlagendes Argument dafür, die Kosten
für diese Leute insgesamt zu senken. Die Reservearmee des Kapitals entwertet
sich mit ihrer zahlenmäßigen Vergrößerung.
Kurzum: Der
Lohnarbeiter, der aus seiner Schädigung, nicht den Schluß auf Gegnerschaft
zu dem ganzen System zieht, dem ist wirklich nicht zu helfen. Aber in der
Anzeige ging es ja eh nicht so sehr um den "kleinen Mann", sondern
um die Ehrenrettung eines Kapitalisten alter Schule, dem Herrn Schlaumeier
Ignaz Walter, der selber weit davon entfernt ist, jeden Euro umdrehen zu müssen.
Wahrscheinlich stinkt dem am meisten, daß er von seiten der CSU keine
Protektion erfahren hat, obwohl er mit der - siehe seine diversen am Widerstand
der Augsburger Bevölkerung gescheiterten Tiefgaragenprojekte in der Augsburger
City - immer eng verbunden war. Offensichtlich wollte die CSU in dieser Frage
den Anschein vermeiden, "korrupt" zu sein (als ob Wirtschaftsförderung,
legal abgewickelt, jemals etwas mit Korruption zu tun gehabt hätte).