1.
Es ist keineswegs untypisch für ML-Ideologen, offenkundig Gewordenes zu leugnen, wenn es einem nicht in den Kram paßt: Günter Ackermann, Chefredakteur von kommunisten-online, hält es für wichtig, darauf hinzuweisen, nicht mit dem Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, verwandt zu sein, kokettiert also gerne mit der Macht, der er entbehrt. So sieht er sich - entgegen Lenins Tanzschrittfolge übrigens - auch bemüßigt, das Kim Jong Il-Regime in Pjöngjang zu rechtfertigen, sozusagen sein letztes reales Machtreservoir als verbliebener Stalinist: Es gibt noch einen, der steht hinter mir, weil ich hinter ihm stehe!
Nun ist es wirklich nicht so leicht, die Versenkung eines süd-koreanischen Kriegsschiffes, dem Staat in die Schuhe zu schieben, der den Verlust zu beklagen hat. Doch mitten im Zentrum des Kapitalismus gibt es ja freilich wiederum nichts, was es nicht gibt: Es gibt sogenannte "investigative Journalisten", also Typen, die so gut wie alles in Frage stellen, um Geld zu machen; um sich auf dem Meinungsmarkt zu behaupten, halten sie es für ein, nämlich ihr Erfolgsrezept, sich geradezu krampfhaft vom Mainstreamjournalismus abzuheben. Kurzum, Ackermann wurde bei einem solchen US-Investigator fündig, einem, der auch hinter dem Einsturz der Twin Towers in New York (noch) finsterere Mächte vermutet als Al Qaida.
Ackermann täuscht sich allerdings gewaltig, wenn er meint, der Imperialismus - von einem solchen der investigative Wayne natürlich nicht reden will - müsse sein Feindbild und seine Gegner simulieren. Nein, er schafft sich die mit seinen Ansprüchen und Taten schon dauernd selber, in vielfältiger Weise. Er schafft sie sich bisweilen in einem solchen Umfang, daß er selber kaum nachkommt, sie zu bekämpfen. Dabei geht er zwar oft ganz schön hinterhältig vor, aber daß er sich oder seinem Bundesgenossen eine Waffe selber aus der Hand schlägt, um seinen Gegner zu kompromittieren und zu diskreditieren, das ist absurd. Im Fall Nord-Korea schon gleich doppelt und dreifach, denn es gibt niemand mehr auf der Welt, nicht einmal die Volksrepublik China, die diesem Regime seine Lügen glaubt. Es läßt sie - wie erwähnt: aus eigenem Interesse an der Stabilisierung der koreanischen Halbinsel - durchgehen; noch durchgehen, muß man sagen, denn China ist der Charakter der Pjöngjanger Führung schon lange kein Geheimnis, vielmehr ein Ärgernis, doch blieben alle Bemühungen, es umzustimmen, bislang erfolglos.

2.

Verschwörungstheorien hegen und pflegen auch die politisch Rechten nicht minder. In dem anderen Fall - Israel - wollten von der Springer-Presse über FAZ und taz bis hin zur jungle world alle furchtbar viel Aufhebens machen von ihrer "Entdeckung", daß auf der Gaza-Flotille Palästinenser sich befanden, welche obendrein der Hamas angehörten, einer Organisation, die auch noch die Fahrt (mit)organisiert haben soll. Also ausgerechnet Journalisten wollen hier eine Entdeckung gemacht haben, die selber die Juden, insofern sie Opfer der deutschen Faschisten geworden waren, nicht von dem jüdischen Staat unterscheiden wollen, der selber keine Rücksicht auf irgendjemanden nimmt und Opferzahlen unter den Palästinensern schafft, die den Begriff Völkermord genauso verdient hätten wie die jüdischen Naziopfer. Doch offenbar werden Israel nationale Rechte zugebilligt, wie sie anderen, den Palästinensern, nicht zugebilligt werden, wenn sie sich für ihre nationalen Interessen einsetzen - was ja eigentlich jeder politischen Organisation in der Welt der Freiheit offensteht. [Daß Israel bei der Gründung der Hamas auch die Finger keineswegs unerheblich im Spiel hatte - was auch durch die hiesige Presse ging -, das sei hier nur am Rande vermerkt (siehe le monde diplomatique 9-2009).]
Nicht nur angesichts des jüngsten Vorfalls fällt auf, daß die Hamas sich um die Interessen ihrer Bevölkerung kümmert, was man von Israel so nicht gerade behaupten kann, wenn es beispielsweise seine Soldaten in endlosen Kriegen und Kampfeinsätzen verheizt. Das war und ist der imperialistischen, zumal der deutschen Oberaufsicht ein gewaltiger Dorn im Auge: Die Palästinenser sind dem Staat Israel und seinen Protagonisten haushoch überlegen in einer Hinsicht: moralisch. Das widerspricht der deutschen Staatsräson, zu deren ideologischen Bestandteil es gehört, den Staat Israel - durch die von den Nazis ermordeten Juden sanktioniert - als moralisch unangreifbar erscheinen zu lassen und bedingungslos zu verteidigen. Dabei ist Moral - im vorliegenden Fall wie anderen Fällen - hinderlich und ärgerlich. Denn es ist wahrlich eine drastische Konsequenz, die der deutsche demokratische Staat aus dem Faschismus gezogen hat, nämlich ihn in kaum anderer Form, doch an anderem Ort kompromißlos zu rechtfertigen. Den israelischen Militarismus mit seinen Blitzkriegen, die israelischen Geheimdienstmorde im Ausland, das unverschämte Auftreten in der Welt der Diplomatie usw. usf., das alles finden deutsche Beobachter - da machen sie aus ihrem Herzen keine Mördergrube - ziemlich unverhohlen respektabel. Ihr Weltblick auf Israel ist das Quidproquo für alle Araber und sonstigen Moslems, auch anerkannt zu werden. Ansonsten muß man ihnen eine geradezu faschistische Verschwörung gegen Israel unterstellen...

(09.06.10)