Anmerkung zum aktuellen Vergleich BRD – NS-Deutschland
Die Frage des Zwecks eines Staates erfordert, ganz allgemein
beantwortet zu werden. Es geht um die Aufrechterhaltung der auf seinem
Gebiet und der darauf existierenden Bevölkerung monopolartig
ausgeübten Gewalt sowohl nach innen wie nach außen; und
speziell nach außen, also über die Staatsgrenzen hinaus, um
die Erweiterung seiner Gewalt und die der Einflußsfären
seiner Gewalt.*
An diesen allgemeinen Zweck des Staates ist unmittelbar eine Staatsräson geknüpft, die – wie man sieht –
divergent ausfallen kann. Bisweilen treten gravierende Brüche auf.
Häufiger jedoch reduziert sich der Streit auf eine möglichst
optimale Durchsetzung einer bereits gültigen Staatsräson. Das
läßt die Staatsform Demokratie mit ihren Wahlen etc. oft
langweilig erscheinen: Die Austauschbarkeit der Parteien aufgrund ihrer
kaum wahrnehmbaren Unterscheidbarkeit wird beim gemeinen Volk als
(Demokratie- oder Politik-)Verdrossenheit wahrgenommen. Bei Diktaturen
reduziert sich die Spannung meist auf das Ticken der führenden
Staatsmänner.
Allenthalben erscheint es leichter, die Staatsräson zu
modifizieren, ja mitunter zu wechseln (Beispiel: UdSSR), als den Zweck
des Staates als solchem einer Kritik zu unterziehen. Das manifestiert
sich darin, daß der Staat als das Gewaltmonopol, das er
verkörpert, als sakrosankt gilt, jede Staatskritik als
idealistisch verschrieen ist (was in Sachen Anarchismus sogar
zutreffend ist**). Gewalt – das sollte man sich mal vor Augen führen –
ist, wenn sie als Staat daherkommt, sakrosankt (natürlich nicht
für andere Staatsgewalten). Es ist somit offenkundig, daß
diese Gewalt einen Gegensatz beinhaltet, nämlich den zwischen sich
und ihrer Staaträson (heute meist einer kapitalistischen)
einerseits und den ihr Unterworfenen andererseits, also all denen, die
mangels Gewaltmittel über keinerlei Gewalt verfügen (was
natürlich nicht heißen soll, daß so mancher
darüber verfügen möchte).
Der aktuelle Anlaß dieser Überlegungen war der Vergleich den
die demonstrierenden Griechen – wieder einmal – beim Besuch
von Bundeskanzlerin Merkel in Athen gemacht haben: Sie haben die
heutige imperialistische Politik Deutschlands mit der der Nazizeit
verglichen. Nicht zu unrecht! Der Wechsel der deutschen
Staatsräson, einer Niederlage im internationalen Gewaltvergleich
geschuldet, hat die imperialistischen Ziele des deutschen Staates
keineswegs geändert. Diese nun mittels einer
überlegenen Ökonomie durchzusetzen, hinter der und mit der
die erpresserische Gewalt neu aufgebaut und in Stellung gebracht wird,
das ist für niemand zu übersehen, schon gar nicht von denen,
die die deutschen Ansprüche am eigenen Leib zu spüren
bekommen.
Es zeugte von grotesker Belämmertheit, wenn das etwa der ebenfalls
nach Athen gereiste Linksparteichef Riexinger nicht verstehen sollte.
Daß er es tatsächlich nicht versteht – er hat den
Vergleich als unangebracht zurückgewiesen –, liegt ganz
gewiß daran, daß er als (Gewerkschafts-)Nationalist das gar
nicht verstehen kann und will. Wer auch immer in dieser deutschen
Schwachsinnspartei will schon als »vaterlandsloser Geselle«
geächtet, vom Kreis der national Bewegten ausgeschlossen werden?
(16.10.12)
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*Bismarcks seinerzeitige Absage an die Ausweitung der Gewalt nach
außen mit den Worten, das Deutsche Reich sei saturiert, erscheint
angesichts dessen ziemlich verlogen, verständlich nur insofern,
als es zunächst – nach der Reichsgründung (2. Reich)
– erst einmal um die Sicherung eben dieses neu etablierten
Reiches von ziemlicher Größe ging. Diese Auffassung wurde ja
auch schon bald mit der überaus aggressiven
Aufrüstungspolitik Deutschlands obsolet, welche
bekanntermaßen eine weltpolitische Neuordnung zugunsten
Deutschlands zum Ziel hatte.
Anderer Fall: Auch die Versicherung Beijings, mit seinen
internationalen Beziehungen keinen Einfluß auf andere Staaten zu
nehmen oder ihnen gar den eigenen Willen aufzuzwingen, ist verlogen.
Erfolgsrezept chinesischer Politik ist es ja gerade, die
Offensichtlichkeit des Zwecks des Vorhabens wie sie die Staaten des
»freien Westens« bei ihrem Vorgehen an den Tag legen, zu
vermeiden. Dabei ist unübersehbar, daß der Respekt, den die
Beijinger Führung dem Ausland zollt, ein sehr berechnender ist. Es
handelt sich um einen praktisch umgesetzten Idealismus, wenn Beijing
»Entwicklungs«-politik betreibt. Dieser, so scheint es in
der Tat und im Augenblick, ist den materiellen Interessen Chinas
weitaus zu- und einträglicher als es die so skrupellose Manier des
»freien Westens« für dessen Interessen ist.
** Anarchisten haben soviel Respekt vor der Macht, daß sie schon bei der bloßen Machtfrage
immerzu nur die ihrerseits verdammte Macht wittern. Deshalb wollen sie
diese Frage am liebsten erst gar nicht stellen. Sie begnügen sich
daher im wesetlichen damit, ihre erlesene, der Gewalt entsagende
Persönlichkeit der herrschenden Gewalt so weit wie
möglich zu entziehen. Und wenn sie sich doch einmal ein wenig
wehren, dann dermaßen strategielos und kontraproduktiv, daß
es geradezu eine Einladung ist, sie hinwegzufegen. Für die konterrevolutionäre
Rolle, die Anarchisten in historischen Momenten gespielt haben, gibt es
Beispiele, unter denen »Kronstadt« und der Spanische
Bürgerkrieg die bekanntesten sind. Auch die deutsche
Baader-Meinhof-Bande gehört übrigens in diese Serie. (Diese
Feststellung impliziert übrigens keineswegs eine kritiklose
Haltung gegenüber den an den beiden genannten Gewaltaffären
beteiligten Kommunisten.)