50
Jahre KPD-Verbot: Sterbehilfe von Demokratie wegen
Zwar
wurde die KPD auch in der Weimarer Republik seitens der Demokraten und
insbesondere durch die Sozialdemokraten ziemlich erfolgreich bekämpft
und niedergehalten, ihr Kampfbund, der RFB, verboten, ebenso teil- und zeitweise
ihre Publikationen; allein der große Schlag des Verbots blieb dann den
Nationalsozialisten vorbehalten, als die die Macht ergriffen hatten.
Die
Bundesrepublik Deutschland zog aus der Historie ihre - speziell
demokratischen - Lehren: Wer sich der Demokratie entschieden
entgegenstellt, dem blüht dasselbe Schicksal, das der Weimarer
Republik geblüht hat; denn noch einmal eine so schöne und vor
allem der Ökonomie so adäquate Staatsform zerstören zu
lassen, das wollte und will sich die neue Demokratie nicht bieten
lassen. In den 50er Jahren sah sich die neue Demokratie gleich
herausgefordert, das praktisch unter Beweis zu stellen, nicht weil ihre
Gegner so gefährlich gewesen wären, sondern weil sie es sich
selber einfach schuldig war: So wurde zuerst die faschistisch
orientierte SRP verboten, dann die KPD. Ein Zweifel über die dem
Herrschaftsanspruch adäquaten, totalitären Absichten und den
darauf abgestellten Gewalteinsatz der BRD sollte erst gar nicht
aufkommen!
Als ob das nicht Klarstellung genug wäre, gründeten sich
nichtsdestotrotz im Laufe der Jahre eine ganze Anzahl von Parteien, die
mehr oder weniger das Erbe der durch ihren früheren Kampf
ruhmreichen KPD antreten wollten, zum Beispiel die MLPD und die DKP
nebst einer ganzen Anzahl noch kleinerer und mittlerweile zum
großen Teil auch wieder aufgelösten Organisationen. Dies
alles waren und sind Organisationen und Parteien, die - als läge
im KPD-Verbot ein bedauerliches Mißverständnis der
BRD-Staatsgewalt vor - sich ihrem Selbstverständnis nach als
Demokraten, als wahre Demokraten verstehen - im Gegensatz zu den real
herrschenden Demokraten, denen sie vorwerfen, keine wirklichen
Demokraten zu sein, sich zu Unrecht in ihrer Herrschaftsausübung
auf das Volk zu berufen. Schon etwas seltsam. Denn offenbar wollen sie
nicht die Gewalt, die über das Volk mit der Berufung auf und der
Legitimation durch es herrscht, kritisieren, vielmehr machen sie sich
selbst zum Anwalt von Herrschaft und zwar einer besonders guten, weil
mit (mehr oder wirklicher) Rücksicht aufs Volk! Ein exemplarisches
Beispiel hatten sie ja vor Augen, wie so ein alternatives
Herrschaftsverhältnis mehr oder weniger gut, auf alle Fälle
anders und eben vor allem moralisch höherstehend, funktionieren
könnte.
An dieser Stelle wird eines deutlich: Es geht um eine Herrschaftskonkurrenz,
nicht um eine Kritik von Herrschaft. Es ist die offensive Absage
an eine Emanzipation der Arbeiterklasse und damit an ihre Aufhebung. (Dieser
definitive Schluß verdankt sich keineswegs dem gewaltsamen Ende der
KPD durch die BRD, er war in der Ausrichtung der KPD auf die UdSSR unter Stalin
schon Jahrzehnte früher festgeschrieben.) Es handelt sich um eine Revision
von dem, was Marx für notwendig gehalten hat und wofür er sich die
Mühe gemacht hat, die politische Ökonomie zu erklären!
Welch ein Gegensatz zum Beispiel zur MLPD! Deren Papst, Engel, hält dem
Kapitalismus vor, "nicht viel drauf zu haben" (jungle
world, 14.06.06)! Die Frage, was der drauf hat und für wen, hält
er für unwesentlich, weil mit der moralischen Verurteilung des Kapitalismus
sein Urteil längst feststeht. Er mißt ihn an seinem sozialistischen
Herrschaftsziel (u.a. Arbeitsplätze für alle) und bescheinigt dem
Kapitalismus, an dem versagt zu haben als wäre das - jenseits eines Ideals
- auch seines! Engels Argument ist also die Erfolglosigkeit
des Kapitalismus: So angedichtet das auch ist, Engel & Co. interpretieren
sich eben so die Welt zurecht, wie sie ihnen in den (ideologischen) Kram paßt.
Und ausgerechnet Wahlergebnissen
entnimmt Engel dann, völlig konsequent demokratisch - aber eben überhaupt
nicht kommunistisch, seine Erfolge!
Der Chef der DKP, Stehr, will jetzt das Verbot der KPD anfechten und juristische
Schritte auf europäischer Ebene dafür prüfen lassen. Hat er
nichts Besseres zu tun? Und was wäre, wenn das Verbot - aus welchen Überlegungen
auch immer - aufgehoben werden würde? Würde er dann auch seine Vorbehalte
gegen die real herrschende Demokratie reduzieren oder gar einstellen? Wären
dann national denkende Lohnarbeiter nicht am besten in einer demokratischen
Einheitspartei aufgehoben, die von der CSU über die FDP und die PDS bis
zur DKP alle Menschen guten Willens umfaßt? (Wenn das nicht bloß
schon wieder an die unselige DDR erinnern würde!) Ja, der nationale
und damit gleichzeitig moralische Standpunkt eines Lohnarbeiters - eben
selbstbewußt Untertan einer möglichst erfolgreichen Herrschaft
zu sein - gefällt Stehr gerade in seiner Abstraktion sehr gut, gerade
obwohl jener Lohnarbeiter sich nicht der einzig richtigen Partei - Stehrs
seiner nämlich - verpflichtet weiß. Also: Verbot schlecht, Erlaubnis
gut. Daß dies allenthalben ein affirmatives
Verhältnis zur politischen Gewalt ist - und noch nicht einmal zur
eigenen -, stört einen erfolgshungrigen DKPistenchef sicherlich
überhaupt nicht. Seine Partei hat es wirklich auf keinen Fall
verdient, verboten zu werden!
Ach ja genau, als Revolutionär muß man besonders realistisch
sein, also schauen, was geht und was nicht. Aus dieser Überlegung
wird für einen ML-Ideologen ein Auftrag, sein Programm und seine
theoretischen Überlegungen auf die Bedingungen der
Möglichkeit abzustellen. Er versucht also nicht eine für
richtige erachtete Erkenntnis in einer gegnerischen Welt wirksam werden
zu lassen, so gut es eben geht, - nein, er versucht umgekehrt, um
wirksam zu werden, seine Erkenntnisse - im wesentlichen handelt es sich
ja auch eher um Bekenntnisse, die per se schon leicht kompatibel sind!
- auf die Realität zurechtzuschneidern. Das scheint ihm in einer
feindlich gesonnenen Welt Erfolgsbedingung und -rezept. Fürwahr!
Wieviele Revisionisten haben das kapiert und sind konsequenterweise
entweder zu Sozialdemokraten oder anderem Politschrotts verkommen -
oder haben ihre Parteien einfach aufgelöst und ihr - falsches -
Programm einfach beerdigt. Bei der KPD hat der demokratische Staat
Sterbehilfe geleistet. Das ist kein Beinbruch für einen, der
kommunistische Kritik nicht in eine Ideologie verwandelt und zu
bloßen Frasen herunterkommen hat lassen.
©
KoKa 27.06.2006
