"Wie so mancher eitle und hohle Wichtigtuer mit einem Hang zur Gewalttätigkeit habe auch ich schon mit dem Gedanken gespielt, mich um das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika zu bewerben." (Norman Mailer, The Armies of the Night)

A. (Wahl-)Kampf ums Vertrauen des Untertanen: Personenkult demokratisch, also pur!

Wenn die Prätendenten auf die Position des Führers im Weißen Haus nur noch mit sich selber als gelungener Persönlichkeit werben, dann ist das demokratische Stimmviehkeilen mit seinem Begriff identisch geworden: Verlangt wird ein Blankoscheck zur Machtausübung wegen unbedingtem Vertrauen in die Führungsqualität des damit betrauten. Eigenartigerweise präsentieren sich da Charaktermasken, mit denen der gewöhnliche Mensch im richtigen Leben den Kontakt eher meiden würde: Prahlhänse, mit in diesem Fall nicht stinkendem Eigenlob! Der eine schleimt mit Heldensagen aus seiner mörderischen Jugend im freiwilligen Einsatz beim Zurückbomben Vietnams in die Steinzeit, wobei er abgeschossen und Haftbedienungen ausgesetzt wurde, die weder ihn noch seine Anhänger ernstlich an Guantánamo erinnern. Der andere prunkt mit seiner steilen Karriere durch die Institutionen trotz Migrationshintergrund, bei der er ebenso behände die Gesinnungen anpaßte wie er dem mittlerweile störenden Personal in seiner Biographie die Freundschaft aufkündigt. Vor solchen Typen liegt das Publikum platt vor Bewunderung, wobei es ihnen natürlich nicht jedes Wort glauben muß: Der Witz demokratischen Wählens liegt gerade darin, daß der Wähler und seine journalistischen Wahlhelfer vor allem beurteilen, wer am gelungensten einseift!

B. Die Sachfragen 1 -
Weltwirtschaftskrise, Gesundheitswesen, Energie: (Staats-) Gewaltfantasien des Führers, der es richtet!


Der Kollaps des Kredits und die Wertvernichtung an der Börse haben den Kandidaten nur vorübergehend die Schlagzeilen geraubt. Jetzt sind sie zurück und hauen mit Gewaltstreichen den Kapitalismus aus dem Schneider. Mit der brachialen Logik, daß der Staat Kredit schöpfen muß, wenn sich große Teile des Kapitals als faule Schulden blamiert haben, wenden sie die marxistische Theorie vom Staat als ideellem Gesamtkapitalisten undogmatisch an und setzen auf die einzige Bonität, die sie als politisches Subjekt der Ökonomie anbieten können: Das Gewaltpotential der Macht.

So gehen auch die Rezepte der amerikanischen Reserveführer in den anderen nationalen Sachfragen: Es wird soviel Öl gebohrt und das Atom gespalten, bis der Rest der Welt, namentlich gewisse Staaten in Arabien, Lateinamerika und am Ural auf dem dann unverkäuflichem Petroleum sitzen bleibt und der neue Präsident mit dem Eingesparten seinen weniger betuchten Landsleuten endlich eine obligatorische oder freiwillige Krankenversicherung ausgeben kann. Dann wollen sich die USA auch noch um die bis dahin verbliebenen Reste der Umwelt Sorgen machen.

Die Sachfragen 2 -
Außenpolitik ("Krieg gegen den Terrorismus"): Weltherrschaft als Naturrecht der USA


Amerikanische Politiker sind sich mit ihrem Volk, das ja vornehmlich aus Amerikanern besteht, darin einig, alles, was auf dem Globus passiert, unter dem Gesichtspunkt zu be- und gegeben falls zu verurteilen, ob es für die USA (= "The Greatest Nation on Earth") gut oder schlecht ist. In diesem Prinzip unterscheiden sich Leute wie Merkel und Gusenbauer nicht von den Herren Bush, McCain und Obama. Die Weltmacht der USA bewährt sich aber in der praktischen Durchsetzung dieses Standpunkts. Drohung mit und Ankündigung von Gewalt, also Krieg, gehören deshalb zum Repertoire der Wählerbetörung in den Vereinigten Staaten von Nordamerika; offene Kriegshetze und die glaubhafte Bereitschaft zum Töten & Zerstören bebildern Charakterstärke und Führungsqualität eines Typen, der (zu allem) fähig ist als Commander-In-Chief der Nation.

C. Die Betroffenen als Publikum - Europa und Rest der Welt: Interessierte Parteilichkeit bei der Konkurrenz und devoter Antiamerikanismus der demokratischen Öffentlichkeit

Erstaunlich, wie nachgerade das Fußvolk in den europäischen Demokratien auf den US-amerikanischen Wahlzirkus und vor allem auf den demoskopisch in Führung liegenden Kandidaten der Demokratischen Partei abfährt. So einen Führer wollen wir auch haben! souffliert die freie Journaille ganz unpluralistisch den einheimischen Volksmassen, die den charismatischen Senator aus dem fernen Illinois mit ihren nationalen Teiggesichtern vergleichen und allen Ernstes wähnen, mit einer europäischen Inkarnation des Change-Rhetorikers wären sie besser bedient, d.h. geführt. Die Bewunderung für den Erfolg der zeitgemäßen und erzdemokratisch-massenhysterischen Zelebration des "ein Volk, ein Reich, ein Führer!" im aktuellen Schlachtruf "Yes, we can!" wird andererseits mit kritischen Kommentaren europäischen Sachverstands unterlegt, die jenseits des Atlantik die Wahrheit der Demokratie entdecken ("Es geht nur um die persönliche Vertrauenswürdigkeit der Kandidaten!") und daran erinnern, daß im Zeitalter der "Globalisierung" in der Staatenwelt des demokratischen Imperialismus die Konkurrenz um Weltordnungskompetenz tobt und daß darin die USA der Hauptkontrahent sind. Ein mächtiger US-Präsident wird Europa womöglich ganz anders triezen, als die noch amtierende "lame duck" Bush im Weißen Haus.

(Vortragsgliederung von Dr. Herbert L. Fertl)