DIE UKRAINE in ihrer Selbstherrlichkeit: Kein gefundenes Fressen für den freien Westen!
Mancher mag sich ja gefragt haben, worin der plötzliche
"politische Druck" bestand, der die skandinavischen Staaten zum
Einknicken gebracht hat:
"Die umstrittene Gaspipeline auf dem Grund
der Ostsee, die Deutschland mit russischem Erdgas versorgen soll, kann
gebaut werden. Am Donnerstag haben die Regierungen Schwedens und
Finnlands grünes Licht gegeben. Bereits vor zwei Wochen hatte die
dänische Regierung eine entsprechende Entscheidung getroffen. Es
steht nun nur noch das Votum aus Deutschland und Rußland aus, das
aber als Formsache gilt. Der Bau soll im nächsten Jahr beginnen,
das erste Gas 2011 bei Greifswald ankommen.
...
Da die Leitung durch ihre jeweiligen Wirtschaftszonen in der Ostsee
verlegt werden soll, hätten Stockholm und Helsinki aufgrund der
Bestimmungen des internationalen Seerechts die Möglichkeit gehabt,
deren Bau unter Hinweis auf Umweltschutzbedenken zu stoppen. Solche
waren auch jahrelang geltend gemacht worden. Im Februar 2008 hatte die
schwedische Regierung Antragsunterlagen der
Gazprom-Pipelinegesellschaft Nordstream bereits einmal als 'völlig
ungenügend' zurückgewiesen.
Wenn Stockholm und Helsinki trotz nicht ausgeräumter
Umweltbedenken nun trotzdem genehmigen, ist das massivem politischem
Druck geschuldet. Sowohl Berlin wie auch Moskau waren bei den
jeweiligen Regierungen mehrfach vorstellig geworden und hatten auf die
Wichtigkeit des Projekts hingewiesen." (taz, 05.11.09)
Neben den beiden Hauptbeteiligten Rußland und Deutschland [siehe dazu den GegenStandpunkt-Artikel "Anmerkungen zur Unabhängigkeit der Ukraine"
in Ausgabe 1-2009] gibt es noch einen Dritten, nämlich den IWF.
Denn obgleich sich dem mit den osteuropäischen Staaten ein weites
Feld erpresserischer Einflußnahme zur Kapitalisierung ebendieser
Staaten eröffnet hat, läuft nicht alles
wunschgemäß: Die Ukraine, der größte dieser am
IWF-Tropf hängenden Staaten, kann sich so sicher sein, auch die
nächste Tranche des 16,2 Mrd. Dollar-Kredits* ausgezahlt zu
bekommen, wie der IWF-Direktor Strauss-Kahn sich Vorbehalte auch
ausbedingen mag. Der Grund dafür ist, daß die Ukraine das
russische Erdgas fristgemäß bezahlen muß - wofür
sie einen Teil des Kredits braucht -, ansonsten droht
dem westeuropäischen Kapital - pardon: "Markt" - ein
Lieferstop durch Gazprom (und daneben dem ukrainischen Staatskonzern
NAK Naftogaz Ukrainy die Zahlungsunfähigkeit). Und so kommt es,
daß die Ukraine wenig gerührt auf die Bedingungen des
IWF reagiert, ja sich sogar einen Affront gegen den IWF herausnimmt:
"Statt - wie mit dem internationalen Währungsfond vereinbart -
den maroden ukrainischen Bankensektor umzubauen und die Sozialpolitik
etwa durch die vom IWF geforderte Erhöhung des Renteneintrittsalters
zu entschlacken ["entschlacken" - nur gut, daß das auf
ukrainisch nicht ebenso salopp klingt, sonst wäre die doofe
ältere Generation wohl hellauf begeistert!], verteilen die
Parteien auch noch Wahlkampfgeschenke: So wurde im Parlament die
Erhöhung der Mindestlöhne und -renten um 20 Prozent
beschlossen, Kostenpunkt: umgerechnet rund vier Mrd. Euro." (HB, 10.11.09)
Mögen für die Normalbürger der Ukraine die Zeiten
ohnehin schon schwer genug sein, wie werden sie erst werden, wenn die
Pipeline steht und die Ukraine den IWF-Erpressungen nicht mehr
entkommen kann? Winken die Ukrainer dann erst recht mit den orangenen
Fähnchen?
(11.11.09)
Beiläufig registrierte Anekdoten zur Bezahlung von IWF-Krediten seitens der Ukraine:
1. Am 25.09.08 wurde das ukrainische Frachtschiff Faina vor
Somalia von Piraten gekapert: An Bord waren 33 ukrainische Panzer vom
sowjetischen Typ T-72 und andere Waffen, offiziell für das
Militär in Kenia bestimmt, inoffiziell sollten sie an die
Autonomieregierung im Süd-Sudan gehen. (siehe taz v. 29.09. und 13.10.08).
2. "Die deutsche Fregatte 'Karlsruhe' ist direkt nach Beginn ihres
Einsatzes vor Somalia in Aktion getreten. Bordhubschrauber der
'Karlsruhe' und der 'Mecklenburg-Vorpommern' vereitelten am Morgen des
25. Dezember einen Angriff gegen einen ägyptischen Frachter, der
ukrainischen Weizen nach Südkorea transportierte." (taz,
27.12.08) Die Getreideproduktion der Ukraine ist für den Weltmarkt
bestimmt und nicht für eine zuhause darbende, wenig
zahlungskräftige Bevölkerung. Wenn die auch noch nicht in
größerer Menge verhungert, so leiden viele schon unter
Mangelernährung. Kein Wunder, daß die Schweinegrippe dort so
rasant um sich greift.
3. "..., halten die Behörden in der nordnigerianischen
Metropole Kano seit Mittwoch letzter Woche ein Frachtflugzeug aus der
Ukraine fest, das nach ihren Angaben Waffen für die
Ölrebellen transportiert. Offiziell war der Flieger der 'Meridian
Air Company' mit 18 Containern Rüstungsmaterial an Bord auf dem
Weg nach Äquatorialguinea**, einem kleinen Ölstaat
südlich von Nigeria. In Kano mußte er notlanden. Ukrainische
Diplomaten sind jetzt nach Nigeria gereist, um die Affäre
aufzuklären." (taz, 22.06.09)
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* Die erste Tranche von 4,5 Mrd. Dollar wurde vor zwei Jahren umgehend
ausgezahlt, die zweite wurde wegen eines nicht ausgeglichenen Haushalts
um wenige Monate verschoben und nach Vorlage eines Nachtragshaushalts
im Mai 2009 ausgezahlt (2,7 Mrd. Dollar).
** bekannt durch den brutalen Diktator Teodoro Obiang Nguena Mbasogo,
einen verläßlichen Statthalter imperialistischer
Ölinteressen
