Links ist, vom nationalen - unverrückbar feststehenden - Standpunkt aus alles mögliche wie möglichst alles zu problematisieren
Das politische Ansatz und Auftrag der tageszeitung (taz)
Ihr Publikum
Daß
die Medien allein das bringen, was sich (mutmaßlich) verkaufen
läßt, ist an sich nichts weiter Erwähnenswertes.
Daß deshalb beim Verfassen von Artikeln an die Auflage gedacht
werden muß und gedacht wird, versteht sich von selbst. Was sich
verkaufen läßt, was a priori also als Geschäft gedacht
wird, setzt und zielt auf eine bestehende Grundlage, auf feststehende
(Vor)urteile des wegen seiner Zahlungsfähigkeit verehrten Publikums.
Womit hat man es bei jenem Publikum zu tun? Von rechts bis links
handelt es sich um Leute, die so tun, als wäre die von der
staatlichen Gewalt eingerichtete Gesellschaftsordnung ihre
weitgehend nach eigenen Bedürfnissen selber eingerichtete Wohnung. Und wenn mal der Wasserhahn
tropft, dann habe der Staat als Oberklempner das wieder zu richten;
dafür ließen sie sich schließlich Steuern abnehmen und,
wenn's opportun erscheint, würden sie auch brav zur Wahlurne trotten: Man könne
zwar die Wohnung schlecht wechseln, aber den Klempner. Mit einem
dermaßen bescheidenem Weltbild fristen Zeitgenossen ihren Lebtag,
nicht nur Hauptschulabgänger übrigens.
Gebildetere Leute allerdings - Hauptzielpublikum der taz
- haben in aller
Regel mit eben jenem Ausgangspunkt dann doch weitergehende
Ansprüche. Sie wollen ihr Verheiratetsein mit dem Staat von der Politik
entsprechend gepflegt haben. Sie beurteilen die Politik nicht
so kleinkrämerisch danach, ob der Wasserhahn tropft, sie
beurteilen
die Politik danach, ob sie ganz prinzipiell alles im Griff hat und sich
durchsetzt. Kurzum, ob die Politik so souverän agiert, daß
sie keine Anklagen und keine Widersprüche mehr zu kennen braucht.
Das heißt, sie beurteilen den Erfolg des "eigenen" Staates, dessen
im inneren erzielten Durchsetzungserfolg wie vor allem den auf dem
internationalen Parkett. Für die intellektuelle Elite national
denkender Leute ist es in der Regel wichtiger, was die
Bundeskanzlerin in Indien für eine Figur macht, als daß sie
sich
um tropfende Wasserhähne kümmert, wobei auch das
selbstredend zu ihrer Verantwortung gehört. Über die
Prioritäten der Politik können dann Nationalisten prima streiten. Und weil es offenbar noch nicht genug in nationaler
Verantwortung stehende Parteien mit - dem Status der Nation
entsprechenden - Personal gibt, gibt es jetzt auch noch eine
Linkspartei, die sich in ebendiesen nationalen Streit einmischt.
Worüber dann eine jener beliebten Metadiskussionen beginnen kann,
ob denn zuviele Parteien dem Geschäft der nationalen
Verantwortung zuträglich sind oder eher nicht usw. usf.
Ihre Problemstellung
So weit, so kurz einmal die Verhältnisse skizziert, auf die die taz
trifft, wenn sie ein journalistisches Angebot auflegt. Sie meint
offenbar, wenn sie diese Verhältnisse problematisiert und
problematisieren lassen sie sich nur als Aufträge nationaler
Verantwortung - einer für die ganze Welt, versteht sich -, daß
wenn sie die also problematisiert, daß sie dann auch schon das
Kriterium erfüllt, welches nichts- wie allessagend unter den
Begriff "Qualitätszeitung" fällt. So schreit die taz
beispielsweise entweder als erste oder aber als lauteste nach einem deutschen
Auslandseingriff im Sudan, nach Maßnahmen gegen unbotmäßige zentralasiatische Republiken der
früheren Sowjetunion, sie hat Menschenrechtsvorbehalte gegen alle
mögliche Staaten und selbst die USA kommen oft genug schlecht weg,
weil sie deutschem Geschmack wie deutschem Interesse auch nicht gerade viel recht machen
können. So scheint es wirklich nur einen Staat auf der Welt zu
geben, dem die tazin
prinzipieller Hinsicht nichts ankreiden kann und will.
Die einzig
wirkliche Kritik, die sie an diesem Vorzeigestaat kennt, ist die
Frage, sind die Schaltstellen der Macht genau so besetzt, daß
dieser Staat mit seinen Ambitionen, die nun wirklich nicht von
schlechten Eltern sind, vorankommt. Genau dafür braucht auch eine taz jede Menge Hofberichterstattung.
Ihre Kritik
Richtig kritisch kann die taz zweifellos auch werden, nicht natürlich gegen
den deutschen Staat mit seiner kapitalistischen Geschäftsordnung. Kritisch vielmehr in zweierlei Richtung:
Zum einen gegen das Ausland, das sich
nicht zu benehmen weiß, nicht bzw. viel zu wenig nachfragt, was
auf "unserer" internationalen Agenda steht, stattdessen einfach den ein
oder anderen Putsch macht, Streiks provoziert, mitunter auch die
falschen an die Regierung
wählt, was dann natürlich als überhaupt nicht
demokratisch mißbilligt wird. Umgekehrt, umgekehrt. Kaum eine
andere Zeitung ist so akribisch, was das Auseinandersortieren von
Ekelfiguren und Günstlingen anbelangt. Ein bislang erreichter
Gipfel war, Gadafi für die EU-imperialistische
Flüchtlingspolitik in Haft zu nehmen, ein anderer war Polen:
Politikerköpfe als Kartoffeln zu bezeichnen, fällt ihr bei
deutschen nicht im Traum ein.
Zum zweiten gegen linke Kritik, wenn sie irgendwo aufkommt, oder wenn
etwas auch nur den Anschein erweckt, aus einer linken Ecke zu kommen.
Ja, die Linkspartei muß sich warm anziehen, wenn ihr vorgeworfen
wird, sie würde dem nationalen Interesse eher schaden als
nützen. (National besoffen wie jene ist, pflegt die derlei
Vorwürfe allenthalben auch noch zu dementieren.) Der verblichene "reale
Sozialismus" wird, wie es sich gehört, gleich als Kommunismus
- einzig ein Totschlagargument ist der auch der linken taz - verteufelt, womit die tazsche
Vergangenheitsbewältigung auf
"Stasi-Opfer" reduziert ins nationale Weltbild bestens eingeordnet ist.
Was ja auch für das zeitungslesende Publikum mehr als genug ist.
Antikommunismus gehört eben zum nationalen Standpunkt wie das Salz
zur Suppe und läßt sich leicht abrufen. Angesichts des
eingefleischten nationalen Standpunkts ist es also überhaupt nicht
verwunderlich, daß die taz Linke nur von rechts zu kritisieren in der Lage ist.
Ihre Märchen
Dabei ist es ja nun wirklich nicht so, daß auch angesichts
mancher Problematisierungen nicht der ein oder andere Übergang zu
einem
kommunistischen Gedanken quasi auf der Hand läge. Man liest
über die schädlichen Wirkungen deutscher "Entwicklungshilfe",
über das (Un)wesen deutschen Kapitals im In- und Ausland,
über den weltweiten
Waffenhandel, über afrikanische Flüchtlingsströme,
über
Hartz IV und Kinderarmut, usw., kurz: Über Not & Elend hier und
in aller Welt. Dies alles
in eine nationale, eine deutsche Antwort zu übersetzen, fällt
einem dermaßen hartgesottenen nationalen Standpunkt wie dem der taz
überhaupt nicht schwer. (Der Appell an die UN und
deren für steigerungswürdig erachtete Zuständigkeit ist
eine politische Metafer dafür. Deshalb muß auch der deutsche Sitz im
Sicherheitsrat sein.) Schließlich läßt sich so gut wie alles
unerwünschten Nebenwirkungen oder mehr oder weniger unbeabsichten
Auswüchsen zuzurechnen,
die bei wirklich wahrgenommener nationaler
Verantwortung natürlich so gut wie nie
vorkämen. Fabulieren statt nach der Wahrheit der Dinge zu
suchen, das gehört zum journalistischen Grunddogma; "die" Wahrheit
ist für bürgerliches Denken ja nur abstrakt, existiert also
nur getrennt von den realen Gegenständen und ihrer Logik und
ist als solche eben überhaupt nicht existent. (Kommunisten wird
gerne der lächerliche Vorwurf gemacht, sie suchten "die"
Wahrheit.)
Deutsche
Kriege wie die gegen Serbien und in Afghanistan und weltweite deutsche
Militärpräsenz sind hingegen - da gibt es wenig zu fabulieren
-
eine ultima ratio,
denen man
ganz prinzipiell
unmöglich seinen Respekt versagen kann und darf. Was sich
dann darin ausdrückt, daß der Krieg mit den
unwidersprechlichen
deutsch-imperialistischen Eingriffstitel der "Menschenrechte"
geschmückt wird. Dabei
bedient sich die taz des Kunstgriffs, vorstellig zu machen, deutsche
Politik würde - wohl schon qua Auschwitz - aus den Menschenrechten
hervorgehen. Das ist die daraufgesattelte große Lüge, deren
Wahrheit immer noch darin besteht, daß die staatlich
monopolisierte Gewalt sich ihr Zuschlagen mit dem
Menschenrechtsargument rechtfertigt und es gleichzeitig als
ideologische Waffe in der internationalen Staatenkonkurrenz ganz
gezielt benutzt. Daß Kriege heutzutage so gerechtfertigt werden, kann nur ein (skrupelloser) Nationalist als großen Fortschritt begreifen.
Ihre politischen Sorgen und ihre Selbstkritik
Kurzum:
Nationale Sorgeobjekte sind von seiten der taz anerkannt. Ja, mitunter
schafft sie es sogar, einen neuen Topos beizusteuern. Und bei
der Betreuung der Bestehenden will sie nichts anbrennen lassen. Ein
eklatantes Beispiel ist die mittlerweile ausufernde Berichterstattung aus der
Ostzone, die als nationales Problem per Regierungsansage solange zu gelten hat,
bis dort blühende Landschaften entstanden sein werden. Gleichzeitig hat
die taz
dann ihren
NRW-Regionalteil gestrichen. Nordrhein-Westfalen ist nämlich kein
eigenes nationales Sorgeobjekt, die dortige Redaktion war nur
einer - leider zu geringen - Leser-Basis [dabei gibt es dort weit mehr
Leser als in der Ostzone (ohne Westberlin)!]
geschuldet. Basisorientierung - auch in all ihrer Abstraktheit -
ist ja so etwas von
gestern! Und das auch noch finanziell zu bezuschussen, also gleichsam
Geldmittel in den Sand zu setzen, das sieht ein nationales Projekt wie die taz nicht länger ein!
Ihre Sorge mit dem Publikum
Die Konzentration auf die nationalen politischen Belange ist zweifellos anstrengend. Und so erscheint es der taz ratsam, seinem Publikum einen Ausgleich zu bieten: Geistige Zerstreuung, die sich seit geraumer Zeit auf taz zwei
findet und auch der Internetauftritt der taz (www.taz.de) sieht dementsprechend aus. Das hat ihr gutes deutsches Publikum verdient. Was allerdings nicht
heißt, daß diese Seiten leicht mit Texten zu füllen
wären. Die
schöne
mediale Welt des Kapitalismus hält jede Menge Angebote
bereit, die genau und oft auch ausschließlich auf dieses Zerstreuungsbedürfnis zugeschnitten
sind. "Gehobene Unterhaltung" nennt die taz dann das, was ihr vorschwebt und was eben nichts anderes bezwecken soll, als ein von der Politik "über"anstrengtes und als solches
gelangweiltes Publikum zu unterhalten. Dieser apolitische Teil fällt
dann auch keineswegs so apolitisch aus, wie er in Anschlag gebracht
wird; im Gegenteil - da wird noch mit den abseitigsten Themen nationale
Stimmung gemacht; ein herausragendes Beispiel: deutscher Frauenfußball - Emanzipation im Geiste der Nation!
Die taz arbeitet daran, ihrem
Publikum den (kostenlosen) Abdruck des Fernsehprogramms wirklich
überflüssig zu machen. Ein weiteres Mal will sie einen
diesbezüglichen Leseraufstand nicht zu fürchten brauchen.
Ihr Kampf
So
kämpft die taz jahraus, jahrein und, wenn ihre Genossenschaftler
genug Renditegeduld haben, dann kämpft sie noch viel länger
als manch altbacken erscheinende, oft dumm und schlecht agierende, nationale Konkurrenz.
Weshalb an dieser Stelle mal eine Lanze für die taz gebrochen werden muß. Ihre Lektüre lohnt sich und zwar deshalb, weil hier die intellektuelle Speerspitze der Nation
zu Werke ist, an der man nicht vorbeikommt, wenn man sich zur
Gegnerschaft gegen dieses unsere, schöne, schier unschlagbar
erscheinende System aus Geschäft & Gewalt aufgeschwungen hat.
Speerspitze ist die taz
insofern tatsächlich, weil sie im Gegensatz zu den anderen
überregional erscheinenden Tageszeitungen den unschlagbaren
Vorteil besitzt, nicht eine - oft nur allzu bornierte - Bourgeoisie im
Rücken zu haben. Vielleicht verhilft die taz einem ja auch zur Gegnerschaft, denn hier
wird der nationale Standpunkt dermaßen feinfühlig auf die
Spitze getrieben, daß es einem wirklich angst und bange werden
kann.
Fazit
Die taz bereichert zweifellos die Pressefreiheit und Pressevielfalt geradezu exorbitant.
p.s.:
Eine Frage, die zwar kaum jemand in dieser Republik vermißt, aber der Vollständigkeit halber mal gestellt wird:
Wer ist denn in dieser - hinsichtlich der nationalen
Prämisse im Kopf - gleichgeschalteten Republik der Gegner:
Die Kräfte offenbar, die sich nationaler Verantwortung verweigern,
irgendwelche Kommunisten, die es zwar nicht gibt, die es aber geben könnte, wenn die Verantwortlichen in Politik & Wirtschaft etwas anbrennen ließen, was leicht passieren könnte, wenn es - so die tazsche implizite Selbstverherrlichung - die nationalen Aufpasser und Agitatoren der taz nicht gäbe? Beziehungsweise es derart Leute nur geben konnte, solange die taz noch nicht vorgelegen hatte, siehe die 68er-Generation samt RAF.
(16.11.07)