Kultur- und Sportstadt Augsburg anno 2011

Die untere politische Ebene des Staates, die Kommune, ist sehr lukrativ für Geschäftemacher, gehen doch von ihr Aufträge sonder Zahl und in erheblichen Größenordnungen aus. Gerade kleinere Firmen, die als »Mittelstand« von der Politik selber hofiert werden, weil sie gerade auf dieser Ebene ihre Machtbasis darstellen, gerade solche Firmen wissen, was sie an den Städten und Gemeinden haben, sind doch gerade deren Aufträge auch mit ihrem Leistungsvermögen, sowohl hinsichtlich ihrer Produktionskapazität, ihrer Flexibilität wie ihren Preisen kompatibel. Sie können auf dieser Ebene mit den ganz Großen mithalten, nicht immer, aber oft genug.
Es entspinnt sich ein geradezu symbiotisches Verhältnis von Kommunalpolitik und Gewerbe. Wobei da natürlich auf beiden Seiten die Konkurrenz das Geschäft belebt, welches hart umkämpft wird. Von vielen Firmen hängt die Auftragslage davon ab, wer in den Rathäusern regiert und so kümmern sie sich auch entsprechend darum, daß die jeweils Richtigen an die Schaltstellen der Gemeindevertretungen zu sitzen gelangen.* Das ganze geht nicht ohne Skandale und Skandälchen ab. Die Größe des Skandals hängt nicht unwesentlich davon ab, ob die Beteiligten auch die lokalen Medien auf ihrer Seite haben. Von Vorteil ist es mitunter dabei, wenn die lokale Tagespresse monopolisiert ist, wie das in Augsburg ja seit 1945 weitgehend der Fall ist. So blöd es klingen mag, aber das war ein, für nicht wenige in Politik und Wirtschaft positives Ergebnis des Faschismus.

Doch nicht nur die Wirtschaft ist von der Politik abhängig und auf ihre Aufträge angewiesen. Im Zeichen dessen, der Wirtschaft entsprechend lukrative Bedingungen zu bieten, entwickelt sich eine Standortkonkurrenz um die Anlage von Kapital, um »Investoren«. Dies wiederum macht eine Kommune nicht allein zur umworbenen, es macht sie ebenso zu einer erpreßbaren.

Gerade haben wir in Augsburg dafür einige mehr oder weniger taufrische Fälle:

1. Das Theater kann auf seine Privilegien als städtische Institution pochen: Es steht in der Liste der Standortfaktoren weit oben, was die Höhe der städtischen Gelder ausdrückt, die in es fließen. Und auch daran, daß eine Diskussion über eine Privatisierung gar nicht erst stattfindet, obschon es anders als bei Verkehrsbetrieben, Wasser und Strom etwa überhaupt keine essentielle Bedeutung in Sachen gesellschaftlicher Notwendigkeit hat.
Diese Stellung führt dazu, daß sich die Theaterleitung einiges an Forderungen gegen die Stadt herausnimmt: Natürlich ist hier in erster Linie der 7 Millionen schwere Container zu nennen, in den hinein die Sparte Schauspiel »entsorgt« werden soll. An dieser Stelle trifft sie auf einen wunden Punkt der Stadt, ihr das nicht versagen zu wollen, ungeachtet dessen, was die »Qualität« anbelangt, die dem Argument Standortfaktor zwar nur allzu offenkundig widerspricht, was man aber nicht zum Argument gegen die Ansprüche des Theaters machen soll: Die Zensur, die Intendantin Votteler dem Brechtstück »Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny« auferlegt hat, spricht Bände, welche sich in den offenkundig ausgezeichneten Beziehungen dieser Person – als Charaktermaske dieser städtischen Institution – zu IHK und IHS,
zu Kapital & Kirche ausdrücken.

2. Baupleitier Ignaz Walter will von der Stadt für sein Kunstmuseum im Glaspalast 450.000 Euro jährlichen Betriebskostenzuschuß, ansonsten »müsse« er das Museum schließen. Das wären zwar vergleichsweise Peanuts für die Stadt, aber von dem läßt sich die Stadt nicht erpressen. Hier ist Standort ein untergeordnetes Argument. Nicht, weil die Stadt Gelder anderweitig im großen Stil ausgibt, um ihr parteipolitisches Klientel zu bedienen, und so keines mehr hätte (ihre Kreditwürdigkeit ist ja unter Auflagen allemal ausdehnbar gegeben), nein gerade weil sie mit den städtischen Geldern einen nicht bedienen will, der nicht zu diesem Klientel gehört. Man geht sicher nicht falsch in der Annahme, daß die Forderung Walters ein gezielter Affront gegen die ihm abholde CSU-geführte Stadtregierung ist. Wozu man ihm eigentlich nur gratulieren kann. Was ihm aber nicht viel nützt.

3. Eine saubere Erpressung erlaubte sich der FCA mit der Forderung, ihn aus der Verpflichtung des Baus der Stadionfassade an der Impuls-Arena zu entlassen. Jetzt, wo es in der Bundesliga endlich darum geht, richtig abzusahnen, kann diese Fußballfirma unmöglich finanzielle Verpflichtungen in Millionenhöhe übernehmen! Da hat die Stadt ein offenes Ohr dafür. Geschäft muß sein, die Unkosten 
nun eben die Stadionfassade – übernimmt da gerne die Stadt, zumal hier von vorneherein eine Hand die andere zu waschen gewillt war: Ex-Vorsitzender Seinsch hatte dafür ja eigens ein Wahlbündnis (Pro Augsburg) gegründet, das als Mehrheitsbeschaffer der CSU fungiert und den Kultur- und Sportreferenten stellt. Angesichts des laufenden Booms beim Verkauf von Logen, Karten, Werbung und Fanartikeln, worüber die AZ regelmäßig schwärmerisch berichtet, besteht die Stadt nicht einmal auf einer Kostenteilung. An keinem anderen Beispiel wird so schön klar, daß das Argument »Standort« für sich steht. Ein Fetisch, der keine Relativierung erlaubt, wenn er denn der Glaubwürdigkeit entsprechen will, die ihm unterstellt wird. Nicht nur, daß gar nicht nachgerechnet wird, in welchem Verhältnis denn nun Aufwand und Ertrag für die Stadt stehen, nein, es soll ja auch gar nicht erst nachgerechnet werden, denn damit würde ja sofort der bedingungslose Anspruch der Stadt relativiert werden!

4. Die City-Initiative Augsburg (CIA) wollte etwa 90.000 Euro Zuschuß für das Feschtle Max 2011: Im Grunde eine Angelegenheit, mit der sie normalerweise bei der Stadt offene Türen einzurennen und mit der sie locker die Ausdehnung des Festes auf den Bereich zwischen und Moritzplatz und Rathausplatz zu bewerkstelligen
gedachte.  Daß darüber hinaus Kosten für die Stadt entstehen, gerade angesichts der Vorkommnis bei der Love-Parade in Duisburg – deutsche Staatsfanatiker kreierten einen Sicherheitswahn (als ob Sicherheit nicht immer eine relative Sache wäre) –, ließ der Veranstalter unberücksichtigt, zumal er davon ausgehen konnte, daß die Stadt am Kommerz des Festes ein Standort-Interesse hat. Hier hat die Stadt aus anderen ideologischen Gründen gegen das Fest entschieden: Sie wollte die ihr lästigen Diskussionen vermeiden, die von ihrem reaktionären Anhängerklientel immer dann angezettelt werden, wenn es allzu materialistisch zugeht. Das ist im übrigen auch der Punkt, der die tiefe Zerrissenheit der Augsburger CSU halbwegs – sofern es nicht um die üblichen Gepflogenheiten einer demokratischen Partei, also um Intrigen um Ämter etc. geht – erklärt: Auf der einen Seite staatlicher Ordnungfanatismus und auf der anderen Seite uneingeschränkter Wirtschaftsliberalismus. Kurzum: Standort ist kein Argument, wenn die Obrigkeit das nicht so sehen will.


Noch etwas: Gerade im Sport- und Kulturbereich, wo das Argument »Standort« ja so hoch gehängt wird: 
Gerade da sieht man, daß der kommunalpolitischen Absicht nach die Veranstaltungen nicht für die Leute, die sie besuchen, gemacht werden. Deshalb ist es auch ein falscher Vorwurf, die Stadt würde ihnen – Beispiel Maxstraßenfest – etwas vorenthalten. Das dementiert auch der um Wählerstimmen fürchtende Oberbürgermeister. Die Leute sollen sich als quasi automatische Nutznießer des Standorts verstehen, also auch die Standortqualität im Sinne der Obrigkeit richtig beurteilen!

»Standort« ist also ein Argument gegen die staatlich eingerichteten kapitalistischen Verhältnisse, deren Kosten und deren Frust in dem ein wie in dem anderen Falle (also ob eine Veranstaltung stattfindet oder nicht) die zu tragen haben, die darauf schauen, ob sie ihnen geboten wird oder nicht.
Glücklich wird damit sowieso niemand. Weshalb die Zahl der privat stattfindenden Partys auch rapide ansteigt.... Sogesehen ist es wiederum kaum schade – weder um das Maxfestle 2011 noch um den absehbaren Wiederabstieg eines Fußballclubs...

(18.06.11)

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* Wie die (Verfahrens-)Vorschriften, die es
– wie für alles in einem zivilisierten Staat auch hier gibt, gekonnt bewältigt werden können, hat Baureferent Merkle in Sachen Eisstadion meisterhaft vorgeführt, wenn das auch blöderweise aufgeflogen ist und die Stadt nunmehr einiges mehr kosten wird, was aber weder Herrn Merkle noch die CSU groß berührt.