»Das WIR entscheidet!« (SPD-Weisheit nach 150-jähriger Brutzeit)
"Applaus ist ein Gradmesser in der Politik. Jeder Delegierte der SPD,
der nach Augsburg gereist ist, weiß um die symbolische Bedeutung
von Klatschstärke und -dauer. So erheben sich die Genossen in der
Messehalle bereits zu Standing Ovations, da ist auf dem Bundesparteitag
noch kein Wort gesprochen. Minutenlanges rythmisches Klatschen beim
Einzug ihres Spitzenkandidaten Peer Steinbrück." (HB-online, 14.04.13, wie folgende Zitate)
Wie anders als bei den Volksgenossen von der NSDAP damals! Die hatten
noch wahrlich keinen Schimmer von der symbolischen Bedeutung demokratischer Berechnung.
"Reiche Steuerhinterzieher nannte Gabriel »die wahren Asozialen
dieses Landes«." Da ist es dann auch niemand aufgefallen,
daß der Parteichef genau den Begriff wählte, mit dem Faschisten Leute aus der nationalen Volksgemeinschaft ausschließen.
Und das, bezogen auf das Kapital, mit dem genau gleichen Inhalt: Dieses
Kapital, welches vor der Steuer flieht, verhält sich als
international agierendes Kapital zutiefst antinational. Kein
Argument kommt bei den vielen kleinen Nationalisten, die die SPD zu
ihrem Klientel zu zählen gedenkt, besser an: Als national
denkenden Gewissenswürmern wird ihrer Gesinnung gehörig auf
die Schultern geklopft, um sie als selbstbewußtes
Stimmvieh im Herbst zur Urne schreiten zu lassen. Dort kann es den
Unholden, den Verbrechern an der Nation einmal so richtig die Meinung
geigen. Dazu muß man sogar nicht einmal groß gegen
Ausländer (zumal so manche — bis hinauf in oberste
Politränge! — einen deutschen Paß haben und
deutsch-national denken!) hetzen: Es gäbe auch unter Deutschen
genügend schwarze Schafe! Am Schluß sind das ja die
gleichen, die ausländisches Arbeitsvieh nach Deutschland holen und
so hinterrücks die deutsche Volksgemeinschaft untergraben...
"»Zentral sind nicht die Umfragen, zentral ist die Haltung, die
wir im Wahlkampf einnehmen.« Doch Gabriel sagt trotzig:
»Wir haben 150 Jahre Kampferfahrung.«"
Zweifellos. Und dazugelernt haben sie ja sehr schnell. Schon 1914 waren
sie bekanntermaßen zum Kriege für die Nation bereit. Aus dem
Nationalsozialismus haben sie gelernt, daß es ihr Fehler war,
sich dem Volk nicht vehement genug als die nationale Mannschaft
empfohlen zu haben, die den Staat rettet. An dieser Entschiedenheit
wollen sie es heute nicht fehlen lassen. Von der demokratischen
Konkurrenz haben sie ja dann überdies hinaus gelernt, daß es
dabei auf den Kanzler ankomme. Das hat dann ihr Kandidat auch gleich
als den Programmpunkt schlechthin in alle Welt als seiner Weisheit
ersten Schluß hinausposaunt.
Bei
all dieser Kritik läßt sich wirklich nicht behaupten,
daß die deutsche Partei es hätte daran fehlen lassen, den
Eindruck nicht aufkommen zu lassen, beim anberaumten Jubelparteitag
handele es sich um eine Veranstaltung »von oben nach
unten«. Auf nichts legten die Parteigenossen solchen Wert, als
die Verbundenheit mit den Volksmassen zu demonstrieren: So wie die,
denken wir auch! Da passe kein Blatt dazwischen. Soviel Lüge
mußte bei aller Wahrheit einfach sein, soviel Lüge gilt
Sozialdemokraten als Patentrezept für ihren politischen Erfolg bei
den anstehenden Wahlen in Deutschland und Bayern.
"Wenn jemand aus persönlicher Erfahrung weiß, daß es
nicht immer leicht ist, Genossin zu sein, dann ist es Marga
Klejdzinski. Die Rentnerin ist seit 44 Jahren in ihrem Ortsverein nahe
Augsburg aktiv, gibt Contra, wenn um sie herum nur CSU-Stimmen poltern.
»Gerade bei Gegenwind ist es doch wichtig, einen standfesten
Kandidaten zu haben — und Peer Steinbrück ist
standhaft«, sagt sie.
Mit ihrem Mann ist sie in die Augsburger Messehalle gekommen, hat sich
frühzeitig gute Plätze gesichert, will von Steinbrück
motiviert werden. Umfragewerte ärgern, beunruhigen sie aber nicht.
»Die Wähler hören die Wahrheit nicht gerne«, sagt
Klejdzinski, [solch methodische Aussage, solch Gemeinplatz ist nun
wahrlich keine Selbsterkenntnis:] »Und die Wahrheit ist,
daß es in unserem Land jede Menge soziale Ungerechtigkeiten gibt,
und daß Frau Merkel die Euro-Länder im Griff hat, sich aber
nicht um Deutschland kümmert.«"
Nicht daß die SPD es nicht besser wüßte! Sie
weiß sehr wohl, was ein starker deutscher Staat erheischt. Er
will ja gerade mit EU und Euro die nationale Stärke erringen, die
es möglich macht, gegen die internationale, insbesondere
us-amerikanische Konkurrenz anzustinken. Deutschland wird also
überhaupt nicht vernachlässigt, wenn die deutsche Politik es
mittels Staatenbündnis und Währung stärker macht. Der
Erfolg der freien deutschen Wirtschaft gibt diesem Programm ja wohl
mehr als recht. Daran rüttelt die SPD selbstverständlich
nicht. Aber wenn jemand als ihr Parteigänger und Wähler eine
(gravierende) Differenz zwischen der Sorge um das EU-Europa und der um
die deutsche Nation entdeckt zu haben glaubt, dann beläßt
ihn die Partei selbstverständlich in dem ihr nützlich
erscheinenden Glauben. Nicht nur, daß die SPD die von Deutschland
produzierte Verelendung breiter Volksmassen in anderen
europäischen Staaten genauso für notwendig hält wie die
politische Konkurrenz. Sie befördert den von unten vorgebrachten guten Glauben an Deutschland,
die Sorge um Deutschland gerade deshalb: Allein mit ihm hat sie ein
»Argument« gegen die politische Konkurrenz. Und das
Schöne daran, dieser Glaube ist für sie in der praktischen
Politik völlig unmaßgeblich: Solange das Volk sie
wählt, ist es unerheblich, wie es sich die politischen Dinge
zusammen- bzw. auseinanderreimt.
[Abbildung: »Ihr Wunsch ist erfüllt« — wir haben
das Foto eines vormaligen deutschen Kanzlers hier hereingenommen,
weil die SPD auf ihrer Bundeswebsite ein Bild von Herrn Steinbrück (für das KoKa
leider keine Rechte der Wiedergabe hat) in dem Augsburger Textilbetrieb
manomama zeigt, wo er Volksnähe demonstriert. Die Bildbeschriftung
lautet »[Steinbrück] Erfüllt Wünsche«. Im
Artikel stellt der Kandidat dann der abgebildeten Arbeiterin gleich
drei Wünsche frei! (Wo sie doch nur einen hat!)]
Da die Anspache des anvisierten Publikums nichts anderes, weil
zweckgemäß nicht anders erfolgreich sein kann als eine in
ihrer nationalen Zugehörigkeit, setzt die SPD eben darauf. Bei
manchen, nicht wenigen fälllt das, wie das Echo von unten zeigt,
auf ebenso fruchtbaren wie furchtbaren Boden...
An die materiellen Interessen der Lohnarbeiterschaft erinnert die SPD
lieber nicht. Die ist nämlich in all ihren Lebenslagen, von der
Schule bis zum immer höheren Renteneintrittsalter und selbst
danach restlos verplant. Die Entschädigung besteht in der
nationalen Einbildung, die ihr die Partei verabreicht. Perfekt.
Und vor allem: Gerecht! — Nationalisten wollen nun einmal
verarscht werden. Dafür sichern sie sich die besten Plätze in
der Demokratie. »Unsere Stimme hat sie!«
(16.04.13)