Frieden den Gläubigen, zumindest denen, die »unserem« – politischen! –Glauben anhängen!
Daß
»Glauben« einen Inhalt hat, in dem, woran einer, der ihn
hat, glaubt, ist eine Banalität. Nicht allerdings in unserer
heutigen, demokratischen Gegenwart. Da soll nämlich
»Glauben« für sich ein Wert sein. Dann jedenfalls,
wenn ein Glaubender dazu angehalten wird, anderen Glauben, ungeachtet
dessen Inhalts, zu respektieren: Irgendwie sei ja alles Glaube und ein
Grund zum Konflikt liege somit nicht vor.
Religionen sind in Glaubensgemeinschaften zusammengeschlossen, die sich
von ihresgleichen unterscheiden. Nicht etwa darin, daß sie an ein
fiktives höheres Etwas [meist als Gott bezeichnet] glauben, in das
ihre Anhänger alles hineindenken können, was ihnen so durch
den Kopf schießt. Sicher, die Hüter der Religion versuchen
hier Verbindlichkeiten zu stiften und aufrechtzuerhalten. Doch das
können sie nur, so weit ihre Gewalt reicht, bzw. wie sich ihre
Anhänger das Verfügte willig einleuchten lassen.
Ansonsten ist es dem Anhänger leicht, eine eigene Religion zu
stiften. Die Größe des Stifters liegt dann im Erfolg der in
aller Regel mit ziemlich brachialer Gewalt durchgesetzten, im
»höheren Auftrag« erfolgten Sache.
Kein Wunder also, daß das Christentum und der Islam die am
weitesten verbreiteten Religionen sind. Kein Wunder auch, daß sie
sich selber wieder in eine kaum überschaubare Anzahl von
Untergruppen [»Sekten«] aufspalten, welche sich wiederum in
ihrer Größe darin unterscheiden, wieviel Staatsgewalt hinter
ihnen steht; und keineswegs danach, welche Zugkraft von ihren
»Lehren« ausgeht.
Die Anwälte von Staatsgewalten, die sich seit der frühen
Neuzeit im Laufe der Zeit so etabliert haben, hielten es für
zweckmäßig, sich nicht mehr von Religionen abhängig zu
machen. Sie billigten den Religionen ihre Rechte zu, wie sie gleichwohl
es nicht länger zuließen, daß in ihrem Namen
Streitigkeiten ausgetragen wurden, welche den neuen staatlichen
Macht-Ambitionen kontraproduktiv erschienen und erscheinen mußten.
Denn eines war klar: »Glauben«, nach außen getragen,
kennt für sich kein anderes Argument als Gewalt & Krieg. Wie
sollte denn anders entschieden werden, wer nun der richtige
»Gott« sei?
Der moderne Staat, wie ihn letztens dann die französische
Revolution par excellence geschaffen hat, versprach sich deshalb viel
von einem allgemeingültigen Staatsglauben; dessen Ausdrucksform,
heute zu freedom & democracy schier endgültig
transformiert, läßt wirklich keinen Widerspruch mehr zu,
blickt man auf die Gewalt [auf die staatlichen Gewalten], die diese
Begriffe mitsamt dem Begriff »Frieden« heute vorstellig
macht.
Die Individuen und die Religionen sollen sich vertragen und die
Hände von der Politik lassen, die ihnen diese Verträglichkeit
ans Herz legt und im Grunde – das darf aus Sicht der politischen
Sachwalter durchaus übersehen werden – gar mit ihrer Gewalt
garantiert. Diese Gewalt soll ja eben keine so große
Aufmerksamkeit erheischen. Bzw. wenn sie schon Aufmerksamkeit
erheischt, dann so, daß sie der Politik nicht in die Quere kommt.
Sicherlich darf man an den Kriegen eines, etwa des deutschen Staats
herummoralisieren, an Waffenexporten sowieso: Es soll mitunter
geprüft werden, ob man an den Staat glauben kann: Ja, denn das
kann man gerade im Zweifelsfalle, wenn man dessen hehre Frasen (freedom
& democracy, Menschenrechte etc.) entweder nicht in Verbindung oder
aber gleich so in Verbindung zur Gewalt bringt, daß eben für
diese Glaubensgüter die Gewalt nötig ist, die auch angewendet
wird. (Solcherart Diskussion löst sich leicht in kleinliche
Streitigkeiten darüber auf, welche Dosis an Waffenlieferungen und
Kriegen nun wirklich angebracht sei.)
Eine prinzipielle Infragestellung von Gewalt kommt auf diese Weise gar
nicht auf. Warum sollte denn ein von (gutem) Glauben Beseelter etwas
dagegen haben, wenn ihm erzählt wird, daß es z.B. in
Afghanistan um Menschen- und Frauenrechte geht, wenn dort NATO-Soldaten
samt Bundeswehr aufmarschieren? Im Gegenteil, ihm leuchtet das schwer
ein, zumal wenn ihm gesagt wird, daß es dort Leute gibt, die
unmöglicherweise tatsächlich an etwas anderes glauben und
eben für diesen ihren Glauben sich auch noch erdreisten zu
kämpfen. Daß er selber auch nichts anderes tut, als tagaus
tagein etwas zu glauben – nämlich das, was ihm seine
(staatlichen) Vordenker anempfehlen – macht ihn nicht stutzig. Er
hält es nämlich gar nicht für einen Glauben, sondern
für die einzig senkrechte Wahrheit. Für eine Wahrheit,
für die zu kämpfen und zu sterben, in Ordnung geht.
So pflegt der Staat in seiner demokratischen Form die Dummheit seiner
Gläubigen. Zum Beispiel auch mit einem gesetzlichen Feiertag, dem
Augsburger Friedensfest:
"Für alle politischen Entscheidungen ist der Frieden
wichtiger Bezugspunkt. Hätten wir kein Interesse an Frieden,
könnten wir auf all die politischen Institutionen, Einrichtungen,
Regelungen und auch auf das entsprechende Personal verzichten."
(der Friedens- und Konfliktforscher [AFK, Arbeitsgemeinschaft für
Friedens- und Konfliktforschung] Dr. Weller, im Programm für das
Fest des Augsburger Religionsfriedens, 2012)
Klar, wenn man es so sieht, daß die Gewalt dem Frieden geschuldet
ist und nicht der Frieden, der existiert, wenn er existiert, der
(politischen) Gewalt, dann ist es unmöglich, der Politik seine
Gefolgschaft aufzukündigen. Dann geriert man sich als deren
ideeller Sachwalter, als deren Märchenonkel. Und das wiewohl das
Friedensfest sich alle Mühe gibt, nicht als
Kindergartenveranstaltung zu erscheinen.
Und mit der Argumentationsmethode »was wäre, wenn
nicht« [ja, ja, dann wäre der Mensch dem Menschen ein Wolf!]
arbeitet sich der studierte Weller zielstrebig auf die Essenz seines
Aufsatzes hin:
»So leisten politische Konflikte ihren Beitrag zum Frieden.«
Stringenter läßt sich bis heute, gut 350 Jahre nach Hobbes'
geflügeltem Ausspruch [1651] – fast aufs Jahr gleichzeitg
übrigens mit dem damals erstmalig begangenen Augsburger Feiertag!
[1650] –, Gewalt nicht rechtfertigen!
(08.08.12)
