Werner Raith
Absturz über Ustica

(Elefanten Press, Berlin, 249 Seiten)

Als am 31.1. 2001 ein libyscher Geheimdienstoffizier im Lockerbie-Prozeß auf Betreiben der USA und Großbritanniens hin schuldig gesprochen wurde, schwieg die westliche Öffentlichkeit ausnahmslos zur Vorgeschichte des Falles: Als ob Libyen einfach so aus purer Bosheit, die USA hätten provozieren wollen! - Dafür weiß Gadafi ja längst, daß alles, was dahingehend (miß)verstanden werden könnte, einen zu hohen Preis hat, als daß man es im eigenen Interesse riskieren sollte. Die Vorgeschichte zur Kenntnis nehmen, hieße: Die prinzipielle Feindschaft der USA gegen Gadafi und seinen Staat zu beurteilen. Und angesichts dessen kann Gadafi tun und lassen, was er will, es wird immer gegen ihn ausgelegt. Daß er sich nicht umstandslos in eine US-NATO-Weltordnung einfügt, ist Grund genug für den hinter den USA versammelten freien Westen, ihn zum Abschuß freizugeben.
Damals, 1980, wurde, und damit beginnt das Buch des langjährigen taz-Italien-Redakteurs Werner Raith (1940 - 2001), eine zivile DC-Linienmaschine mit 85 Menschen an Bord über dem Mittelmeer abgeschossen - verwechselt mit dem Flieger, mit dem Gadafi von Warschau zurück nach Libyen unterwegs war. Daraufhin wurde alles von Seiten der USA und der NATO unternommen, den Skandal zu vertuschen. Die Ermittlungen kamen so nur stockend und bruchstückhaft voran, manches war dabei den sich keineswegs immer grünen Standpunkten der NATO-Partner zu verdanken. Die Flugtage von Rammstein kosteten dann zwei Piloten das Leben (neben Dutzenden von Zuschauern) und beerdigten damit den Fall praktisch endgültig. Das war 1988, wenige Monate vor dem Absturz der Boeing 747 über Lockerbie. Werner Raith hat die akribisch recherchierten Bruchstücke in den personellen Rahmen eines Kriminalromans gesetzt und damit einen Beitrag geleistet, Licht auf das feine System von Demokratie und Freiheit und seine weltweiten imperialistischen Ambitionen und Aktionen zu werfen. Die Realität ist immer noch der härteste Krimi, leider.