Helmut Qualtinger

Travnicek und die Wahl

(Travnicek und sein Freund vor einer Plakatwand mit Wahlplakaten.)
Freund: Was, Travnicek, machen Sie nächsten Sonntag?

Travnicek: Das hängt vom Wetter ab. Wann's schön is, fahr i weg, wann's regnet geh i ins Kino...
Freund: Aber Travnicek! Nächsten Sonntag - schauen Sie sich um! Was sehen Sie da?
Travnicek: Plakate - die schau i scho seit vier Wochen nimmer an.
Freund: Das eben, Travnicek, ist der Fehler! Nächsten Sonntag ist der Tag, wo Sie zur Urne schreiten sollen...
Travnicek: Was is da? A Begräbnis?
Freund: Aber! Wo Sie sich entscheiden sollen...
Travnicek: ...ob i wegfahr oder ins Kino geh...
Freund: Nein! Nächsten Sonntag geht der pflichtbewußte Staatsbürger zur Wahl.
Travnicek: Na ja, wann's regnet und er keine Kinokarten kriegt, kann er ja zur Wahl gehen.
Freund: Was, Travnicek, glauben Sie, weswegen Sie zur Wahl gehen?
Travnicek: Weil i an Zettel krieg.
Freund: Nein! Der Politiker braucht den Kontakt mit dem Volke. Durch diesen Zettel erfährt er, was Sie als Wähler von ihm halten.
Travnicek: Des kann i ihm auf'n Zettel aufschreiben?

Freund: Nein, dann ist er ungültig!
Travnicek: Also, was is des für a Kontakt?
Freund: Die abgegebenen Stimmen sagen den Politikern, was das Volk von ihnen hält.
Travnicek: Und das stört sie nicht?
Freund: Travnicek, stellen Sie sich vor, Sie sind Politiker und bekommen 500.000 Stimmen. Was würden Sie denken?
Travnicek: Ich würde mir denken, jetzt kann ich mir endlich eine Luxuslimousine kaufen.
Freund: Aber Travnicek, Sie haben diesen Leuten doch etwas versprochen. Und das müssen Sie jetzt halten.
Travnicek: Warum?
Freund: No, wenn Sie es nicht halten, wird man Sie nicht wieder wählen.
Travnicek: Das macht ja nichts. ich brauch ja nur eine Limousine.
Freund: Aber die Hunderttausende, die Ihnen ihr Vertrauen geschenkt haben!
Travnicek: Gehen'S, die wählen doch nicht zum ersten Mal.
Freund: Travnicek, Sie denken engstirnig! Stellen Sie sich vor, Sie gründen die Travnicek-Partei. Sie führen einen Wahlkampf! So wie die anderen Parteien. Sie stecken Millionen in die Propaganda, so wie die anderen!
Travnicek: Wann i des Geld hab, was sie für Propaganda ausgeben, pack i mei Partei z'samm und fahr an die Riviera.
Freund: Warum grad an die Riviera?
Travnicek: Na, nach Tibet werd i net fahren.
Freund: Sie sind kein Demokrat, Travnicek.
Travnicek: Des hat mir noch niemand gesagt... net amal unterm Hitler.
Freund: Damals war es auch keine Ehre.
Travnicek: und jetzt ist es eine Ehre?
Freund: Natürlich - die höchste Ehre! Sie genießen das freie aktive und passive Wahlrecht.
Travnicek: Das passive is mer lieber.
Freund: Also meinetwegen. Sie wollen sich wählen lassen. Welche Voraussetzungen bringen Sie für den Politiker mit?
Travnicek: Also schauen Sie - schauen Sie: es gibt Leute, die sagen, ich schau dem Kanzler ähnlich. Andere sagen, ich schau dem Vizekanzler ähnlich - also, ich schau aus wie die Koalition.
Freund: Sie stellen sich das so einfach vor. Wer soll Sie wählen?
Travnicek: Das ist natürlich eine Sache des Vertrauens.
Freund: Auf was herauf sollen die Leute Ihnen vertrauen?
Travnicek: Auf was herauf vertrauen's die anderen?
Freund: Na, die haben durch jahrelanges Regieren bewiesen, was sie können.
Travnicek: Na eben.
Freund: Und Sie kennt man ja nicht!
Travnicek: Laß i halt Fotos von mir machen.
Freund: Na ja. Das kostet aber sehr viel Geld. Was machen Sie, wenn Sie die Wahl verlieren?
Travnicek: Bleib i die Fotos schuldig.
Freund: Fotos sind das wenigste... Sie brauchen Ideen! Schauen Sie sich diese Plakate an! Da haben sich die besten Köpfe der Nation nächtelang damit geplagt.
Travnicek: Und das ist dabei herausgekommen?
Freund: Sie müssen die Propaganda nach ihrer Durchschlagskraft beurteilen! Sie brauchen Wahlparolen! Slogans! Was würden Sie für einen Slogan wählen?
Travnicek (nach langem Nachdenken): Parteien haben kurze Bei... nein ... wer einmal wählt ... eine Partei wäscht die an.... Morgenstunde hat Gold im Munde.
Freund: Das heißt doch nichts!
Travnicek: Hat aber Durchschlagskraft!
Freund: Eine Wahlparole muß doch etwas heißen!
Travnicek: Schauen S'Ihnen die anderen an. Die heißen aa nix.
Freund: Travnicek, die Überzeugungskraft eines Plakates kann die Entscheidung in der Wahlschlacht bringen.
Travnicek: Des hab i mir auch schon gedacht. Wenn der Klaus so durch die Straßen geht und a KP-Plakat siecht, wer weiß, was er dann wählt?
Freund: Theoretisch haben Sie recht. Er kann wählen, was er will. Es ist eine absolut freie und geheime Wahl.
Travnicek: I waaß. Jedesmal, wann i in der Wochenschau den Bundespräsident siech, wie er in die Zelle tritt, zitter i, was wird er wählen?
Freund: Bravo, Travnicek! Das ist Anteilnahme im richtigen Geiste!
Travnicek: Ja, aber ans stört mi. Wie kommt man dazu, daß ma am Sonntag kein Alkohol trinken kann?
Freund: Sie müssen ja nicht gerade am Sonntag trinken.
Travnicek: Aber grad an dem Sonntag hab i an Grund dazu.
Freund: Also, Travnicek, was werden Sie am Sonntag tun?
Travnicek (mit plötzlichem Einfall): Jetzt weiß ich's!
Freund: Fahren Sie aufs Land?
Travnicek: Naa!
Freund: Bravo! Gehen Sie ins Kino?
Travnicek: Aa net!
Freund: Ausgezeichnet! Also?
Travnicek: I kauf mir scho am Samstag zwa Liter Wein und sauf mi z'Haus an.
Freund (bestürzt): Na, und was machen Sie dann in der Wahlzelle?
Travnicek: Des is mei Wahlgeheimnis.


(Helmut Qualtinger, 1928 - 1986)