Israel plündert Ressourcen des Westjordanlands
Von Jillian Kestler-D'Amours
Der Versuch der israelischen Menschenrechtsorganisation »Yesh
Din«, einen Gerichtsbeschluß gegen den von Israel seit
Jahrzehnten betriebenen Bergbau im besetzten Westjordanland zu
erwirken, ist vorerst gescheitert. Israels Oberster Gerichtshof wies
die Eingabe zurück.
Jetzt befürchten Menschenrechtsaktivisten und zivile Gruppen, die
Entscheidung werde einer noch umfassenderen Ausplünderung der seit
1967 besetzten Palästinensergebiete Tür und Tor öffnen.
Die israelischen Aktivisten kommentierten den Gerichtsbeschluß
als einen »Freibrief für Israel, im Westjordanland das
Wasser abzupumpen, wertvolle archäologische Funde aus dem
Territorium wegzuschaffen, seinen Müll abzuladen und
öffentliches Land zu verkaufen«. Vor allem die Versorgung
der 2,5 Millionen in Westjordanland lebenden Palästinenser mit dem
lebensnotwendigen Jordanwasser stehe auf dem Spiel.
Israels oberstes Gericht hatte argumentiert, bei langfristiger
Besetzung könnten auch die Rechte der Besatzungsmacht
geändert und erweitert werden. Zudem habe die
Palästinenserbehörde im israelisch-palästinensischen
Interimsabkommen von 1995 in Washington einer Erschließung der
Bodenschätze in der komplett von Israel kontrollierten Region C
des Westjordanlandes zugestimmt.
Diese Vereinbarung sollte eigentlich 1999 ablaufen. Die Richter
betonten, ein Abbruch der Bergbauaktivitäten würde auch den
Palästinensern schaden, die hier im Bergbau beschäftigt
seien*. In der Region C leben nach Schätzungen des UN-Büros
für humanitäre Angelegenheiten (OCHA) etwa 150.000
Palästinenser.
Raub der Lebensgrundlage
"Dieses Gesetz ist gefährlich und verstößt gegen
Menschenrechte. Ein Staat darf den Menschen die lebenswichtige
Ressource Wasser nicht stehlen", sagte der Palästinenser Fathy
Khdirat. Er koordiniert die Initiative »Jordan Valley
Solidarity«, die ein Netzwerk von Basisgruppen aus dem gesamten
Jordantal gegründet hat. Dort kontrolliert Israel den
größten Teil der Wasserressourcen und stellt sie exklusiv
den hier lebenden 9.400 israelischen Siedlern zur Verfügung. Die
Palästinenser sehen nichts von dem Wasser.
Die Siedler verbrauchen pro Kopf jährlich 6,6 Mal soviel Wasser
wie die 56.000 palästinensischen Bewohner des Jordantals. Manchen
Beduinengemeinden sind kaum besser mit Wasser versorgt als die von
Dürre geplagten Menschen in globalen Krisenregionen.
"Die Palästinenser hören, wie das Wasser durch die Leitungen
rauscht, doch trinken dürfen sie es nicht", klagte Khdirat. "Nur
etwa 13 Palästinensergemeinden dürfen dem israelischen
Wasserversorger Mekorot eine begrenzte Menge Wasser abkaufen",
berichtete der Aktivist.
Israels Bergbauaktivitäten im Westjordanland hatten Mitte der 70er
Jahre begonnen. Acht der zehn hier operierenden Unternehmen produzieren
jährlich fast zwölf Millionen Tonnen Abraum, der zu bis zu 94
Prozent in der israelischen Bauindustrie verwendet wird.
Vertreibungsstrategien
In einem im September 2011 veröffentlichten gemeinsamen Bericht
hatten das palästinensische Wirtschaftsministerium und das
Institut für angewandte Forschung in Jerusalem errechnet,
daß die israelische Besatzung die palästinensische
Wirtschaft jährlich 6,9 Milliarden US-Dollar kostet, fast 84,9
Prozent seines gesamten Bruttoinlandsproduktes (BIP).
"Der größte Teil dieser Kosten steht in keinem Zusammenhang
mit Sicherheitsbedenken, sondern mit den massiven Restriktionen, die
die Palästinenser dazu zwingen, sich den Zugang zu ihren eigenen
Ressourcen teuer zu erkaufen", heißt es darin. "Allein für
die von ihnen benötigten Rohstoffe müssen sie jährlich
4,5 Milliarden Dollar ausgeben, das entspricht 56 Prozent des
palästinensischen BIP", stellte der Bericht fest.
Nach Ansicht des Aktivisten Khdirat verfolgt Israel mit der
wirtschaftlichen Strangulierung der Palästinenser nur ein Ziel:
"Sie wollen uns dazu bringen, unser Land zu verlassen", sagte er. "Doch
wir Palästinenser sind trotz aller Einschränkungen und
vielerlei Repressionen immer noch hier. Wohin sonst sollten wir auch
gehen? Wir haben keine Wahl, denn es geht um unsere Existenz."
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* Anm. KoKa: Eine der gängigen Lügen kapitalistischer Ausbeutung.
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Ob die Eröffnung eines Kinos in Ost-Jerusalem mehr als ein
blasser Hoffnungsschimmer sein kann, ist sehr die Frage; derselbe Autor
berichtet darüber:
Die Palästinenser in Ost-Jerusalem können wieder
Filme auf der großen Leinwand sehen: Nach 25 Jahren ist das Kino
»Al Quds« wiedereröffnet worden. Die Betreiber sehen
darin ein Signal für die Wiedergeburt palästinensischer Kunst
und Kultur in der Stadt.
"Wir waren eine Weile vom Rest der Welt abgeschnitten", sagt die
Filmemacherin und Koordinatorin des Kinos, Rima Essa. "Ich versuche nun
viele Filme aus Regionen hierher zu bringen, aus denen wir niemals
gedacht hätten, Filme zu importieren: Iran, Syrien, Libanon. Wir
hoffen, daß die Palästinenser dadurch unterschiedliche
kulturelle Erfahrungen machen", meinte die bekannte Regisseurin.
Das Al-Quds-Kino, das im Yabous-Kulturzentrum untergebracht ist, hat
seine Wiedereröffnung mit dem Festival 'Freedom Films Week'
gefeiert. Gezeigt wurde etwa ein Dutzend Kinoproduktionen, deren
Themenspektrum von den Revolutionen in Tunesien über sexuelle
Belästigung in Ägypten bis zum Alltag der Palästinenser
in Ost-Jerusalem reicht.
"Die Menschen hungern nach solchen Produktionen. Nach der Vorstellung
kommen sie und sprechen mit uns. Viele sieht man jeden Tag wieder",
erzählt Essa, die das Festival kuratiert hat. Sie hofft, daß
das Kulturzentrum alle Palästinenser, die daran vorbeikommen,
neugierig macht.
Zu Beginn der ersten Intifadah geschlossen
Das Al-Quds-Kino wurde in den fünfziger Jahren gebaut und bot
früher bis zu 800 Menschen Platz. Über die Leinwand
flimmerten kommerzielle Filme aus der Region und anderen Teilen der
Welt, bis die israelischen Behörden das Kino 1987 zu Beginn der
ersten palästinensischen Intifadah schlossen.
Die meisten Filmrollen und die übrige Ausstattung, die noch aus
den Anfangsjahren des Kinos stammen, sind mittlerweile durch
Sonneneinstrahlung und Regen zerstört worden. Nur einige wenige
alte Filmdosen und Negativrollen sowie ein Projektor konnten
restauriert werden. Sie sind in der Eingangshalle des Kulturzentrums
ausgestellt. Noch sei der Bau verschiedener Aufführungs- und
Kinosäle in vollem Gang, erklärt Essa, die sich wünscht,
daß das AI-Quds-Kino das von den israelischen Besatzern
geschaffene kulturelle Vakuum füllen kann.
In den meisten Kinos im Westen Jerusalems sei der Eintritt so hoch,
daß ihn sich die Palästinenser nicht leisten könnten,
sagt sie. Eine Karte koste dort umgerechnet zehn US-Dollar. Da die
Palästinenser unter wirtschaftlich schwierigen Bedingungen lebten,
kämen sie mit Kulturereignissen sonst nie in Berührung.
Israelische Behörden schließen palästinensische Organisationen
Essa
kritisiert, daß die Palästinenser von Jerusalem in einem
Belagerungszustand lebten. Menschenrechtsgruppen schätzen, daß die
israelischen Behörden seit August 2001 fast 30 Organisationen, die sich
für die Palästinenser in Jerusalem engagierten, ihre Tätigkeit verboten
haben. Geschlossen wurden unter anderem das Orient-Haus, in dem die
Palästinensische Befreiungsorganisation PLO einst ihren Sitz hatte, die
Handelskammer von Jerusalem und die Gesellschaft für Arabische Studien.
2009
verbot Israel außerdem zahlreiche Kultur- und Bildungsveranstaltungen
von Palästinensern, mit denen Jerusalem in jenem Jahr als »Hauptstadt
der arabischen Kultur« geehrt werden sollte. "Die Israelis versuchen
alles zu schließen, was mit den Palästinensern zu tun hat", sagt Ziad
alHammouri, der Direktor des Jerusalemer Zentrums für soziale und
wirtschaftliche Rechte (JCSER). Die Palästinenser sollten damit aus der
Stadt gedrängt werden. Man wolle erreichen, daß sie sich Jerusalem
nicht zugehörig fühlten, kritisiert er.
Palästinenser beklagen Druck seitens Israel
Die
Schließungen seien im Zusammenhang damit zu sehen, daß
Israel die »Judaisierung« der Stadt vorantreibe und jede
Verbindung der
Palästinenser zu Jerusalem als Drohung darstelle, erklärt
al-Hammouri.
"Es handelt sich um ein demografisches Problem. Sie wollen, daß
(jüdisch-israelische) Siedler den Platz der Palästinenser
einnehmen.
Dadurch sollen die Palästinenser eingeschüchtert werden.
Druck wird
auch dadurch ausgeübt, daß der Abriß von Gebäuden
angeordnet wird und
Personaldokumente eingezogen werden."
Essa sieht die Wiedereröffnung
des Al-Quds Kinos nicht nur als Mittel, um gegen den Einfluß Israels
zu kämpfen. Sie hofft außerdem, daß es junge Menschen zu neuen
Gedanken anregen kann. "Die Kinder sind es nicht gewohnt, ins Kino zu
gehen", sagte sie. "Jetzt kommen sie mit Intellektuellen und
Schriftstellern in Kontakt, von denen sie noch nie gehört haben." Die
Regisseurin will nun auch Workshops organisieren, die Jugendlichen die
Grundlagen des Filmemachens vermitteln, und eventuell eine Filmakademie
gründen.
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Ungekürzte Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von ips-Weltblick. Sie ist von der Ausgabe vom 27.02.2012 übernommen.
