Die (Selbst)Täuschungen der Ostermarschierer und Friedensbewegten

Jedes Jahr dasselbe Lied:

"Vor 50 Jahren fanden die ersten Ostermärsche in Deutschland statt. Damals stand die Abschaffung und Ächtung der Atomwaffen im Mittelpunkt der Proteste. Das ist bis heute ein zentrales Thema der Ostermärsche geblieben. Die etablierten Atommächte USA, Rußland, China, England und Frankreich verfügen immer noch über ausreichend viele dieser Waffen, um alles Leben auf der Erde mehrfach auszulöschen. Und sie ignorieren weiterhin die Verpflichtung aus dem Atomwaffensperrvertrag, ihr Atomwaffenarsenal zu beseitigen. Auch der US-Präsident und Friedensnobelpreisträger Obama hat bisher seinen Ankündigungen, für eine atomare Abrüstung einzutreten, wenig Greifbares folgen lassen. Mit Israel, Indien, Pakistan und Nord-Korea sind im Laufe der Zeit weitere Atomstaaten hinzu gekommen. 2010 ist ein besonderes Jahr, denn im Mai findet in New York die 7. Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages statt." (alle Zitate - wie im Originaltext genau so fortlaufend: Ostermarschaufruf der Augsburger Friedensinitiative)

Könnte man sich nach 50 Jahren nicht einmal fragen, warum das Thema dasselbe geblieben ist? Nicht daß Widerstand falsch gewesen wäre, aber vielleicht war die Art des Widerstandes falsch? Vielleicht hat man einen Widerstand geführt, der richtiger Argumente entbehrt hat? Z.B. Wie realistisch ist es, seine (schon enttäuschten?) Hoffnungen ausgerechnet auf den Vorsteher der größten Militärmacht der Welt zu setzen? Ja, die Vermutung, es fehle an Argumenten bzw. die Argumente der Friedensbewegung taugen nicht viel, bestätigt sich, wenn man weiterliest:

"Gemeinsam mit der weltweiten Friedensbewegung rufen wir die Konferenz-Staaten auf, endlich konkrete Schritte zum Abbau der Atomwaffen zu unternehmen. Auch die deutsche Regierung muß ihren Teil dazu beitragen und von den USA den Abzug ihrer Atombomben aus Büchel fordern. Und sie sollte sich der Forderung der Bürgermeister-Initiative Mayors for Peace anschließen, der auch die Stadt Augsburg angehört. Diese vom Bürgermeister von Hiroshima gegründete Initiative fordert die Abschaffung aller Atomwaffen bis zum Jahr 2020.
Wir lehnen auch die zivile Nutzung der Atomenergie wegen des damit verbundenen Gefahrenpotentials und des ungelösten Entsorgungsproblems ab. Dennoch verurteilen wir die Kriegsdrohungen gegen den Iran und fordern stattdessen die Einrichtung einer atomwaffenfreien Zone im Nahen Osten unter Einbeziehung Israels."

Ist es nicht geradezu absurd, auf die Staaten zu setzen, die an ihren Atomwaffenarsenal nicht rütteln wollen, sondern allein andere zur Abrüstung bewegen wollen?
Kann man der Bürgermeisterinitiative einen Willen zum Widerstand entnehmen? Das ist doch mehr als lächerlich! Staatliche Gewaltmonopole lassen sich doch nicht im Ernst davon beeindrucken: Sie akzeptieren (und schmücken sich mitunter damit!) solcherlei Appelle als Gütesiegel ihrer Freiheiten, eine davon ist die Freiheit zu vorsätzlicher Untertanenverarschung.
Verwunderlich ist es schon ein wenig, daß die Friedensinitiative sich gegen die antiiranischen Kriegsdrohungen stellt, angesichts dessen, daß der freien Westen ihn als Teufel schlechthin in die Ecke stellt. Da könnte ihr wirklich auffallen, daß der freie Westen die Moral für sich gepachtet hat, daß es also nichts nützt, ausgerechnet ihm Vorwürfe moralischer Art zu machen. Also vom wem fordert die Friedensinitiative die atomwaffenfreie Zone im Nahen Osten? Doch wohl nicht von Obama? Von der Bundeskanzlerin etwa??? Oder gar vom Zusammenschluß aller Nationen, der UN (die genau so viel wert sind, wie sie von den USA und ihren Verbündeten für ihre Zwecke benutzt werden können)?

"Auch der Krieg in Afghanistan steht 2010 weiterhin auf der Tagesordnung. Dieser Krieg fordert immer mehr Opfer, die Wirtschaft liegt danieder, die Bevölkerung verarmt immer weiter. Gleichzeitig hat der Bundeswehreinsatz bislang mehr als vier Milliarden Euro gekostet.
Die Bundeswehr führt in Afghanistan einen Krieg, der trotz aller offiziellen Retorik mit Menschenrechten und Demokratie nicht zu tun hat. Die militärische Logik dieses Krieges ist mit dem Bombenangriff von Kundus deutlich geworden. Dieses Vorgehen ist mit unserem Grundgesetz nicht vereinbar. Obwohl Zweidrittel der Bevölkerung unseres Landes gegen den Krieg in Afghanistan sind, hat die Mehrheit der Abgeordneten des Deutschen Bundestages immer wieder den Kriegseinsätzen zugestimmt. Mit militärischen Mitteln ist auch dieser Konflikt nicht zu lösen. In Afghanistan ist die Anwesenheit von US- und NATO-Truppen das Hauptproblem und verhindert einen zivilen Aufbau. Eine dauerhafte Lösung kann nur durch den baldigen Abzug aller ausländischen Truppen und mit Unterstützung der afghanischen Nachbarstaaten erzielt werden."

Wieso soll der AfghanistanKrieg nichts mit Demokratie und Menschenrechten zu tun haben? Jetzt ist es doch gerade das Ziel der NATO, Afghanistan mit Demokratie und Menschenrechten zu beglücken. Und das ist keine Retorik. Das widerspricht nicht dem Einsatz von Gewaltmitteln, sondern nur mit Gewalt lassen sich diese - zunächst noch ideellen - Errungenschaften dort einpflanzen. Einmal eingepflanzt, sind sie dann praktische Politik, mit einer Verfassung, die sich auf Menschenrechte stützt, mit Wahlen, Parlament etc., genau wie in "unserem" Land [ist das kein Staat?]. Es liegt der Verdacht nahe, daß die Friedensinitiative ihre gute, sehr idealistische Haltung in dieser Hinsicht nicht aufgeben will, weil sie partout keinen Widerstand leisten möchte. Sie spechtet auch noch auf die Sesselpupser im Parlament, als könnten die etwas anderes wollen, als den Aufstieg Deutschlands, auch in militärischer Hinsicht und mit einem neuen, militärisch gewonnenen Einfluß. Man muß der Friedensinitiative einfach widersprechen: Krieg ist sehr wohl mit dem Grundgesetz vereinbar: Das Grundgesetz stützt sich auf Gewalt und legitimiert sie. Das Grundgesetz ist doch kein im luftleeren Raum schwebendes Pamflet einiger filosofischer Spinner!
Doch offenbar hält die Friedensbewegung an dieser Fehleinschätzung nach 50 Jahren immer noch unverbesserlich fest, genauso unverbesserlich wie die Staaten ihre Gewaltmonopole voranbringen. Von Voranbringen kann bei der Sache der Friedensbewegung nun leider überhaupt nicht die Rede sein. 


"Militarisierung Europas stoppen!
Durch das Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages sind nun auch die militärischen Vorgaben verbindlich. Der Vertrag enthält die Verpflichtung der Mitgliedsstaaten zur Aufrüstung und schafft die Voraussetzungen für weltweite Militärinterventionen. Wir fordern die EU-Staaten auf, die entsprechenden Bestimmungen nicht umzusetzen, sondern stattdessen eine vernünftige Sozialpolitik mit dem Ziel des Aufbaus eines friedlichen und sozialen Europa zu betreiben."

Was soll es bringen, wenn man die politischen Fortschritte des EU-Imperialismus als Missetaten einsortiert und die EU-Staaten auffordert, aus nationalem Eigeninteresse die Vorgaben - die ja verbindlich (wie von der Friedeninitiative auch noch selber bemerkt) und von allen unterschrieben worden sind - nicht umzusetzen? Absurd!
Die Friedensbewegung will offenbar noch nicht einmal wahrhaben, obschon sie vorgibt, den Lissabon-Verrtag zu kennen, was eine "vernünftige Sozialpolitik" ist und wie sie aussieht. Die Vernunft gehorcht nämlich auf Grundlage der gewaltsamen Aufrechterhaltung der kapitalistischen Verhältnisse allein dem gesellschaftlichen Zweck, der Mehrung des Reichtums in seiner abstrakten Form, Geld. Da ist bekanntlich jeder Euro für einen Hartz-IVler zuviel.

"Seit Jahren rangiert Deutschland weltweit unter den Top 5 der Waffenexporteure. Panzer, Kampfflugzeuge oder Kriegsschiffe, Gewehre und Munition wurden ganz legal an kriegführende Nato-Staaten und an menschenrechtsverletzende Länder geliefert. Die Bundesregierung bricht damit ihre eigenen Politischen Grundsätze zum Rüstungsexport. Vor allem der Export von Kleinwaffen und die nahezu unkontrollierte Vergabe von Produktionslizenzen sind eine Beihilfe zum Völkermord. Laut Schätzungen des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes sterben rund 95 Prozent aller Gewaltopfer durch so genannte 'Kleinwaffen', also Gewehre, Pistolen, Mörser und Minen. Wir fordern das Ende der deutschen Waffenexporte. Steigt Deutschland aus diesem Geschäft mit dem Tod aus, so kann dies eine positive Signalwirkung für andere rüstungsexportierende Staaten haben. Und mit dem Geld, das für staatliche Subventionen an die deutsche Rüstungsindustrie ausgegeben wird, könnten ungleich mehr sinnvolle Arbeitsplätze im Zivilbereich geschaffen werden."

Warum fragt man sich nicht, warum der deutsche Staat (angeblich) seinen eigenen politischen Grundsätze bricht? Vielleicht sind die gar nicht darauf abgestellt, einen Waffenexport zu verhindern? Verhindert werden soll ja nur der Export, bei dem befürchtet werden muß, daß er in falsche, also feindliche Hände gelangen könnte. Warum zum Teufel versucht die Friedensinitiative nicht zu begreifen, was Ihr Gegner wirklich will, und zwar mit seinen Grundsätzen in Verbindung zu seiner praktischen Politik? Stattdessen stellt sie sich hin wie ein Volltrottel und ruft aus: "Das darf doch alles nicht wahr sein!" Ist es aber.

"Selbst aktiv werden!
Gerade angesichts der Auswirkungen der internationalen Finanzkrise kann es nicht angehen, daß Milliarden von Euro für die Rüstung und die Führung von Kriegen verschleudert werden – Geld mit dem sich in den armen Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas Bildungs- und Gesundheitsprogramme finanzieren ließen. Abrüstung, Frieden und sozialer Fortschritt können nur durch außerparlamentarische Bewegung und gesellschaftliche Aufklärung errungen werden. Hier müssen auch Sie selbst als Bürgerin oder Bürger aktiv werden! Beteiligen Sie sich an der Osteraktion, arbeiten Sie bei Friedensinitiativen oder Gruppen mit, die sich für soziale Gerechtigkeit und ein faires Weltwirtschaftssystem einsetzen."

Ihr wollt also nicht einmal das nationale Untertanenbewußtsein von Herr & Frau Bürger angreifen? Ihr denkt, daß die ungefähr so blöd sind: Sie könnten, gewissensdußlig wie ihr, auch mal was für ihre eigene Moral tun? Ja, für die armen Negerlein spenden, das werden sie - weil es die Politik ja nicht tut - schon auch mal machen: Damit alles so bleibt, wie es ist.
Und jetzt ratet mal, warum
Kommunikation & Kaffee Augsburg sich Eurer Initiative im Gegensatz zu attac Augsburg. Augsburger Montagsdemo, Deutsche Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), Die Linke Augsburg, Die GRÜNEN Augsburg, Forum solidarisches und friedliches Augsburg, MLPD und Rebell, pax christi Augsburg, VVN/BdA, Werkstatt Solidarische Welt und Weltladen Augsburg nicht angeschlossen hat?
Richtig, wir halten euren "Widerstand" für keinen Widerstand, schon gleich für keinen, den Staat & Kapital verdient hätten. Im Gegenteil, Ihr versucht - ziemlich überflüssigerweise - die Fassade der Demokratie zu wahren, obschon Ihr der inhaltlich nichts abgewinnen könnt. Deshalb plädieren wir schwer dafür, auch die Fassade einzureißen. Dafür bieten wir Mitmachgelegenheit und zwar nicht nur an Ostern und sonstigen "Widerstands"feiertagen.
(05.04.10)