1. Die Finanzkrise hat auf die "Realwirtschaft" übergegriffen.
Unsere Autobauer sind die ersten Opfer. Und unserem
Traditionsunternehmen Opel droht die Pleite und damit zehntausenden
Beschäftigten mit ihren Arbeitsplätzen das Ende. Da ist eine
gute deutsche Wirtschaft in Not, das ist klar. Fragt sich allerdings:
Was zeichnet eine "Realwirtschaft" aus, die mit lauter Finanz- und
Marktsorgen, mit Liquiditätsnöten, Aktienverfall und
Absatzproblemen zu kämpfen hat - produktiv und spekulativ? Wie
haben sich Unternehmen wie GM & Opel in die Krise gewirtschaftet,
und wie sollen sie wieder aus der herauskommen?
2.
Hier droht ein "deutsches Traditionsunternehmen" zum Opfer der
Sanierung des amerikanischen Mutterkonzerns zu werden, so die
einhellige Meinung. Das ist klar: Opel darf nicht mit GM untergehen,
und schon gar nicht darf GM zu Lasten von Opel überleben. Da wird
also ein weltweit agierendes Unternehmen, eins dieser hoch gelobten
Subjekte der Globalisierung wie selbstverständlich auseinander
dividiert. Warum und wie stehen Mutter und Tochter, bis neulich
geschäftlich geeint, jetzt, wo es um Bewältigung der Krise
geht, eigentlich gegeneinander?
3.
Rettung von Opel tut Not, da ist man sich von der Kanzlerin bis zum
letzten Opel-Arbeiter einig. Hier gilt es eine nationale
"Schlüsselindustrie" zu bewahren. Und das geht jetzt nicht ohne
Staat. Warum gestaltet sich die Erhaltung von "Automobilstandorten",
von denen ganze Regionen leben, eigentlich so schwierig, wenn sich oben
wie unten einig sind, daß hier die "industrielle Basis" unseres
Landes und alles, was daran hängt, auf dem Spiel steht? Da ist
offensichtlich mehr verlangt als mit staatlicher Unterstützung
sicherzustellen, daß Opel flotte Autos baut. Deshalb ziehen sie
gleich selber jeden Rettungsantrag wieder in Zweifel. Da ringen
Politiker um einen ökonomischen Besitzstand eigener Art:
Privatreichtum, Kapital mit seinen Leistungen für den Reichtum der
Nation, wird zum Problemfall nationaler Standortpolitik.
4.
Zum Problem wird dabei schon gleich dessen Internationalisierung. Opel
muß von GM getrennt werden! Aber wie kriegt man das hin, wo es
doch GM gehört? Und wie soll Opel dann lebensfähig sein? Wie
kann man es lebensfähig machen? So fragen die, die GM schon ideell
zerschlagen und Opel als ein eigenständiges Unternehmen für
"uns" mit Beschlag belegt haben; die bei lebensfähig auf jeden
Fall "deutsch-europäisch" denken. Da stehen also Eigentumsfragen
der höchsten Güteklasse auf dem Spiel und gegeneinander.
Jetzt kämpfen die politischen Fans des globalisierten
Geschäftsverkehrs um "nationale Standortrettung". Zugleich
beanspruchen sie als "Exportweltmeister" Erfolge auf den
internationalen Märkten und streiten darum, was und wie am besten
Opel zu all dem beitragen kann.
5.
Die Opel-Rettung geht nicht ohne, aber auch nicht einfach mit den USA!
Das ist allen klar. Deutsche Politiker reisen in die USA und verhandeln
mit GM und Obama. Politiker, die gleichzeitig verlauten lassen: "Keine
deutschen Steuergelder für marode US-Unternehmen!" "Keine
Standortschließung in Deutschland!"; die GM und USA für
diesen Fall mit "ernsten Schwierigkeiten" drohen. Von einer
einvernehmlichen Suche nach gemeinsamen "Lösungen" ist da wenig zu
sehen, aber viel an nationalem Leiden über die Machtlosigkeit der
deutschen Politik. Da wissen Politiker also, daß ihre
ökonomische wie politische Macht gefragt ist. Denn, so wird
verkündet, es geht darum, daß "wir gestärkt aus der
Krise herauskommen". Die Krise ist gerade in vollem Gange - und
deutsche Politiker geben ungerührt zu Protokoll, daß sie in
der Krise und durch sie in der Konkurrenz der Nationen entscheidend
gegen andere voranzukommen gewillt sind.
6.
Die deutschen Staatsagenten stellen also klar, an was sie alles denken,
wenn sie sich im Namen der Erhaltung von Arbeitsplätzen in der
Krise für das Überleben der notleidenden Automobilindustrie
im allgemeinen und von Opel im besonderen einsetzen - mit
Abwrackprämien oder auch staatlichen Kreditgarantien und
Liquiditätshilfen, vor allem aber mit dem Gewicht der Nation.
Prompt erfahren sie fordernden Zuspruch von Seiten der Gewerkschaft.
Der Opel-Betriebsrat entwirft ein Rettungsmodell: Trennung von GM!
Staatshilfe für einen deutsch-europäischen Autokonzern mit
Zukunft im Wettbewerb! Der Staat stellt Kredit, Betriebsrat und
Gewerkschaft organisieren die notwendigen Lohneinschnitte und Opfer der
Belegschaften - alles im Dienste eines nationalen Unternehmens Opel und
eines deutschen Automobilstandorts, der sich in der Konkurrenz
durchsetzt: Das ist die Perspektive, für die Belegschafts- und
Arbeitervertretung bei Politik und Management vorstellig werden. Das
ist die letzte Weisheit des gewerkschaftlichen Einsatzes für
"Beschäftigung".
7.
"Wir können nichts anderes machen, als gute Arbeit abliefern und
hoffen", äußern Opel-Arbeiter beim Merkel-Besuch. So mag man
sie - als nationale Manövriermasse der Krisenkonkurrenz!
