I. Gegen die moralische Parteilichkeit in Kriegsdingen
1. Solche und solche Opfer
a) Papst Ratzingers beste Friedenswünsche für den Nahen Osten
haben mal wieder nichts geholfen, sie hatten letztes Jahr sogar ein
besonders kurzes Verfallsdatum: Kaum ein paar Stunden nach des Papstes
Weihnachtsbotschaft hat Israel mit schweren Luftangriffen auf Gaza
begonnen, um, wie es heißt, die Raketenangriffe der Hamas auf
Israel zu beenden. Inzwischen ist die israelische Bodenoffensive
dazugekommen. Der ganze Gaza-Streifen ist für Leute und
Hilfsgüter komplett abgeriegelt, bis jetzt wurden über 800
Tote gezählt. Ihr kennt die Fakten; die gibt es jeden Tag in
Presse und Fernsehen ausgebreitet.
b) Was kann man vernünftigerweise über Kriege wie diesen
vermelden? Das Geschehen selber braucht man nicht weiter auszumalen -
dass im Krieg Blut fließt und Tote anfallen, das weiß
jeder; und dafür muss man wirklich nicht erst einen leibhaftigen
Krieg miterlebt haben, um Kriegshandlungen nicht mit Deckchenstricken
oder einem Picknick im Freien zu verwechseln.
Und für die feinen Unterscheidungen, die an den Kriegshandlungen getroffen zu werden pflegen, nämlich
- welche der anfallenden Opfer unschuldig sind und welche nicht
(Babies, Kinder und Frauen versus ausgewachsene männliche
Kombattanten, die anscheinend natürliches Kanonenfutter sind);
oder welche Waffen schlecht und zu ächten sind, dafür andere
gut und erlaubt (siehe z.B. FR vom
7.1.: Granaten mit weißem Fosfor, wie sie von Israel verwendet
werden, sind "hochgiftig", während sie längst "bei der
Bundeswehr durch roten, nichttoxischen Fosfor ersetzt wurden") –
für solche feinen Unterscheidungen also gibt es in der
bürgerlichen Welt eine ganze Menge von selbsternannten wie von
bestallten Advokaten. Dann sollte man solcherlei moralisch hoch
angesehene Zynismen aber auch den dafür zuständigen Adressen
überlassen. Die NGOs à la Human Rights Watch
machen das aus Berufung, noch mitten im Kugelhagel die Grenzen der
Menschenwürde zu ermitteln; bei Herrschaften wie Ban Ki Moon oder
Walter Steinmeier ist es gleich der Beruf: das Geltendmachen solcher
Unterscheidungen nämlich ein diplomatisches Handwerkszeug, um
für ihren jeweiligen Laden Einfluß auf das Kriegsgeschehen
zu gewinnen.
Diese Sorte Taxierung von Kriegen nach Graden ihrer Erlaubtheit ist wie
eine Ablenkung von der Beurteilung dessen, was an Kriegen das
Interessante ist. Schlauer wird man mit solchen Distinktionen ganz
sicher nicht bei der Beantwortung der Frage, was den Zweck von Kriegen
angeht, warum sie also von den politischen Herren des Kriegsgeschehens
(mittlerweile mischen auch viele Damen mit) als Mittel ihrer
Staatsräson befohlen werden.
2. Feindliche Gewalt böse, eigene Gewalt klasse
a) Der Räson eines Staates, die sich mit dem Einsatz organisierter
Militanz vorstellig macht, auf den Grund zu gehen, ist ganz entschieden
nicht die Sache unserer Öffentlichkeit. Vielmehr nimmt jeder, der
sich mit dem Krieg befaßt, sogleich Partei für die eine oder
andere Seite. Keiner ist für Krieg, aber jeder ergreift gleich
für eine der Krieg führenden Seiten Partei. In keinem Fall
begründet sich die Parteilichkeit aus der Heftigkeit der
Gräueltaten (also aus den in der vorhergehenden Rubrik behandelten
Anleitungen fürs moralische Sortieren von Kriegshandlungen). Wenn
es danach ginge, dann müßte man ja glatt sagen: die Hamas
ist militärisch so ineffektiv, daß schon jede einzelne
Brigade Israels ihr mit ihrer Ausstattung überlegen ist. Nein, die
Parteilichkeit für die eine oder andere Seite steht schon vor dem
Krieg fest. Sie ergibt sich aus einer Parteilichkeit, die ganz jenseits
dessen feststeht, was die eine oder andere Seite an kriegerischen Taten
anrichtet.
b) Beispiele aus der Etage der Politik, die im Konzert der
Öffentlichkeit wie immer die Tonlage vorgibt: Steinmeier: Man
dürfe bei der Bewertung dieses Krieges "Ursache und Wirkung" nicht
durcheinander bringen, und Ursache sei der Raketenbeschuß Israels
durch die Hamas nach Auslaufen des Waffenstillstandes. Und deshalb
trägt für Merkel "ohne jeden Zweifel die Hamas die alleinige
Verantwortung" dafür, daß Israel den Gaza bombardiert.
Israels Taten dort "sind keine offensiven, sondern defensive Aktionen"
(die neue tschechische EU-Präsidentschaft in ihrer ersten
Stellungnahme, die später ein Stück weit relativiert wurde).
In denselben Zeitungen, die so was auf S.1 melden, sind weiter unten
auch palästinensische Stimmen mit genau umgekehrter
Stoßrichtung wiedergegeben; die z.B. in Erinnerung rufen,
daß Israel während der Zeit der Waffenruhe mehrmals
Palästinenser-Stellungen im Gaza angegriffen hat und nicht an die
Aufhebung seiner Komplett-Blockade Gazas denkt, die die Hamas als
Gegenleistung fürs Einstellen des Beschusses von Süd-Israel
verlangt hat.
c) Letzteres ist Steinmeier, Merkel & solchen bestens informierten
Kreisen selbstverständlich bekannt; es zählt für ihr
politisches Kalkül bloß nichts. Auf diese Kalküle der
Polit-Profis aus Berlin etc. kommen wir weiter unten noch zu sprechen;
verkauft werden sie von ganz oben mit dem Gestus einer moralisch
wohlbegründeten Parteilichkeit für Israel und sein "Recht auf
Selbstverteidigung".
Und damit kommen die Meinungsführer von oben beim deutschen
Publikum durchaus an. Das ergeht sich in Erwägungen, bisweilen
auch in bitterlichen Kontroversen: darüber, ob von Israels "Recht
auf Selbstverteidigung" oder vom palästinensischen "Recht auf
einen eigenen autonomen Staat" – was ausgeht? Die bessere
Rechtfertigung für ganz gerechte Gewalt!
Genau darauf läuft nämlich das moralische Rechten beider in
Nahost agierender Parteien und ihrer hiesigen Parteigänger immer
hinaus: nicht aufs Verwerfen von organisierter Militanz, sondern auf
deren Feiern. Den Auftakt bildet die heiße Frage "Wer hat
angefangen?". Mal abgesehen davon, daß beim Krieg unter Staaten
womöglich doch etwas andere Interessen am Werk sind als bei einer
Schulhofrauferei – die Antwort auf die Frage, wer angefangen hat,
hängt allein davon ab, wie weit man zeitlich zurückgehen mag,
um auf eine der Schandtaten zu deuten, die der jeweilige Gegner ja
tatsächlich angestellt hat. Daran, daß die eine Seite ihre
Gewalt immer mit der der anderen Seite rechtfertigt, sollte einem
unserer Auffassung nach folgendes auffallen:
Am Anfang ist unterstellt, daß Krieg Scheiße ist –
die Fortsetzung heißt aber: nur der Krieg der anderen Seite, der
eigene ist klasse! Schon eigenartig: Statt daß sich angesichts
von zweien, die Krieg machen, die Abneigung gegen Krieg akkumulieren
würde, akkumuliert sich die Schlechtigkeit von Krieg beim Gegner =
die Güteklasse von Krieg bei einem selber! Logisch ist das nicht
– aber in moralischer Denkungsart ist dieses intime
Verhältnis zur Gewalt der eigenen Seite offenbar das
Allernormalste. Mit ihrer Parteinahme für gerechte Gewalt im Kreuz
sind die Moralisten der Sache Israels, aber auch die der
Palästinenser-Sache dann die selbstgerechtesten Typen von der Welt.
3. Kriege schärfen die moralische Parteilichkeit
a) Warum werden Opfer sortiert und Verletzte
gezählt und gegeneinander aufgerechnet? Was ist das für eine
Abwägung? – Es ist Munition für ein falsches Argument:
An der Gemeinheit des Krieges sieht man, wer Recht hat. Parteilichkeit
wird eingefordert, als wäre dies die einzig senkrechte Einstellung
zu einem Krieg. Weil es beim Krieg ums Ganz geht, am Ende um Sein oder
Nichtsein von Staaten, sind Kriege die Gelegenheit, immer wieder auf
eine Parteinahme hinzuführen. Deshalb wird viel Mühe darauf
verwendet, diese Parteilichkeit zu bebildern. (Hübsche
Spitzenleistung auf dem Feld: Israels Ministerpräsident Olmert
laut FAZ vom 27.12.08: "Ich
denke an die Zehntausende Kinder und Unschuldige, die als Ergebnis der
Hamas-Aktivitäten gefährdet werden." Israels Chef hat einfach
alles auf seiner Seite, was moralisch richtig, schön und gut ist:
natürlich Israels Recht auf Selbstbehauptung, aber auch noch den
Bonus des Kinderfreunds mit seiner Sorge um die Opfer, die man der
Hamas zur Last legen muß – nicht etwa den israelischen
Kriegsherren, die im "dicht besiedeldsten Gebiet der Welt"
natürlich keine Rücksicht auf Kindergärten und Schulen
nehmen können, wenn die an ein Hamas-Waffenlager angrenzen.)
Die Parteinahme wirft das rechte Licht auf die Gräuel. Nie ist das
Ideologische der Parteinahme also so offensichtlich wie bei einem Krieg.
b) Das ist unsachlich. Entschieden wird nicht nach irgendeinem
Gesetzbuch, nicht nach einem internationalen Gerichtshof, sondern nach
der Parteilichkeit der Nationen - und gemäß der Machtmittel,
die Nationen aufbieten können. Dafür ist Israel wieder das
beste Beispiel: Wenn denn schon mal irgendwelche "völkerrechtlich
bindenden" UN-Resolutionen oder so Zeug mal nicht vorab vom Veto der
USA blockiert werden, behält Israel es sich allemal vor zu
entscheiden, ob das für Israel irgend etwas bedeutet – und
gar nicht so selten setzt es sich ganz demonstrativ über
UN-Wünsche und Beschlüsse hinweg. Das soll den einen oder
anderen Anhänger von Völkerrecht und Menschenrechten vor Ort
schon zur Verzweiflung getrieben haben. Zuträglicher wäre es,
daraus ganz nüchtern den passenden Schluß zu ziehen:
daß moralische Grundsätze und internationale
Rechtsprinzipien nicht etwa die Bremse, sondern die berechnend
gehandhabten Instrumente moderner Staaten und deren Macht darstellen.
4. Krieg – ein Dienst am Volk?
a) Wir können den Parteien, die Staat machen wollen, und den
daraus folgenden Brutalitäten inklusive Krieg nichts abgewinnen.
Das wird auch nicht dadurch anders, daß die Leute, die einem
Staat angehören, diesen als ihre Heimat betrachten (virulent
gerade am Schauplatz Nahost, wo der eine Staat sich darauf beruft,
seinem Volk eine bitter nötige "Heimstatt" zu verschaffen, und die
andere Partei darauf deutet, daß sie genau damit ohne Schuld um
ihre Heimstatt gebracht wurde, also wieder eine braucht). Die Wahrheit
ist, daß die Insassen dieses Staates bzw. dieses
Möchtegern-Staates gnadenlos für die jeweilige
Selbstbehauptung ihrer Nation eingespannt werden – sei's als
mörderische High-Tech-Kampfmaschine oder als
Selbstmordattentäter; sei's
als jüdischer Siedler-Vorposten mit Aussicht auf
Kassam-Zufallstreffer oder als palästinensischer
"Kollateralschaden" aus einer lasergelenkten Bombe. Das ist doch
schlimm genug, daß die Angehörigen von Nationen von ihrer
Herrschaft instrumentalisiert werden - und daß sie sich
instrumentalisieren lassen!
b) Von dem Gesichtspunkt, der Krieg sei doch immer
auch irgendwie eine Fürsorge für die Leute ("Schutz vor
feindlichem Beschuß"), muß man sich also lösen. Die
Wahrheit ist nämlich, daß der Krieg die Identität von
Volk und Staatsgewalt praktisch herstellt: Im Krieg stellt die
Herrschaft schließlich eine Situation her, wo der Soldat gar
nicht umhin kann, als zum Schutz des eigenen Lebens Seinesgleichen auf
der feindlichen Seite das Lebenslicht auszublasen – also
unter Einsatz des eigenen Lebens etwas für den Sieg des eigenen
Staats über den feindlichen Staat zu tun. Und da soll man es dem
Staat noch danken, wenn erst eine Kriegsfront aufmacht und dann so gut
ist, ein Lazarettschiff hinterherzuschicken - das die Verwundeten,
wenn's geht, wieder fronttauglich zusammenflickt?!
c) Fazit aus Punkt I:
Auch in Fragen von Krieg und Frieden heben die Moralismen sich
gegenseitig auf; mit ihnen kann man alles begründen und alles
verwerfen. Moralisches Denken erklärt nichts, sondern ist nur
dafür gut, eigene Opfer als Rechtstitel für eigene ganz
gerechte Gewalt anzuführen. In dieser Verwendungsweise – als
Berufungstitel für eigene Absichten – ist das moralische
Argumentieren folgerichtig auch bei den Urhebern von Kriegen und
Konflikten äußerst beliebt: Es soll die eigenen Interessen
zum unwidersprechlichen, keinen Kompromissen zugänglichen Recht
adeln.
Um den Fallen des moralischen Denkens zu entgehen, muß man es
also schon hinter sich lassen und sich mit diesen Interessen und
Staatsprogrammen befassen, wenn man sich Kriege, ihren Verlauf und ihre
Gründe klarmachen will.
II. Israels Staatsprogramm
1. Eine Staatsgründung des modernen Typs
Israels Staatsideologie vom tapferen kleinen Siedlervolk, das in einem
Meer von Feinden seine Heimstatt behaupten, d.h. die Sicherheit seiner
Staatsgründung garantieren muß, liefert sogar noch einen
sachdienlichen Hinweis. Die moralische Rechtfertigung mal abgezogen,
sind daraus Aufschlüsse zu entnehmen darüber, wie Israel
seine Staatsräson definiert: Das Projekt einer Staatsgründung
in einer imperialistisch eingerichteten Welt ist eine Gewaltaffäre
höchster Güteklasse; und zwar nicht eine einmalige, sondern
dauerhafte Gewaltaffäre, die man gewinnen muß. Der Reihe
nach: Die jüdische Staatsgründung, deren 60.Jahrestag gerade
letztes Jahr sehr pompös mit massig Militärparaden begangen
wurde, passiert ja nicht bloß nicht auf herrenlosem und
unbevölkertem Land, sondern in einer kompletten staatlichen
Umwelt, die wiefolgt zu kennzeichnen ist: Der Globus ist längst
vollgepflastert mit modernen Staatswesen und solchen, die es werden
wollen; d.h. mit Staaten, die jeweils für sich das Gewaltmonopol
über ein Stück Globus und ein Volk darin ausüben; die
dieses Volk nach den Rechnungsweisen der Geldvermehrung ökonomisch
benutzen und darüber in Verkehr mit andern Staaten treten wollen;
Staaten, denen sonnenklar ist, daß sie die Konkurrenz mit
ihresgleichen nur bestehen, wenn sie sich einen gediegenen
militärischen Gewaltapparat zulegen, die also um die –
mindestens in ihrer Region – Macht zur Aufsicht über ihre
Nachbarschaft ringen.
b) In eine solche politische Landschaft hinein erfolgt die
jüdische Staatsgründung. Die ist konsequenterweise selber
schon ein Gewaltakt beachtlichen Ausmaßes. Und bleibt es, weil
die Staatsgründer sich Feinde schaffen. Zum einen nämlich
vertriebene Ex-Ansässige (der Gaza-Streifen z.B. hat deshalb die
Karriere zum "dicht besiedeldsten Gebiet der Welt" zurückgelegt,
weil 80% seiner heutigen Bewohner Flüchtlinge aus der Zone sind,
die heute den Süden Israels bildet). Und zum anderen gibt es durch
Israels Gründung in ihrer Macht und ihren Rechten beschnittene
staatliche Nachbarn, die nach Rückgängigmachen ihrer
Niederlage streben.
2. Eine herzliche Allianz mit der Weltmacht
a) Also ist von Beginn des Staats-Projekts Israel an vollkommen klar:
Wenn sich die Staatsgründung Feinde schafft, dann brauchen die
Staatsgründer auch Freunde, je mächtigere, desto besser. Also
Staaten, die für ihre weltmächtigen Interessen an Israels
Projekt etwas Brauchbares finden und sich mit ihren überlegenen
Machtmitteln für Israels Erfolg stark machen.
b) Genau das ist seit über einem halben
Jahrhundert bei der Beziehungskiste zwischen Israel und den USA der
Fall. Deren Gehalt geht so: Zunächst wurde Israel als Frontstaat
gegen arabische Staaten und vor allem deren Bündeleien mit dem
US-Hauptfeind Sowjetunion aus- und aufgerüstet; und es hat sich in
diversen Kriegen als Domestizierer arabischer Machtambitionen
bewährt. Die sollten durch diverse Blitzkriege lernen, daß
sie sich besser nicht gegen die Weltmacht Nr.1 stellen, sondern sich
ihren Rang in der Welt und in der Region durch die USA zuweisen lassen.
Und auch heute noch bewährt sich die spezielle Beziehung zwischen
Israel und den USA: nämlich als Hauptpfeiler im "Kampf gegen den
internationalen Terrorismus", den die USA ausgerufen haben und der
gemäß amerikanischer Interessenlage die weltpolitische
Tagesordnung ähnlich fundamental bestimmen soll wie damals die
Bekämpfung der Sowjetunion und ihres Blocks. Und insofern das
Herzstück dieser neuen Bedrohung von Amerikas globalen Interessen
just im Nahen und Mittleren Osten verortet wird, stärkt dies die
amerikanisch-israelische Allianz erst recht; und die USA sehen sich in
ihrer langjährigen Erfahrung bestätigt, daß die Amis am
Verhältnis von Staaten oder Bewegungen zu Israel ganz
zuverlässig ersehen können, wie diese zu den USA stehen, als
Freund oder als Feind. Übrigens: Daß sich an dieser
Spezialbeziehung auch Staaten vom Kaliber Frankreichs oder
Deutschlands, also Partner, aber auch Konkurrenten der USA, so ziemlich
die Zähne ausbeißen bei ihren Versuchen, mehr Einfluß
aufs Geschehen in dieser hochinteressanten Weltgegend zu gewinnen
– auch das ist im Umkreis der Interessen sowohl Israels wie der
USA durchaus mit eingeschlossen.
3. Israels Staatsprogramm kommt voran
a) Aus dieser imperialistischen Konstellation
- zum einen schafft sich Israel mit seiner Landnahme per
Staatsgründung seine Feinde, derer es dann wieder mit einer
Strategie dauernder Vorwärtsverteidigung Herr werden muß;
und zum anderen bekommt Israel in Ausübung seiner
Funktionalität für seinen Hauptfreund USA eine ganze Palette
von konfliktträchtigen Außenbeziehungen, die es dann mit
Hilfe seines Hauptverbündeten wieder zu bewältigen hat -
aus dieser imperialistischen Konstellation also kommt es, daß
Israel, gestützt v.a. auf die USA, seine Sicherheit so ausgreifend
definiert, daß diesem Maßstab nur dann Genüge getan
ist, wenn Israel als die fraglos überlegene – zuallererst
militärisch überlegene – regionale Supermacht fertig
gestellt ist. Die allen nahen und weiteren Anrainern ihr
Sicherheitsbedürfnis als deren verbindliche Staatsräson
diktieren und im Bedarfsfall praktisch einbläuen kann.
b) Der Erfolg dieses Staatsprogramms – auch
wenn er Israel immer nie weit genug geht – ist in der
gegenwärtigen Situation abzulesen z.B. an der Politik des
ägyptischen Präsidenten: Der betätigt sich jetzt mit der
Abriegelung des Gaza an den Grenzen zu Ägypten de facto als
Erfüllungsgehilfe Israels. So mag man arabische Staatsmänner
in Jerusalem und Washington dann leiden: als Leute, die "die Stimme der
Vernunft" hören, nämlich sich der Sprache der -
überlegenen! - Gewalt beugen und sich Reichweite und Ausrichtung
ihrer Macht von dort abholen.
c) Und dann ist da ja immer noch das leidige Problem mit den
Palästinensern, den ursprünglichen Ansässigen, also
ersten Leidtragenden der Staatsgründung Israels, von dessen
Standpunkt aus diese Leute hautsächlich eines tun: stören.
Auch in dieser Hinsicht hat Israels von den entscheidenden Mächten
unterstützte Militanz viel erreicht – ersichtlich einerseits
daran, daß die militärische Befähigung des
palästinensischen Widerstandswillens längst auf
Selbstmordattentäter und Kassam-Raketen-Schmuggelware reduziert
ist. Und andererseits daran, daß in Gestalt von Abbas und seiner
Mannschaft die palästinensische Unterwerfung so weit gediehen ist,
daß der verheißene und im Westjordanland schon mal quasi
provisorisch vorgeführte Palästinenser-Staat sich als eine
Art Homeland von Israels Gnaden präsentiert. Fatah-Chef Abbas
erweist seine Qualifikation zum Chef eines handsam gemachten
Palästinenser-Gebildes momentan dadurch, daß er der Hamas
mit ihren Eigenbau-Raketen mindestens eine Teilschuld daran zuweist,
daß sie jetzt niedergemacht wird. Abbas ist für Israel und
seine Bündnispartner wie der Kronzeuge dafür, daß "die
Hamas und Gleichgesinnte das letzte verbliebene Hindernis für den
Friedensprozeß im Nahen Osten" sind (= für die
unangefochtene Etablierung Israels als der regionalen Vormacht) –
und deshalb ausgeschaltet werden müssen.
4. Die "Operation gegossenes Blei"
a) Die FAZ vom 30.12.08
zitiert israelische Spitzenmilitärs zum Ziel der "Operation
gegossenes Blei" wie folgt: "Im Generalstab hieß es, die Hamas
solle dazu gebracht werden, auf Knien zu den ägyptischen
Vermittlern zu kriechen, um dort bei Israel um eine neue Waffenruhe zu
betteln."
Der immer noch verbliebene Restposten militanten palästinensischen
Widerstandswillens – neben der Hisbollah in Süd-Libanon eben
die Hamas im Gaza-Streifen – ist in all seiner, im Vergleich zu
Israels Militärmacht, Ohnmacht dem Staat Israel immer noch zu
mächtig. Daraus folgt für Olmert, Barak und Livni: Krieg bis
zur Vernichtung gegen den nichtstaatlichen Widerstand, der aus diesem
Landstrich kommt. Krieg gegen die Hamas, einschließlich die
gesamte Bevölkerung, die von Israel als Helfershelfer der Hamas
definiert wird, und Zerstörung der Mittel und Möglichkeiten
der Hamas (Waffen, Tunnel/Grenzverkehr, Infrastruktur), sich als
Widerstand zu behaupten. Die Klarstellung aus Israel, die der
schonungslose Terror seiner Kriegsmaschinerie mitteilt und genau so
mitteilen soll, lautet: Wenn die Gegnerschaft gegen Israel nicht
aufhört, dann ist ein Überleben der Palästinenser nicht
zu haben.
b) Diese Klarstellung ergeht an sämtliche
einschlägigen Adressen: An die palästinensischen Massen
(daß sie neben einer kämpfenden Hamas nicht überleben
können). An die Hisbollah (daß auch sie sich nicht in ihren
Stellungen im Libanon wird einrichten können). An die
Hintermänner und verbliebenen staatlichen Unterstützer von
Hamas und Hisbollah (daß sie der tätigen Feindschaft Israels
sicher sein können). An die potenziellen Unterstützer oder
auch bloß Dulder aus dem arabischen Lager (daß Israel keine
bloß halbherzig gemeinte Distanzierung gegenüber Israels
Feinden mehr durchgehen lassen will). An den Rest der Welt (daß
sie sich an die Fakten zu halten hat, die Israel mit Krieg herstellt).
Und die USA, nach allgemeiner Auffassung die einzige Adresse, auf die
Israel hören müßte? Die noch amtierende Regierung
Bush/Rice protegiert Israels Zielsetzung ohne Wenn und Aber. Und die
neue? "Obama schweigt", wie die Weltpresse vielsagend vermeldet. Auch
an seine Adresse möchte Israel gerne Fakten schaffen. Und gibt
Obama mit seinem Krieg vor dessen Amtsantritt eine Gelegenheit:
daß nämlich das Zuschlagen Israels noch vor der Inauguration
der neuen Washingtoner Nr.1 Fakten schafft, auf die Obama sich als
allgemeiner "Hoffnungsträger für eine bessere Welt" dann
beziehen kann (und – aus Israels Perspektive – muß).
c) Eine letzte Bemerkung. Gegen diesen ganz normalen
Wahnsinn aus der Abteilung "Weltordnungspolitik im 21.Jahrhundert" gibt
es von Seiten unserer Öffentlichkeit nur eine Sorte Einwand: Auf
Grundlage der Blanko-Rechtfertigung Israels, daß sein "Recht auf
Selbstverteidigung" natürlich fraglos gilt, werfen die
Kommentatoren die Frage auf, ob Israels ungebremste Kriegführung
Israels gute Ziele auch erreichen kann oder ob sie dafür nicht
gerade kontraproduktiv wirkt – nämlich den Aufstand
anstachelt, dem Terrorismus neue Anhänger zuführt, die
Situation in Nahost womöglich endgültig unkontrollierbar
macht. Und damit nicht zuletzt unserer Regierung und ihrem doch
zweifelsfrei segensreichen Einfluß auf die Lage das Leben schwer
macht.
Und diese unsere Regierung, sie bleibt ja auch nicht untätig. Sie
sendet ihren Chefdiplomaten aus und versucht krampfhaft, im
Kriegsgebiet irgend etwas zu "vermitteln". Sie beruft sich dabei auf
das wachsende "humanitäre Elend", das sie kaum mehr mit ansehen
kann - auch kein schlechter Zynismus aus Berlin: Dafür kommen
Merkel und Steinmeier die Kriegsopfer, die Israel anrichtet, gerade
recht, um sie für die Reklamierung von deutschem Einfluß auf
einen akuten imperialistischen Kriegsfall zu instrumentalisieren.
