I. Gegen die moralische Parteilichkeit in Kriegsdingen

1. Solche und solche Opfer

a) Papst Ratzingers beste Friedenswünsche für den Nahen Osten haben mal wieder nichts geholfen, sie hatten letztes Jahr sogar ein besonders kurzes Verfallsdatum: Kaum ein paar Stunden nach des Papstes Weihnachtsbotschaft hat Israel mit schweren Luftangriffen auf Gaza begonnen, um, wie es heißt, die Raketenangriffe der Hamas auf Israel zu beenden. Inzwischen ist die israelische Bodenoffensive dazugekommen. Der ganze Gaza-Streifen ist für Leute und Hilfsgüter komplett abgeriegelt, bis jetzt wurden über 800 Tote gezählt. Ihr kennt die Fakten; die gibt es jeden Tag in Presse und Fernsehen ausgebreitet.

b) Was kann man vernünftigerweise über Kriege wie diesen vermelden? Das Geschehen selber braucht man nicht weiter auszumalen - dass im Krieg Blut fließt und Tote anfallen, das weiß jeder; und dafür muss man wirklich nicht erst einen leibhaftigen Krieg miterlebt haben, um Kriegshandlungen nicht mit Deckchenstricken oder einem Picknick im Freien zu verwechseln.
Und für die feinen Unterscheidungen, die an den Kriegshandlungen getroffen zu werden pflegen, nämlich
- welche der anfallenden Opfer unschuldig sind und welche nicht (Babies, Kinder und Frauen versus ausgewachsene männliche Kombattanten, die anscheinend natürliches Kanonenfutter sind); oder welche Waffen schlecht und zu ächten sind, dafür andere gut und erlaubt (siehe z.B. FR vom 7.1.: Granaten mit weißem Fosfor, wie sie von Israel verwendet werden, sind "hochgiftig", während sie längst "bei der Bundeswehr durch roten, nichttoxischen Fosfor ersetzt wurden") –
für solche feinen Unterscheidungen also gibt es in der bürgerlichen Welt eine ganze Menge von selbsternannten wie von bestallten Advokaten. Dann sollte man solcherlei moralisch hoch angesehene Zynismen aber auch den dafür zuständigen Adressen überlassen. Die NGOs à la Human Rights Watch machen das aus Berufung, noch mitten im Kugelhagel die Grenzen der Menschenwürde zu ermitteln; bei Herrschaften wie Ban Ki Moon oder Walter Steinmeier ist es gleich der Beruf: das Geltendmachen solcher Unterscheidungen nämlich ein diplomatisches Handwerkszeug, um für ihren jeweiligen Laden Einfluß auf das Kriegsgeschehen zu gewinnen.
Diese Sorte Taxierung von Kriegen nach Graden ihrer Erlaubtheit ist wie eine Ablenkung von der Beurteilung dessen, was an Kriegen das Interessante ist. Schlauer wird man mit solchen Distinktionen ganz sicher nicht bei der Beantwortung der Frage, was den Zweck von Kriegen angeht, warum sie also von den politischen Herren des Kriegsgeschehens (mittlerweile mischen auch viele Damen mit) als Mittel ihrer Staatsräson befohlen werden.

2. Feindliche Gewalt böse, eigene Gewalt klasse

a) Der Räson eines Staates, die sich mit dem Einsatz organisierter Militanz vorstellig macht, auf den Grund zu gehen, ist ganz entschieden nicht die Sache unserer Öffentlichkeit. Vielmehr nimmt jeder, der sich mit dem Krieg befaßt, sogleich Partei für die eine oder andere Seite. Keiner ist für Krieg, aber jeder ergreift gleich für eine der Krieg führenden Seiten Partei. In keinem Fall begründet sich die Parteilichkeit aus der Heftigkeit der Gräueltaten (also aus den in der vorhergehenden Rubrik behandelten Anleitungen fürs moralische Sortieren von Kriegshandlungen). Wenn es danach ginge, dann müßte man ja glatt sagen: die Hamas ist militärisch so ineffektiv, daß schon jede einzelne Brigade Israels ihr mit ihrer Ausstattung überlegen ist. Nein, die Parteilichkeit für die eine oder andere Seite steht schon vor dem Krieg fest. Sie ergibt sich aus einer Parteilichkeit, die ganz jenseits dessen feststeht, was die eine oder andere Seite an kriegerischen Taten anrichtet.

b) Beispiele aus der Etage der Politik, die im Konzert der Öffentlichkeit wie immer die Tonlage vorgibt: Steinmeier: Man dürfe bei der Bewertung dieses Krieges "Ursache und Wirkung" nicht durcheinander bringen, und Ursache sei der Raketenbeschuß Israels durch die Hamas nach Auslaufen des Waffenstillstandes. Und deshalb trägt für Merkel "ohne jeden Zweifel die Hamas die alleinige Verantwortung" dafür, daß Israel den Gaza bombardiert. Israels Taten dort "sind keine offensiven, sondern defensive Aktionen" (die neue tschechische EU-Präsidentschaft in ihrer ersten Stellungnahme, die später ein Stück weit relativiert wurde). In denselben Zeitungen, die so was auf S.1 melden, sind weiter unten auch palästinensische Stimmen mit genau umgekehrter Stoßrichtung wiedergegeben; die z.B. in Erinnerung rufen, daß Israel während der Zeit der Waffenruhe mehrmals Palästinenser-Stellungen im Gaza angegriffen hat und nicht an die Aufhebung seiner Komplett-Blockade Gazas denkt, die die Hamas als Gegenleistung fürs Einstellen des Beschusses von Süd-Israel verlangt hat.

c) Letzteres ist Steinmeier, Merkel & solchen bestens informierten Kreisen selbstverständlich bekannt; es zählt für ihr politisches Kalkül bloß nichts. Auf diese Kalküle der Polit-Profis aus Berlin etc. kommen wir weiter unten noch zu sprechen; verkauft werden sie von ganz oben mit dem Gestus einer moralisch wohlbegründeten Parteilichkeit für Israel und sein "Recht auf Selbstverteidigung".
Und damit kommen die Meinungsführer von oben beim deutschen Publikum durchaus an. Das ergeht sich in Erwägungen, bisweilen auch in bitterlichen Kontroversen: darüber, ob von Israels "Recht auf Selbstverteidigung" oder vom palästinensischen "Recht auf einen eigenen autonomen Staat" – was ausgeht? Die bessere Rechtfertigung für ganz gerechte Gewalt!
Genau darauf läuft nämlich das moralische Rechten beider in Nahost agierender Parteien und ihrer hiesigen Parteigänger immer hinaus: nicht aufs Verwerfen von organisierter Militanz, sondern auf deren Feiern. Den Auftakt bildet die heiße Frage "Wer hat angefangen?". Mal abgesehen davon, daß beim Krieg unter Staaten womöglich doch etwas andere Interessen am Werk sind als bei einer Schulhofrauferei – die Antwort auf die Frage, wer angefangen hat, hängt allein davon ab, wie weit man zeitlich zurückgehen mag, um auf eine der Schandtaten zu deuten, die der jeweilige Gegner ja tatsächlich angestellt hat. Daran, daß die eine Seite ihre Gewalt immer mit der der anderen Seite rechtfertigt, sollte einem unserer Auffassung nach folgendes auffallen:
Am Anfang ist unterstellt, daß Krieg Scheiße ist – die Fortsetzung heißt aber: nur der Krieg der anderen Seite, der eigene ist klasse! Schon eigenartig: Statt daß sich angesichts von zweien, die Krieg machen, die Abneigung gegen Krieg akkumulieren würde, akkumuliert sich die Schlechtigkeit von Krieg beim Gegner = die Güteklasse von Krieg bei einem selber! Logisch ist das nicht – aber in moralischer Denkungsart ist dieses intime Verhältnis zur Gewalt der eigenen Seite offenbar das Allernormalste. Mit ihrer Parteinahme für gerechte Gewalt im Kreuz sind die Moralisten der Sache Israels, aber auch die der Palästinenser-Sache dann die selbstgerechtesten Typen von der Welt.

3. Kriege schärfen die moralische Parteilichkeit

a)    Warum werden Opfer sortiert und Verletzte gezählt und gegeneinander aufgerechnet? Was ist das für eine Abwägung? – Es ist Munition für ein falsches Argument: An der Gemeinheit des Krieges sieht man, wer Recht hat. Parteilichkeit wird eingefordert, als wäre dies die einzig senkrechte Einstellung zu einem Krieg. Weil es beim Krieg ums Ganz geht, am Ende um Sein oder Nichtsein von Staaten, sind Kriege die Gelegenheit, immer wieder auf eine Parteinahme hinzuführen. Deshalb wird viel Mühe darauf verwendet, diese Parteilichkeit zu bebildern. (Hübsche Spitzenleistung auf dem Feld: Israels Ministerpräsident Olmert laut FAZ vom 27.12.08: "Ich denke an die Zehntausende Kinder und Unschuldige, die als Ergebnis der Hamas-Aktivitäten gefährdet werden." Israels Chef hat einfach alles auf seiner Seite, was moralisch richtig, schön und gut ist: natürlich Israels Recht auf Selbstbehauptung, aber auch noch den Bonus des Kinderfreunds mit seiner Sorge um die Opfer, die man der Hamas zur Last legen muß – nicht etwa den israelischen Kriegsherren, die im "dicht besiedeldsten Gebiet der Welt" natürlich keine Rücksicht auf Kindergärten und Schulen nehmen können, wenn die an ein Hamas-Waffenlager angrenzen.)
Die Parteinahme wirft das rechte Licht auf die Gräuel. Nie ist das Ideologische der Parteinahme also so offensichtlich wie bei einem Krieg.

b) Das ist unsachlich. Entschieden wird nicht nach irgendeinem Gesetzbuch, nicht nach einem internationalen Gerichtshof, sondern nach der Parteilichkeit der Nationen - und gemäß der Machtmittel, die Nationen aufbieten können. Dafür ist Israel wieder das beste Beispiel: Wenn denn schon mal irgendwelche "völkerrechtlich bindenden" UN-Resolutionen oder so Zeug mal nicht vorab vom Veto der USA blockiert werden, behält Israel es sich allemal vor zu entscheiden, ob das für Israel irgend etwas bedeutet – und gar nicht so selten setzt es sich ganz demonstrativ über UN-Wünsche und Beschlüsse hinweg. Das soll den einen oder anderen Anhänger von Völkerrecht und Menschenrechten vor Ort schon zur Verzweiflung getrieben haben. Zuträglicher wäre es, daraus ganz nüchtern den passenden Schluß zu ziehen: daß moralische Grundsätze und internationale Rechtsprinzipien nicht etwa die Bremse, sondern die berechnend gehandhabten Instrumente moderner Staaten und deren Macht darstellen.

4. Krieg – ein Dienst am Volk?

a) Wir können den Parteien, die Staat machen wollen, und den daraus folgenden Brutalitäten inklusive Krieg nichts abgewinnen. Das wird auch nicht dadurch anders, daß die Leute, die einem Staat angehören, diesen als ihre Heimat betrachten (virulent gerade am Schauplatz Nahost, wo der eine Staat sich darauf beruft, seinem Volk eine bitter nötige "Heimstatt" zu verschaffen, und die andere Partei darauf deutet, daß sie genau damit ohne Schuld um ihre Heimstatt gebracht wurde, also wieder eine braucht). Die Wahrheit ist, daß die Insassen dieses Staates bzw. dieses Möchtegern-Staates gnadenlos für die jeweilige Selbstbehauptung ihrer Nation eingespannt werden – sei's als mörderische High-Tech-Kampfmaschine oder als Selbstmordattentäter; 
sei's als jüdischer Siedler-Vorposten mit Aussicht auf Kassam-Zufallstreffer oder als palästinensischer "Kollateralschaden" aus einer lasergelenkten Bombe. Das ist doch schlimm genug, daß die Angehörigen von Nationen von ihrer Herrschaft instrumentalisiert werden - und daß sie sich instrumentalisieren lassen!

b)    Von dem Gesichtspunkt, der Krieg sei doch immer auch irgendwie eine Fürsorge für die Leute ("Schutz vor feindlichem Beschuß"), muß man sich also lösen. Die Wahrheit ist nämlich, daß der Krieg die Identität von Volk und Staatsgewalt praktisch herstellt: Im Krieg stellt die Herrschaft schließlich eine Situation her, wo der Soldat gar nicht umhin kann, als zum Schutz des eigenen Lebens Seinesgleichen auf der  feindlichen Seite das Lebenslicht auszublasen – also unter Einsatz des eigenen Lebens etwas für den Sieg des eigenen Staats über den feindlichen Staat zu tun. Und da soll man es dem Staat noch danken, wenn erst eine Kriegsfront aufmacht und dann so gut ist, ein Lazarettschiff hinterherzuschicken - das die Verwundeten, wenn's geht, wieder fronttauglich zusammenflickt?!

c) Fazit aus Punkt I:
Auch in Fragen von Krieg und Frieden heben die Moralismen sich gegenseitig auf; mit ihnen kann man alles begründen und alles verwerfen. Moralisches Denken erklärt nichts, sondern ist nur dafür gut, eigene Opfer als Rechtstitel für eigene ganz gerechte Gewalt anzuführen. In dieser Verwendungsweise – als Berufungstitel für eigene Absichten – ist das moralische Argumentieren folgerichtig auch bei den Urhebern von Kriegen und Konflikten äußerst beliebt: Es soll die eigenen Interessen zum unwidersprechlichen, keinen Kompromissen zugänglichen Recht adeln.
Um den Fallen des moralischen Denkens zu entgehen, muß man es also schon hinter sich lassen und sich mit diesen Interessen und Staatsprogrammen befassen, wenn man sich Kriege, ihren Verlauf und ihre Gründe klarmachen will.

II. Israels Staatsprogramm

1. Eine Staatsgründung des modernen Typs

Israels Staatsideologie vom tapferen kleinen Siedlervolk, das in einem Meer von Feinden seine Heimstatt behaupten, d.h. die Sicherheit seiner Staatsgründung garantieren muß, liefert sogar noch einen sachdienlichen Hinweis. Die moralische Rechtfertigung mal abgezogen, sind daraus Aufschlüsse zu entnehmen darüber, wie Israel seine Staatsräson definiert: Das Projekt einer Staatsgründung in einer imperialistisch eingerichteten Welt ist eine Gewaltaffäre höchster Güteklasse; und zwar nicht eine einmalige, sondern dauerhafte Gewaltaffäre, die man gewinnen muß. Der Reihe nach: Die jüdische Staatsgründung, deren 60.Jahrestag gerade letztes Jahr sehr pompös mit massig Militärparaden begangen wurde, passiert ja nicht bloß nicht auf herrenlosem und unbevölkertem Land, sondern in einer kompletten staatlichen Umwelt, die wiefolgt zu kennzeichnen ist: Der Globus ist längst vollgepflastert mit modernen Staatswesen und solchen, die es werden wollen; d.h. mit Staaten, die jeweils für sich das Gewaltmonopol über ein Stück Globus und ein Volk darin ausüben; die dieses Volk nach den Rechnungsweisen der Geldvermehrung ökonomisch benutzen und darüber in Verkehr mit andern Staaten treten wollen; Staaten, denen sonnenklar ist, daß sie die Konkurrenz mit ihresgleichen nur bestehen, wenn sie sich einen gediegenen militärischen Gewaltapparat zulegen, die also um die – mindestens in ihrer Region – Macht zur Aufsicht über ihre Nachbarschaft ringen.

b) In eine solche politische Landschaft hinein erfolgt die jüdische Staatsgründung. Die ist konsequenterweise selber schon ein Gewaltakt beachtlichen Ausmaßes. Und bleibt es, weil die Staatsgründer sich Feinde schaffen. Zum einen nämlich vertriebene Ex-Ansässige (der Gaza-Streifen z.B. hat deshalb die Karriere zum "dicht besiedeldsten Gebiet der Welt" zurückgelegt, weil 80% seiner heutigen Bewohner Flüchtlinge aus der Zone sind, die heute den Süden Israels bildet). Und zum anderen gibt es durch Israels Gründung in ihrer Macht und ihren Rechten beschnittene staatliche Nachbarn, die nach Rückgängigmachen ihrer Niederlage streben.

2. Eine herzliche Allianz mit der Weltmacht

a) Also ist von Beginn des Staats-Projekts Israel an vollkommen klar: Wenn sich die Staatsgründung Feinde schafft, dann brauchen die Staatsgründer auch Freunde, je mächtigere, desto besser. Also Staaten, die für ihre weltmächtigen Interessen an Israels Projekt etwas Brauchbares finden und sich mit ihren überlegenen Machtmitteln für Israels Erfolg stark machen.

b)    Genau das ist seit über einem halben Jahrhundert bei der Beziehungskiste zwischen Israel und den USA der Fall. Deren Gehalt geht so: Zunächst wurde Israel als Frontstaat gegen arabische Staaten und vor allem deren Bündeleien mit dem US-Hauptfeind Sowjetunion aus- und aufgerüstet; und es hat sich in diversen Kriegen als Domestizierer arabischer Machtambitionen bewährt. Die sollten durch diverse Blitzkriege lernen, daß sie sich besser nicht gegen die Weltmacht Nr.1 stellen, sondern sich ihren Rang in der Welt und in der Region durch die USA zuweisen lassen.
Und auch heute noch bewährt sich die spezielle Beziehung zwischen Israel und den USA: nämlich als Hauptpfeiler im "Kampf gegen den internationalen Terrorismus", den die USA ausgerufen haben und der gemäß amerikanischer Interessenlage die weltpolitische Tagesordnung ähnlich fundamental bestimmen soll wie damals die Bekämpfung der Sowjetunion und ihres Blocks. Und insofern das Herzstück dieser neuen Bedrohung von Amerikas globalen Interessen just im Nahen und Mittleren Osten verortet wird, stärkt dies die amerikanisch-israelische Allianz erst recht; und die USA sehen sich in ihrer langjährigen Erfahrung bestätigt, daß die Amis am Verhältnis von Staaten oder Bewegungen zu Israel ganz zuverlässig ersehen können, wie diese zu den USA stehen, als Freund oder als Feind. Übrigens: Daß sich an dieser Spezialbeziehung auch Staaten vom Kaliber Frankreichs oder Deutschlands, also Partner, aber auch Konkurrenten der USA, so ziemlich die Zähne ausbeißen bei ihren Versuchen, mehr Einfluß aufs Geschehen in dieser hochinteressanten Weltgegend zu gewinnen – auch das ist im Umkreis der Interessen sowohl Israels wie der USA durchaus mit eingeschlossen.

3. Israels Staatsprogramm kommt voran 

a)    Aus dieser imperialistischen Konstellation
 - zum einen schafft sich Israel mit seiner Landnahme per Staatsgründung seine Feinde, derer es dann wieder mit einer Strategie dauernder Vorwärtsverteidigung Herr werden muß; und zum anderen bekommt Israel in Ausübung seiner Funktionalität für seinen Hauptfreund USA eine ganze Palette von konfliktträchtigen Außenbeziehungen, die es dann mit Hilfe seines Hauptverbündeten wieder zu bewältigen hat -
aus dieser imperialistischen Konstellation also kommt es, daß Israel, gestützt v.a. auf die USA, seine Sicherheit so ausgreifend definiert, daß diesem Maßstab nur dann Genüge getan ist, wenn Israel als die fraglos überlegene – zuallererst militärisch überlegene – regionale Supermacht fertig gestellt ist. Die allen nahen und weiteren Anrainern ihr Sicherheitsbedürfnis als deren verbindliche Staatsräson diktieren und im Bedarfsfall praktisch einbläuen kann.

b)    Der Erfolg dieses Staatsprogramms – auch wenn er Israel immer nie weit genug geht – ist in der gegenwärtigen Situation abzulesen z.B. an der Politik des ägyptischen Präsidenten: Der betätigt sich jetzt mit der Abriegelung des Gaza an den Grenzen zu Ägypten de facto als Erfüllungsgehilfe Israels. So mag man arabische Staatsmänner in Jerusalem und Washington dann leiden: als Leute, die "die Stimme der Vernunft" hören, nämlich sich der Sprache der - überlegenen! - Gewalt beugen und sich Reichweite und Ausrichtung ihrer Macht von dort abholen.

c) Und dann ist da ja immer noch das leidige Problem mit den Palästinensern, den ursprünglichen Ansässigen, also ersten Leidtragenden der Staatsgründung Israels, von dessen Standpunkt aus diese Leute hautsächlich eines tun: stören.
Auch in dieser Hinsicht hat Israels von den entscheidenden Mächten unterstützte Militanz viel erreicht – ersichtlich einerseits daran, daß die militärische Befähigung des palästinensischen Widerstandswillens längst auf Selbstmordattentäter und Kassam-Raketen-Schmuggelware reduziert ist. Und andererseits daran, daß in Gestalt von Abbas und seiner Mannschaft die palästinensische Unterwerfung so weit gediehen ist, daß der verheißene und im Westjordanland schon mal quasi provisorisch vorgeführte Palästinenser-Staat sich als eine Art Homeland von Israels Gnaden präsentiert. Fatah-Chef Abbas erweist seine Qualifikation zum Chef eines handsam gemachten Palästinenser-Gebildes momentan dadurch, daß er der Hamas mit ihren Eigenbau-Raketen mindestens eine Teilschuld daran zuweist, daß sie jetzt niedergemacht wird. Abbas ist für Israel und seine Bündnispartner wie der Kronzeuge dafür, daß "die Hamas und Gleichgesinnte das letzte verbliebene Hindernis für den Friedensprozeß im Nahen Osten" sind (= für die unangefochtene Etablierung Israels als der regionalen Vormacht) – und deshalb ausgeschaltet werden müssen.

4. Die "Operation gegossenes Blei"

a) Die FAZ vom 30.12.08 zitiert israelische Spitzenmilitärs zum Ziel der "Operation gegossenes Blei" wie folgt: "Im Generalstab hieß es, die Hamas solle dazu gebracht werden, auf Knien zu den ägyptischen Vermittlern zu kriechen, um dort bei Israel um eine neue Waffenruhe zu betteln."
Der immer noch verbliebene Restposten militanten palästinensischen Widerstandswillens – neben der Hisbollah in Süd-Libanon eben die Hamas im Gaza-Streifen – ist in all seiner, im Vergleich zu Israels Militärmacht, Ohnmacht dem Staat Israel immer noch zu mächtig. Daraus folgt für Olmert, Barak und Livni: Krieg bis zur Vernichtung gegen den nichtstaatlichen Widerstand, der aus diesem Landstrich kommt. Krieg gegen die Hamas, einschließlich die gesamte Bevölkerung, die von Israel als Helfershelfer der Hamas definiert wird, und Zerstörung der Mittel und Möglichkeiten der Hamas (Waffen, Tunnel/Grenzverkehr, Infrastruktur), sich als Widerstand zu behaupten. Die Klarstellung aus Israel, die der schonungslose Terror seiner Kriegsmaschinerie mitteilt und genau so mitteilen soll, lautet: Wenn die Gegnerschaft gegen Israel nicht aufhört, dann ist ein Überleben der Palästinenser nicht zu haben.

b)    Diese Klarstellung ergeht an sämtliche einschlägigen Adressen: An die palästinensischen Massen (daß sie neben einer kämpfenden Hamas nicht überleben können). An die Hisbollah (daß auch sie sich nicht in ihren Stellungen im Libanon wird einrichten können). An die Hintermänner und verbliebenen staatlichen Unterstützer von Hamas und Hisbollah (daß sie der tätigen Feindschaft Israels sicher sein können). An die potenziellen Unterstützer oder auch bloß Dulder aus dem arabischen Lager (daß Israel keine bloß halbherzig gemeinte Distanzierung gegenüber Israels Feinden mehr durchgehen lassen will). An den Rest der Welt (daß sie sich an die Fakten zu halten hat, die Israel mit Krieg herstellt). Und die USA, nach allgemeiner Auffassung die einzige Adresse, auf die Israel hören müßte? Die noch amtierende Regierung Bush/Rice protegiert Israels Zielsetzung ohne Wenn und Aber. Und die neue? "Obama schweigt", wie die Weltpresse vielsagend vermeldet. Auch an seine Adresse möchte Israel gerne Fakten schaffen. Und gibt Obama mit seinem Krieg vor dessen Amtsantritt eine Gelegenheit: daß nämlich das Zuschlagen Israels noch vor der Inauguration der neuen Washingtoner Nr.1 Fakten schafft, auf die Obama sich als allgemeiner "Hoffnungsträger für eine bessere Welt" dann beziehen kann (und – aus Israels Perspektive – muß).

c)    Eine letzte Bemerkung. Gegen diesen ganz normalen Wahnsinn aus der Abteilung "Weltordnungspolitik im 21.Jahrhundert" gibt es von Seiten unserer Öffentlichkeit nur eine Sorte Einwand: Auf Grundlage der Blanko-Rechtfertigung Israels, daß sein "Recht auf Selbstverteidigung" natürlich fraglos gilt, werfen die Kommentatoren die Frage auf, ob Israels ungebremste Kriegführung Israels gute Ziele auch erreichen kann oder ob sie dafür nicht gerade kontraproduktiv wirkt – nämlich den Aufstand anstachelt, dem Terrorismus neue Anhänger zuführt, die Situation in Nahost womöglich endgültig unkontrollierbar macht. Und damit nicht zuletzt unserer Regierung und ihrem doch zweifelsfrei segensreichen Einfluß auf die Lage das Leben schwer macht.
Und diese unsere Regierung, sie bleibt ja auch nicht untätig. Sie sendet ihren Chefdiplomaten aus und versucht krampfhaft, im Kriegsgebiet irgend etwas zu "vermitteln". Sie beruft sich dabei auf das wachsende "humanitäre Elend", das sie kaum mehr mit ansehen kann - auch kein schlechter Zynismus aus Berlin: Dafür kommen Merkel und Steinmeier die Kriegsopfer, die Israel anrichtet, gerade recht, um sie für die Reklamierung von deutschem Einfluß auf einen akuten imperialistischen Kriegsfall zu instrumentalisieren.