Myanmar: Erst Demokratie unterdrücken, um dann die Demokratie schaffen, die »uns in den Kram paßt!

Noch eine Diktatur – so wie »wir« sie lieben


Lassen wir einen Begutachter der Fortschritte imperialistischer Verhältnisse zu Wort kommen:
(Alle Zitate aus dem Kommentar der Augsburger Allgemeinen v. 25.01.12, ungekürzt in eben dieser Folge)


"Eine der langlebigsten Diktaturen der Welt löst sich auf. Ohne daß es aktuell eine Revolution oder eine Militärintervention des Auslands gegeben hätte. Einfach so, von innen heraus. Birma in Südostasien ist auf dem Weg zur Demokratie."

Das ist vielleicht vorbildlich! Nicht so wie in den arabischen Staaten, wo man nicht so recht weiß, wohin die Reise geht! Ja, wo man wie in Libyen mit eigenem Gewalteinsatz nachhelfen muß!

"Die Entwicklung kam überraschend, aber die Welt ist jetzt gefordert, den Prozeß zu unterstützen. US-Außenministerin Hillary Clinton, die im Dezember das Land besucht und zu weiteren Reformen ermuntert hatte, sagte vor wenigen Tagen anläßlich der Freilassung von Hunderten politischen Gefangenen: »Ich applaudiere, und die ganze internationale Gemeinschaft sollte es auch tun.«"
Das ist doch geil: Eine Diktatur hält sich an die Ratschläge des Imperialismus und dessen Repräsentantin gibt der Welt über die erzielten Fortschritte Bescheid!

"Insbesondere sollten die Sanktionen, die gegen das sozialistische Militärregime verhängt wurden, nun rasch aufgehoben werden. Damit würden die reformerischen Kräfte unterstützt und ein Rückfall in die Diktatur — eine Gefahr, die immer noch droht — erschwert. Die EU-Außenminister haben am Montag, als sie das Öl-Embargo gegen den Iran beschlossen, gleichzeitig damit begonnen, die Strafmaßnahmen gegen Birma abzuschwächen. Auf diesem Weg müssen sie weitergehen. Parallel zum Fortschritt beim Demokratisierungsprozeß sollten auch die Restriktionen fallen, die noch in Kraft sind."
Wir in Deutschland wissen nun, was zu tun ist: Unsere Aufgabe als Journalisten ist, die Politik auf den richtigen Weg zu lenken und die Zeichen der Zeit zu folgen. Doch da rennen wir wohl offene Türen ein! Das nächste Problemfeld – Stichwort Iran – ist ja auch schon ins Visier genommen! Wie geil! Und den Begriff Sozialismus – der offenkundig nicht totzukriegen ist – verstehen wir, en passant einzubauen und zum x-ten Male totzuschlagen, obschon nichts, nicht einmal die Staatsbezeichnung darauf hindeutet. [Der damals schon inhaltsleere Begriff Sozialismus wurde bereits 1988 aus Verfassung und Staatsnamen Myanmars getilgt.]

"Seit 1962 wurde der zwischen Indien und Thailand gelegene Staat am Golf von Bengalen von verschiedenen Militärjuntas regiert. Das Volk zeigte immer wieder, was es von dieser Bevormundung hält, nämlich gar nichts. Als die Militärs 1990 freie Wahlen zuließen, gewann die demokratische Opposition mit der Politikerin Aung San Suu Kyi an der Spitze, Tochter des 1947 ermordeten birmanischen Staatsgründers General Aung San. Doch die Junta erkannte die Wahl nicht an und sorgte dafür, daß das Parlament nie zusammentrat. 2007 setzten sich Tausende rot gekleidete buddhistische Mönche an die Spitze des Widerstands, aber der friedliche Protest wurde brutal niedergeschlagen."
Da fällt uns doch glatt ein, daß das Volk auch etwas mit dem Regimewechsel zu tun haben könnte. Und siehe da, wie sympathisch! Ein friedlicher Protest, kein gewaltsamer! Noch dazu ein pur religiös (nicht islamisch-politisch!) inspirierter, so etwas mögen wir gerne leiden, gewährleistet das doch, daß die Gewaltfrage in unserem Sinne leicht gelöst werden kann.

"Der Reformprozeß begann im November 2010 seltsamerweise mit einer Wahl, die international als »weder frei noch fair« qualifiziert wurde. Im Parlament errangen die regimetreuen Kräfte eine überwältigende Mehrheit. Die Abgeordneten wählten das ehemalige Junta-Mitglied General Thein Sein zum Staatspräsidenten, im März 2011 trat er sein Amt an. Als Zivilist in der neuen Funktion erkannte er, daß es für das verarmte Birma, das von den Militärs 1989 in Myanmar umbenannt worden war, keinen wirtschaftlichen Aufschwung geben könne, solange die Sanktionen Bestand haben. Diese, so mußte er folgern, könnten aber nur wegfallen, wenn sich das Land zur Demokratie entwickelt."
So kann man Wahlen unterschätzen! Aber wie in Honduras müssen wir auch hier sehen, daß Wahlen als Quidproquo zu einem Machtwechsel durchaus Anerkennung verdienen, auch wenn sie von den falschen abgehalten und zunächst auch von den falschen Leuten gewonnen werden, also Leuten, die unsere Interessen nicht und schon gar nicht umstandslos vertreten zu scheinen.

"Der neue Geist in Birma wird besonders deutlich an der Behandlung von Aung San Suu Kyi. Die Friedensnobelpreisträgerin stand all die Jahre unter Hausarrest oder saß sogar im Gefängnis. Jetzt gaben sich Präsident und Dissidentin die Hand. Die einst Verfemte kandidiert für einen Parlamentssitz bei den Nachwahlen am 1. April."
Die Verleihung des imperialistischen Sprengstoffpreises war also nicht vergebens! Auch wenn die Früchte erst spät eingefahren werden. Völlig klar ist für uns, daß sie die angesetzten Wahlen gewinnt, ansonsten müssen wir der Diktatur erneut Wahlfälschung vorwerfen:

"Noch ist Birma nicht im Klub der demokratischen Nationen angekommen, aber es ist unterwegs dorthin. Neben den inneren Reformen, die weitergeführt werden müssen, gilt es auch, die ethnischen Konflikte beizulegen. Außer den Birmanen, die zwei Drittel der 50 Millionen Einwohner stellen, leben in dem Land auch Angehörige vieler weiterer Ethnien, darunter die nach Unabhängigkeit strebenden Karen. Mit deren politischer Vertretung konnte Präsident Thein Sein vor kurzem einen Waffenstillstand schließen."

Alles freilich ist nicht ganz so sicher und geregelt, weil nicht ganz so einfach! Aber dennoch bleibt festzuhalten, daß der Fortschritt, den wir uns wünschen, unterwegs ist und sich nicht länger aufhalten läßt:

"Die demokratische Welt sollte froh sein, wenn sich ein ehemaliger Schurkenstaat in so erfreulicher Weise wandelt — und ihn auch tatkräftig willkommen heißen."
So weiß man doch, was man einer gescheiten Diktatur verdankt: Die Einsicht in die Selbstaufgabe!

(25.01.12)