Zum 1. Mai 2011

Kürzlich begrüßte die deutsche Gewerkschaftspresse den Streik der Textilarbeiter in Bangla Desh. Die Begründung dafür konnte man dann einer anderen Seite eines IG-Metall-Blattes entnehmen: Dort stand zu lesen, es drohe Gefahr aus Asien. Der Zusammenhang bleibt demjenigen sicherlich verborgen, der sich über das Sorgeobjekt einer deutschen Gewerkschaft täuschen läßt, wenn er als Gewerkschaftsmitglied (oder auch als Unorganisierter) meint, sie kümmere sich um seine Interessen bzw. überhaupt um Arbeitnehmerinteressen, sogar im fernen Ausland. Das allerdings ist einer deutschen Gewerkschaft viel zu billig. Sie weiß schließlich, wovon ein Einkommen abhängig ist, wenn es nicht als "selbständiges" bezogen wird. Deshalb denkt sie gleich an die »Wirtschaft«, an die deutsche Wirtschaft, die sie gar nicht oft genug auf die Konkurrenz aus Billiglohnstaaten hinweisen kann, um sie an ihre deutsche Verantwortung zu erinnern, der sie sich entzieht, wenn sie hier Druck auf die Löhne - direkt, oder indirekt durch Androhung der oder wirklicher Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland - ausübt. Das findet die Gewerkschaft nicht schön, d.h. nicht zu Deutschland passend, und möchte daher zu »Spitzengesprächen
« darüber eingeladen werden. Das Mitfilosofieren ist dann ihr Beitrag zum Standort D, den sie von ihrem Fußvolk gewürdigt sehen möchte, welches ihrerseits seine Arbeiterwürde eben daraus beziehen kann, daß es einer so anerkannten Gewerkschaft die Anhängerschaft abgeben darf. Das, diese Würde - versinnbildlicht in einer (1 Euro) kostbaren 1.-Mai-Plakette - ersetzt dann auch ein materielles Bewußtsein über die wirklichen Bedingungen, unter die ein Verkäufer seiner Arbeitskraft von Staat und Kapital gestellt ist. Bedingungen, die ganz zweifellos von Jahr zu Jahr härter werden, also von den Gewerkschaften umso mehr Verantwortung erheischen, je härter sie werden. Verantwortung für das, wie gesagt, Sorgeobjekt deutsche Wirtschaft. Wer jedoch so intensiv über die deutsche Wirtschaft sich den Kopf zerbricht, wie das deutsche Gewerkschaften tun, der kommt nicht umhin, auch um globale »Probleme» der Wirtschaft ganz allgemein sich den Kopf zu zermartern.

 An die Katastrofe in Japan wird folgendermaßen angeknüpft: "...Es ist nicht nur die Ohnmacht gegenüber den zerstörerischen Kräften der Natur. Es ist auch das Entsetzen über das von Menschen (als solchen, keineswegs von staatliche und ökonomische Interessen!) gemachte atomare Unglück, dessen Verheerungen und langfristige Auswirkungen noch gar nicht überschaubar sind (aber von der deutschen Gewerkschaft schon mal in den Blick genommen werden!). Es ist klar geworden, daß nicht nur außer Rand und Band geratene Finanzmärkte die Welt an den Abgrund treiben können. Sondern auch die industrielle Basis der hochentwickelten Welt ist durch die Gefahr von Atom-Gaus schwer erschüttert." (IG Metall-Chef Berthold Huber in der Metallzeitung, 4-2011)

Nichts Geringeres als die Welt soll nun Objekt der Sorge sein, eine kapitalistische Welt, die der IGM-Chef freilich nicht mit diesem, ihm allzu negativ klingenden Attribut versehen will, er will sie ja retten, auf Teufel komm raus. So sehr die Magnaten des Kapitals sie verheizen, desto mehr möchte die Gewerkschaft sie retten! Aber nicht allein das Finanzkapital, das der Gewerkschaftschef an sich gut findet in seiner Funktion für die Wirtschaft, wären da nicht ein paar außer Kontrolle geratene »Menschen
« (zur Erinnerung: Eigentlich keine richtigen Menschen, sondern Raubtiere und Heuschrecken)! Ebensolche »Menschen« erschüttern auch die industrielle Basis, das produktive Kapital, indem sie so furchtbar unsichere Atomkraftwerke bauen. Auch um dieses Kapital muß sich ein wirklicher Mensch schwere Sorgen machen. Keineswegs also weil Arbeiter und Anwohner radioaktiv verstrahlt werden, sondern weil die »industrielle Basis« erschüttert wird. Das ginge ja halbwegs noch an, wenn die industrielle Basis in Bangla Desh - und sei es durch Arbeiterstreiks - erschüttert würde, weil an der eh nicht mehr als »eine Gefahr für uns« dran hängt, aber wenn es sich um die der »hochentwickelten Welt« handelt! Da kann es ja sein, daß Japan als deutscher Handelspartner ausfällt! Und was da daran hängt und davon abhängt, braucht die IG Metall ihrem Fußvolk nicht lange erklären. Dann nämlich muß sie dem Kapital, pardon: der Wirtschaft wieder etwas zur Disposition stellen und wenn es nicht gerade ein Stück vom Lohn ist, dann womöglich gar den 1. Mai als Feiertag. Und das kann doch bitteschön kein Mensch ernsthaft wollen!
Schwäbische Volkszeitung 28.04.1911 zum 11. Mai"Auf den Menschen kommt es an." (Huber, Plagiat, ebenda) Daß der Mensch so denkt wie ein weiser Vordenker deutscher Gewerkschaftsverantwortung! Dafür kämpfen hochanständige deutsche Menschen wie Huber in Sorge um Wirtschaft und Deutschland, um Staat und Kapital wirklich und fallen eben diesen damit wirklich zur Last, zur Last überflüssiger Befassung (überflüssig deshalb, weil sie bei den ohnehin maßgeblichen Stellen eh in besten Händen ist). So sehr diese gewerkschaftliche Sorge der Sache nach reiner Firlefanz ist, so ist sie deshalb gebilligt, weil sie einen gewaltigen Beitrag leistet zum vielbeschworenen »sozialen Frieden«, zur gewaltigen Verblödung der von Lohnarbeit Abhängigen.
Das und nichts anderes ist er also, seinem Gehalt nach, der von arbeiterbewegten Moralisten beschworene »Kampftag der Arbeiterklasse
«! Und nun viel Vergnügen bei der Rundfahrt mit der Augsburger Localbahn!
(30.04.2011)

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Abbildung: Einladung zur Maifeier in Augsburg 1911, Schwäbische Volkszeitung vom 28.04.1911: Da der 1. Mai auf einen Arbeitstag fiel, wurde das Maifest auf den Sonntag danach verlegt, es fand – wie dem Kleingedruckten zu entnehmen – in der Städtischen Festhalle am Rosenauberg statt, unter Mitwirkung der vereinigten Arbeiter-Sängerbünde Augsburg und Umgebung, des Frauenchors Augsburg, der Arbeiter-Turnvereine und der Radfahrervereine etc. fanden Volks- und Kinderbelustigungen aller Art statt. Eintritt für Herren 20 Pfg., für Damen 10 Pfg.
Wer am Montag, den ersten Mai freinehmen konnte, sollte sich zur Öffentlichen Versammlung um 10 Uhr ins Elysium in der Mittelstraße begeben, um dem Vortrag von Genossen Nöthlich zu lauschen, der die Bedeutung des 1. Mai für das arbeitende Volk darzulegen gedachte, nachmittags dann ein "zwangloser Spaziergang nach dem Spickel". Abends dann um 8 Uhr große öffentliche Volksversammlung mit den Forderungen des Proletariats zum 1. Mai, vorgetragen vom Generalbevollmächtigten Rollwagen, Eintritt a Person 10 Pfg.