Warum man als Linker die Linkspartei zum Kotzen finden kann, ja muß: 
Wenn diese Partei Demokratie sagt - und das sagt sie pausenlos - dann will sie damit der deutschen Nation samt ihrem Nationalismus auf die Sprünge helfen. Als ob die das nötig hätte! 

Im Februar veröffentlichte eine Programmkommission aus PDS- und WASG-Leuten ein Papier, in dem "Eckpunkte" ihrer gemeinsamen Politik als Linkspartei festgeschrieben sind. Im wesentlichen geben sie darin ihrer Sicht auf die Oberfläche des nationalen wie internationalen Kapitalismus Ausdruck. Das reicht dann auch schon, um so ziemlich alle anderen Linken in der Republik unter ihrer Fuchtel vereinen zu können.

Dazu ein paar unwillkürlich herausgegriffene Glanzlichter:
 
"Die Grundlagen für alte Spaltungen innerhalb der Linken sind entfallen, selbst wenn dies noch nicht überall akzeptiert ist. ... Dies verlangt von uns, sich kritisch und solidarisch mit der Geschichte der Linken in der DDR und der BRD auseinander zu setzen."

Da ist der Wunsch der Vater des Gedanken, seine Begriffslosigkeit soll ihn unangreifbar machen, seine Abstraktion der Realität entsprechend! Die Auseinandersetzung selbst, die die PDS seit Jahren führt, besteht darin, koste es, was es wolle, gesellschaftlich anerkannt zu werden und sich letztendlich als regierungstauglich zu erweisen - ist also gewissermaßen eine Absage an eine wie auch immer kritische Auseinandersetzung mit der "Geschichte der Linken". Daher distanziert sie sich von ihrer SED-Vergangenheit genau so weit, wie es ihr moralisch zuträglich erscheint. Und dafür kommt ihr auch jeder Speichellecker recht, der in irgendeiner Weise Sozialismus auf Moral und ein paar allgemeine Frasen herunterzubringen bereit ist:

"Wir wollen Traditionen, Erfahrungen und Kompetenzen jener Kräfte bewahren und erschließen, die gemeinsam unsere neue Partei bilden. Dazu gehören radikaldemokratische, linkssozialdemokratische und linke antikapitalistische Positionen ebenso wie Orientierungen auf die Rechte der Bürgerinnen und Bürger, Erkenntnisse aus gewerkschaftlichen und von Erwerbslosen getragenen Protestbewegungen gegen den Neoliberalismus, der Einsatz für die Stärkung regionaler Entwicklung und die Auseinandersetzung mit der 'neuen Sozialdemokratie' und mit sektiererischen Strömungen in der alten Bundesrepublik (WASG-Mitglieder und andere, die partout nicht in die PDS wollen?). Die neuen sozialen Bewegungen gegen Neoliberalismus und kapitalistische Globalisierung sind ein wichtiger Bezugspunkt unserer Erneuerung."

Wenn man fett im Bundestag hockt, dann kann man sich schon erhaben fühlen und anderen sagen, wo es lang zu gehen hat, oder auch so tun, als würde man selbst deren Geschäfte betreiben! Wer ist schon für Neoliberalismus! Merken diese Parteiideologen eigentlich wie sehr sie Opportunisten des (demokratischen) Erfolgs sind? Genau das wollen sie nämlich sein:

"Gemeinsam wollen wir eine linke Partei bilden, wie es sie in Deutschland seit 1914 nicht gegeben hat."


Sie wissen sehr wohl, was 1914 sich ereignet hat, welchen nationalen Zuschnitt die SPD (nicht nur damals) hatte. Und genau das schwebt ihnen vor! Damit Deutschland wieder richtig zuschlagen kann, "konsequent für den Frieden kämpfen", wie die Linkspartei schreibt. Militäreinsätze sind voll okay, wenn sie "unter UN-Kontrolle zur friedlichen Entwicklung beitragen". Der diplomatische Hinweis auf die UN ist in der deutschen Politik übrigens nichts anderes, als die Verantwortung Deutschlands herauszustreichen und gegenüber dem imperialistischen Konkurrenten USA auf ihr zu bestehen. Wie sehr also auch die Linkspartei deutsch denkt! Ja "völkerrechtswidrig" dürfen Militäreinsätze natürlich nicht sein, wenn sie deutschen Interessen wirklich dienen statt schaden sollen! Diese Partei denkt nicht nur an das deutsche Interesse, sondern auch an das deutsche Image, (von wegen) ganz anders als die anderen demokratischen Friedensparteien!

Ökonomisch hat der Kapitalismus in Deutschland einiges erreicht, was anerkennend vermerkt wird:

"Die gegenwärtige Gesellschaft ist geprägt durch den Widerspruch zwischen einem enormen Potential materiellen und kulturellen Reichtums einerseits und der Unfähigkeit andererseits, dieses Potential so zu erschließen, daß alle Menschen eigenständig ihre Existenz sichern und in Würde leben können."

Daß die Erfolge des Kapitals auch negative Seiten haben, verschweigt die Linkspartei natürlich nicht: Wie sollte sie auch: Nur eine deutsche demokratische Einheitspartei hilft hier weiter! Die kennt sich nämlich aus, was das Kapital wirklich braucht und woran es überflüssigerweise zuviel hat, also von Staats wegen abgeben könnte.

"Es wird wieder offensichtlicher, daß wir in einer Klassengesellschaft leben."

Das muß doch nicht sein! Da laßt mal die Linkspartei ran, dann merkt ihr von einer Klassengesellschaft bald nichts mehr! Denn "eine andere Welt ist möglich". Ein erster Schritt (und ein letzter zugleich) ist dabei die Veränderung der Parteienlandschaft! Und weil Demokratie so schön ist, zumal wenn man sie wie in der Ostzone solange entbehren mußte, muß man sich um "Demokratisierung" kümmern!

"Die zunehmende Komplexität staatlichen Handelns verlangt wachsende Transparenz und eine weitere Demokratisierung der Gesellschaft."

Ja, richtig verdolmetschen muß man die Politik dem Pisa-Volk schon auch! Da liegt nach allgemeiner Ansicht einiges im argen. Dieser Sicht schließt sich die Linkspartei umstandslos an. Da ist man gut beraten, wenn man supranationale Organisationen wie WTO und Weltbank ("ungeheure Machtfülle") erwähnen kann, um das nationale Gemüt zu beruhigen. Die haben einiges verbockt, so daß das jetzt die nationale Politik wieder zurechtrücken muß. Und die Linkspartei wäre nicht die Linkspartei, würde sie nicht ihre Lieblingsideologie von der "Profitdominanz" zum wiederholten Male breittreten, derzufolge der Profit desto mehr in Ordnung geht, je mehr er sich von der sozialen Seite zeigt, die ihm die Linkspartei andichtet, oder die ihm, so er sie nicht zeigt, per Staatsgewalt abverlangt werden muß, kann und soll. Für die einvernehmliche Kompatibilität von Staat und Kapital hat Marx zwar nicht gestritten - er hat um die gegenseitige Bedingtheit gewußt - für die Linkspartei ist das freilich kein Grund, so zu tun als ob:

"Notwendig ist die Überwindung aller der Profitdominanz zu Grunde liegenden Eigentums-, Verfügungs- und Herrschaftsverhältnisse, "in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist" (Marx)."

Sich auch Marx gegenüber noch unverschämt aufführen, indem man ihn zum Backen eigener Brötchen zweckentfremdet. So tun, als würde man eine Notwendigkeit kennen, nachdem man mit jedem Wort jedwede inhärente Notwendigkeit des Systems als solche bestritten und dabei gleichzeitig anerkannt hat. Das kotzt jeden Linken an, der noch nicht vollkommen besoffen ist!

Der Schwadroniererei der Linkspartei, die offensiv auf die völlige Verblödung der Linken setzt, ist ein Marx-Studium allenthalben vorzuziehen:

  "Wenn also die theoretischen Vertreter der Proletarier irgend etwas durch die literarische Tätigkeit ausrichten wollen, so müssen sie vor allem darauf dringen, daß alle Frasen entfernt werden, die das Bewußtsein der Schärfe dieses Gegensatzes (zwischen Privateigentümern und Proletariern) schwächen, alle Frasen, die diesen Gegensatz vertuschen ... ." (Karl Marx, Deutsche Ideologie / Der wahre Sozialismus, MEW 3, S. 457)

"Sofern der Staat soziale Mißstände zugesteht, sucht er sie entweder in Naturgesetzen, denen keine menschliche Macht gebieten kann, oder in dem Privatleben, das von ihm unabhängig ist, oder in der Zweckwidrigkeit der Administration, die von ihm abhängt. ...
Den
Widerspruch zwischen der Bestimmung und dem guten Willen der Administration einerseits, und ihren Mitteln wie ihrem Vermögen andrerseits, kann der Staat nicht aufheben, ohne sich selbst aufzuheben, denn er beruht auf diesem Widerspruch. Er beruht auf dem Widerspruch zwischen dem öffentlichen und dem Privatleben, auf dem Widerspruch zwischen den allgemeinen Interessen und den Sonderinteressen. Die Administration muß sich daher auf eine formelle und negative Tätigkeit beschränken, denn wo das bürgerliche Leben und seine Arbeit beginnt, eben da hat ihre Macht aufgehört. Ja, gegenüber den Konsequenzen, welche aus der unsozialen Natur dieses bürgerlichen Lebens, dieses Privateigentums, dieses Handels, dieser Industrie, dieser wechselseitigen Plünderung der verschiedenen bürgerlichen Kreise entspringen, diesen Konsequenzen gegenüber ist die Ohnmacht das Naturgesetz der Administration. Denn diese Zerrissenheit, diese Niedertracht, dies Sklaventum der bürgerlichen Gesellschaft ist das Naturfundament, worauf der moderne Staat ruht, wie die bürgerliche Gesellschaft des Sklaventums das Naturfundament war, worauf der antike Staat ruhte. Die Existenz des Staats und die Existenz der Sklaverei sind unzertrennlich. Der antike Staat und die antike Sklaverei - offenherzige klassische Gegensätze - waren nicht inniger aneinander geschmiedet als der moderne Staat und die moderne Schacherwelt, - scheinheilige christliche Gegensätze."
(Marx, Kritische Randglossen, MEW 1, S. 401f.)

© KoKa 13.03.2006