"Es
ist nicht sehr sexy, an einem Sonntag herumzusitzen und über IWF
und Weltbank zu diskutieren. Wenn man nur mitmacht, weil es gerade
modern ist, wird einem sehr schnell langweilig." (Naomi Klein, in: jungle world, 21.02.2001)
Manchmal,
ja gar nicht so selten, wird man angegriffen, nein, nicht angegriffen,
das wäre ja noch Ehrensache, vielmehr angefeindet. Das zeigt sich
immer, wenn der »Vorwurf« lanciert wird, KoKa oder
wer auch sonst betreibe »bloß« Theorie, wo doch davon
nichts, dafür von der politischen »Praxis« umso mehr
abhängig sei. Klar ist damit schon, daß sich einer, der das
vorbringt, an einer Diskussion, die ja nun immer theoretischen
Charakter hat, gar nicht erst beteiligen will. Ein solcher
übersieht vorsätzlich, daß eine Theorie ohne Praxis gar
nicht zu haben ist. Was er will, ist eine Praxis ohne Theorie.
Entsprechend begriffslos gedenkt er durch die Welt zu laufen. Das
wiederum enthebt ihn nicht davon, Politik machen zu wollen und zu
machen.
Dementsprechend sieht die Politik dann aus. Auf der einen Seite
Politiker wie Gregor Gysi, die sich mit Haut & Haar dem
Parlamentarismus als Feld der Praxis (»Tribüne des
Klassenkampfes«, welcher dort nolens volens in einen nationalen
Kampf über- und in ihm aufgeht) verschrieben haben. Auf der
anderen Seite ein Anarchist, welcher sich heutigentags oft als Antifa
und/oder Autonomer bezeichnet, der das Feld des politischen Kampfes auf
der Straße sucht, wo immer es sich bietet. Beiden, der
Linkspartei und K-Grüpplern einerseits wie den Anarchozirkeln
andererseits geht es um die Macht als die Frage der Gewalt, die sie
ist. Doch nicht die Frage zu begreifen, sondern (auf die ein oder andere Weise) die
Gewalt zu ergreifen, gelte es. Während sich die Anarchos in
ihrer Spekulation sicher sind, daß sowieso alles auf die
Gewaltfrage hinauslaufe, sie also deshalb schon mal
»Klassenkampf« führten, erachten Linkspartei wie
ML-Vereinigungen das existente Gewaltmonopol ja schon mal für
gar nicht schlecht, es gelte nur noch, dies mit eigenen Leuten zu
besetzen. Was beide Fraktionen betreiben ist eine Affirmation der
Gewalt und keinesfalls ihre Kritik. Deshalb auch ihre prinzipielle
Theoriefeindlichkeit und Begriffslosigkeit, die gerade die Partei
DIE LINKE in der Öffentlichkeit – diese richtet ihren Fokus auf die Staatsinstitutionen – so furchtbar blöd dastehen läßt.
Natürlich treffen diese Apologeten der Gewalt auf die herrschenden
Apologeten der Gewalt: Eine Konkurrenzsituation, in der sie sich nichts
schenken, wie auch? Einigkeit besteht in ihren Gegnern, die Gewalt, in
welcher Form auch immer, speziell jedoch in ihrer politischen (alle
anderen sind daraus abzuleiten) für nichts anderes als
schonungsloser Kritik würdig halten. Diesen Gegnern werfen sie
unisono vor, nicht so sein zu wollen wie sie, nämlich
theoriefeindlich!
Ja, die parlamentarischen und antiparlamentarischen Linken geben sich mitunter sogar dazu her, gegen Gewaltkritiker wie KoKa
den herrschenden Gewaltvertretern Raum einzuräumen. Bereitwillig
und vorsätzlich. Ihre Blödheit legen sie darüber hinaus
in ihrer Konkurrenzsituation an den Tag, wie jüngst, als mal
wieder ein agent provocateur des Staates in ihren Reihen enttarnt wurde.
Wer übrigens gedacht hat, mit der Linkspartei entstünden
verbesserte Diskussionsmöglichkeiten – es sei an Michael
Heinrich erinnert –, der muß sich eingestehen, daß er
sich gewaltig getäuscht hat. Gysi gibt vor, was man als Deutscher zu denken hat und was nicht (siehe taz-Interview v. 17.06.)!
(18.06.11)
[Abbildung: Sozialismus heute: Von der Gewalt zur Moral und wieder zurück!
»Von der Faust zum Zeigefinger«, Karikatur von E. M. Lang,
1956, aus dem Buch »Ohne Putz und Tünche – Deutsche
Karikaturisten und die Kultur«]