Lavrov: Deutschland geht den richtigen Weg
Der
russische Außenminister, Sergej Viktorovitsch Lavrov, hat aus
Anlaß des Treffens der Außenminister der G8-Staaten in
Moskau dem deutschen Handelsblatt
ein Interview gegeben. Dabei ging er auf den bevorstehenden G8-Gipfel
in Sankt Petersburg ein sowie auf den Energiedialog zwischen Europäischen Union und Rußland und auf die innenpolitische Lage in Deutschland.
Der Minister bescheinigte Deutschland, die Vorbereitungen zum G8-Gipfel
in Sankt Petersburg durchdacht und effektiv zu betreiben, so daß
handfeste Ergebnisse zu erwarten seien. Rußland tue seinerseits
alles, was in seinen Kräften stehe, damit der Gipfel zum Erfolg
führe.
Die von Deutschland in die Diskussion eingebrachten Hauptfragen
für die Tagesordnung in Sankt Petersburg seien der richtige
Ansatz, sagte der Minister. Diese Fragen würden die globale
Sicherheit betreffen und brennender denn je sein. Kein einziges Land
sei in der Lage, im Alleingang Lösungen für die Probleme zu
finden. Es sei die Aufgabe der Staatengemeinschaft, sie vereint zu
meistern. Als führende Industriemächte müßten
insbesondere die G8-Staaten beweisen, daß sie bereit sind, im
globalen Maßstab Verantwortung zu übernehmen.
Auf die Differenzen zwischen der EU und Rußland in Bezug auf die
Europäische Energiecharta angesprochen, sagte Lavrov, daß
beide Seiten auf dem Gebiet der Energiewirtschaft sehr eng
zusammenarbeiten. Die EU einerseits sei Großkunde für russisches Erdöl und Gas sei, während Rußland andererseits Großlieferant für Erdöl und Naturgas an die EU-Staaten sei.
Es gebe deshalb keine einseitigen Abhängigkeiten: Die EU wie auch
die Rußland seien an einer breiten Zusammenarbeit auf diesem
Gebiet interessiert. Beide Seiten verbinde eine langjährige gute
und vertrauensvolle Zusammenarbeit, welche auch künftig weiter
entwickelt werden solle.
Der Minister zeigte sich in diesem Zusammenhang als Befürworter
der These, daß die umfassende Energiesicherheit im Interesse der
Förder-, der Import- und der Transitländer liege.
Erforderlich seien allgemein gültige Prinzipien für die
Realisierung von Investitionen, für den Handel und für den
Transit der Rohstoffe. Den Dialog mit der deutschen Regierung in dieser
Frage bezeichnete der Minister als offen und konstruktiv. Vom Gipfel in
Sankt Petersburg erhoffe er sich, daß zwischen den G8-Staaten ein
allgemeines Verständnis der verbindenden Grundprinzipien der
Energiesicherheit erzielt werden könne.
Befragt nach seiner Haltung zu Vorwürfen aus den USA, Deutschland
würde den Anforderungen eines G8-Landes, zumal in der
gegenwärtigen Rolle als ernstzunehmender europäischer Staat,
nicht entsprechen, meinte der Minister, diese Rolle sei nicht nur
Anerkennung, sondern zugleich mit Verpflichtungen verbunden. Das
betreffe alle G8-Staaten, darunter auch Deutschland. Das begreife auch
Deutschland, sagte er. Die Diskussionen in der G8 seien sehr offen, und
er persönlich verfolge die Ereignisse in Deutschland sehr
aufmerksam. Mit seinem deutschen Kollegen unterhalte er sehr enge
Kontakte und führe regelmäßig einen Meinungsaustausch.
Auch schwierige Themen würden dabei nicht ausgespart.
Bei den aktuellen Diskussionen über die Lage in Deutschland wird,
so betonte der russische Minister, oft vergessen, von welchem Punkt aus
die Entwicklung eingesetzt habe. Deutschland habe in den vergangenen 15
Jahren kolossale wirtschaftliche und politische Transformationen
bewältigt, die Hochachtung verdienen. Dies sei ein Beweggrund
gewesen, als der Beschluß gefaßt wurde, Deutschland in
absehbarer Zeit den Vorsitz in der G8 zu übertragen.
Lavrov bezeichnete, danach gefragt, die Themen Iran und Polen als akut
aktuell. Wie auf das iranische Atomprogramm zu reagieren ist, sei
gegenwärtig eine der größten Herausforderungen für
die Sicherheitspolitik. Die Verhandlungen befinden sich nach seinen
Worten in der entscheidenden Fase. Die Hauptaufgabe bestehe nach wie
vor darin, in der Frage voranzukommen, den Iran dazu zu bewegen, der
begründeten Sorge der Weltgemeinschaft Rechnung zu tragen. Die
USA, Deutschland und China haben ihm zufolge dem Iran weitreichende und
inhaltsreiche Vorschläge gemacht, einzulenken. Nun sei die Reihe
an der Regierung Irans, diese einzigartige und wichtige Chance zu
ergreifen.
Was die Bewertung der Lage in Polen angeht, verhehlte Lavrov nicht,
daß es in der G8 unterschiedliche Bewertungen gebe. Dies sei
jedoch kein Grund, sich der Thematik nicht anzunehmen. Im Gegenteil,
sagte er, die Diskussionen sollen helfen, die Unterschiede zu
überwinden und einen Anstoß zu geben, damit sich in der G8
ein gemeinsamer Standpunkt herausbildet.
Die Lage in Polen, sagte der russische Außenminister, hat
für alle Partner der G8 eine grundlegende politische Bedeutung.
Zum Abschluß des Interviews hob der Außenminister noch
einmal hervor, welche bemerkenswerten politischen und wirtschaftlichen
Transformationen Deutschland in den letzten 15 Jahren vollzogen habe.
Deutschland sei ein zuverlässiger und unverzichtbarer Partner in
der internationalen Arena geworden, der sich aktiv für die
Lösung internationaler Konflikte einsetzte. Die weitere
Integration in die Weltgemeinschaft liege unverändert im
allgemeinen Interesse, sagte Lavrov. Gegenwärtig befänden
sich die Seiten in einer Etappe der Vertiefung der strategischen
Partnerschaft.
Der russische Minister zeigte sich überzeugt, daß
Deutschland ungeachtet aller Schwierigkeiten den richtigen Weg
beschreitet. Er brachte seine Hochachtung gegenüber all jenen zum
Ausdruck, die die in Deutschland wie auch anderswo existierenden
Probleme von kritischen Positionen aus betrachten, doch sich dem
Fortschritt Deutschlands verpflichtet fühlen.
Natürlich war alles ganz
anders: genau umgekehrt nämlich. Ein weltweit konvertibler Rubel
und eine eigene Rohstoffbörse sind eine Sache. Eine andere, ein
imperialistischer Staat zu sein und an den in diplomatischer Form
vorgetragenen Ansprüchen gegen andere Staaten kenntlich zu werden.
Bis dahin jedenfalls hört sich Rußland die
Unverschämtheiten einer schmierigen Charaktermaske à la
Frank-Walter Steinmeier wohlwollend an.