Warum nicht einfach die FARC über den Verhandlungstisch ziehen, wenn sie schon militärisch nicht kleinzukriegen ist?
Verhandlungen über Frieden —  zwecks Ausbeutung!

Der kolumbianische Staat hat sich entschlossen, voranzukommen, und zwar nach den Maßgaben insbesondere der USA und das nicht erst neuerdings. Dieser Entschluß manifestiert sich in einer letzten Konsequenz in Freihandelsverträgen mit den USA und mit der EU. Kolumbien setzt so auf ausländisches Investment, um seine Wirtschaft zu entwickeln. Dafür stellt es den internationalen Konzernen gern Land & Leute zur kostengünstigen, für sie rentablen Vernutzung zur Verfügung.
"Die Ausbeutung der Rohstoffe im Zuge der »Lokomotive Bergbau« [Kolumbien ist beispielsweise größter Kohlelieferant der BRD] sowie großflächige Agrarindustrieprojekte sind ein zentraler Eckpfeiler der kolumbianischen Wirtschaft, Sektoren mit großem Wachstumspotenzial und zugleich Ursache vieler lokaler und regionaler Konflikte. ... Beispielsweise planen kolumbianische und internationale Unternehmen, die östliche Flachlandregion Llanos Orientales nach dem Vorbild Brasiliens in eine »Kornkammer« der Region zu verwandeln beziehungsweise Produkte wie Ölpalmen und Soja für die Herstellung von Biosprit anzubauen." (Lateinamerika Nachrichten, Nov. 2012).
Nun hat der Staat mit seinen gar nicht bescheidenen Ambitionen allerdings ein gar nicht so kleines Problem. Allen propagandistischen Erfolgsmeldungen und allen US-Waffen, US-Geldern und US-Militärberatern zum Trotz ist die Guerilla keineswegs kurz vor dem Ende. D.h. der Bürgerkrieg geht weiter und schreckt potenzielle Investoren ab. Das und der Erfolgsdruck, den die USA auf die Regierung unter Präsident Santos ausüben, hat diese dazu gebracht, nun den Versuch zu starten, sich der im Dschungel nicht besiegbaren Guerilla auf dem Verhandlungstisch zu entledigen. Da die FARC ihrerseits ganz andere Vorstellungen über einen Friedensprozeß haben —  es geht ihnen um die Durchsetzung wesentlich besserer Lebensbedingungen für die geschundene und verarmte Landbevölkerung —  und dafür auf die Garantie ihrer Waffen nicht verzichten will, wird ergebnislos verhandelt.
Dabei müssen die FARC mit einem zusätzlichen Handicap zurechtkommen. Ausgerechnet der sich so revolutionär gebärdende venezolanische Präsident Chavez hält gute zwischenstaatlichen Beziehungen zum Nachbarland Kolumbien für viel wichtiger als eine —  dabei störende —  Guerilla. Aus seiner Haltung heraus läßt sich schließen, daß er, ein sich aufblasender Mediator, einer Kapitulation der Guerilla keineswegs abgeneigt gegenübersteht: Die legt der frühere Putschist ihr nahe unter dem tröstenden Hinweis seine eh nicht aufzuhaltende bolivarische »Revolution« von oben. Sogesehen könnten die FARC getrost auf eine seitens Chavez für ebenso aussichtslos wie unnötig erachtete Revolution von unten verzichten.
Kurzum, die FARC haben alle politischen Größen gegen sich. So ist es nicht verwunderlich, wenn ihre Gegner ihr die Schuld am Scheitern der Verhandlungen zuschreiben werden, so sie das wirklich allzu großherzige Angebot zur Selbstaufgabe nicht unterschreibt. Die Selbstaufgabe ist der einzig wirklich wichtige, der unumstößliche Punkt auf der Agenda der Statthalter des Imperialismus in Bogota. Würden die FARC die Waffen tatsächlich niederlegen oder abgeben, wären all die dafür eingegangenen Zugeständnisse in Hinblick auf die überwiegend arme kolumbianische Bevölkerung bloße Makulatur. An etwaige solche will sich die Regierung nämlich keineswegs halten, zieht man ihr nationales Kapitalisierungsprogramm in Betracht, für das solcherlei Zugeständnisse überaus kontraproduktiv wären, 
offen betrachtet —  weit schlimmer als der anhaltende Krieg: "Nicht umsonst beeilten sich Regierung und Wirtschaftsvertreter_innen kurz nach der Ankündigung von Friedensgesprächen zu betonen, daß die kolumbianische Wirtschaft im Falle eines Friedensabkommens und den Freihandelsverträgen mit EU und Vereinigten Staaten um bis zu acht Prozent jährlich wachsen könnte. Die Aufnahme des Präsidenten des wichtigen Wirtschaftsverbandes ANDI, Luis Carlos Villegas, in die Verhandlungsdelegation ist ebenfalls als Signal zu verstehen, die bisherige Linie in der Wirtschaftspolitik nicht aufgeben zu wollen." (ebenda)
Investitionsbereites ausländisches Kapital und seine staatlichen Türöffner wären mit einem Scheitern der "Verhandlungen" einmal mehr vor den Kopf gestoßen. Die Regierungen in Washington und EU-Europa würden ganz sicher einen Verstoß, wenn nicht gegen die Freihandelsverträge, so doch gegen deren Geist sehen. Dieses Verdikt will sich die Regierung Santos ganz sicher ersparen. Noch dazu wo manche Indices der wirtschaftlichen Entwicklung nach oben weisen. De Papst, der Dealer Gottes, der —  wie man weiß —  in hauseigenen Wänden gerne Drogengelder waschen läßt, hat diesem "Friedensprozeß" jedenfalls schon seinen Segen erteilt.
Und die FARC macht —  was bleibt ihr auch anderes übrig? —  nach wie vor gute Miene zum bösen Spiel:
"Diese Möglichkeit [der politischen Konfliktlösung] bestand schon immer. Problem war nur, daß die kolumbianische Oligarchie keinen Millimeter von ihrer Macht abgeben wollte. ... Die FARC suchen seit ihrer Gründung nach Wegen des Friedens. Die bevorstehenden Gespräche sind eine neue Gelegenheit." (Guerillera Sandra Ramirez im ips-Interview, ips-Weltblick v. 01.10.12)
Die deutschen Imperialisten übrigens sehen die mit den Verhandlungen vollzogene bedingte Anerkennung der FARC voller Geifer im Maul. Nicht nur daß es ihnen stinkt, daß die Niederländerin Tanja Nijmeijer in Reihen der FARC gar nicht längst tot ist (sie sitzt in Havanna mit am Verhandlungstisch) —  diese Meldung haben sie 2010 von der kolumbianischen Regierungspropaganda übernommen, weil sie ihnen so schön in den Kram, der FARC das Totenglöckchen zu läuten, gepaßt hat —  nein, es stinkt ihnen sowieso ganz grundsätzlich, weil ihnen jede Opposition gegen ihre kapitalträchtigen Weltordnungspläne stinkt und sie es einfach für unmöglich halten, daß angesichts ihrer grandiosen Erfolge in Sachen Ausbeutung sich immer noch irgendwo auf der Welt Widerstand regt. Es sei hier die geifernde Deutschen Presseagentur (dpa) zitiert, der es offenbar —  sie kennt keine Hemmungen, pervers zu sein —  Spaß macht, den Gegner kontrafaktisch, d.h. unter der Gürtellinie anzugreifen (doch wer erwartet schon im Ernst etwas anderes von solch miesen, im Solde ihrer Nation und deren weltordnenden Vorhaben stehenden Journalisten?): "Seit 1964 bekämpfen die linksgerichteten FARC die Staatsmacht [großes dpa-Bäh!]. Kritiker [die dpa-Vor- und Nachdenker!] halten ihren Kampf aber kaum noch für politisch motiviert, sondern eng mit Drogenhandel, Mord, Geiselnahme und Lösegelderpressung verbunden [bei der dpa steht halt die Welt auf dem Kopf, damit sie ihr in den Kram paßt — wahrscheinlich sind die FARC auch für die kolossale Armut im Lande verantwortlich!]." (zit. nach AZ v. 24.10.12)


(28.10.12)