Die Kapitalentwertung in ihrem Lauf

Das, was die Spekulation heute charakterisiert, ist nicht in erster Linie die Spekulation auf einen realen, sich abzeichnenden Erfolg, vielmehr auf einen potenziell möglichen Erfolg, einen sich überhaupt nicht abzeichnenden Erfolg in Sachen Kapitalverwertung. Es handelt sich um Spekulation auf Spekulation.
Die Notwendigkeit einer Entwertung überakkumulierten Kapitals soll so bestritten werden. Doch genau das Gegenteil zeitigt das Resultat. Die Spekulation bläst das Kapital um zusätzlich fiktives Kapital auf und macht eine Entwertung deshalb keineswegs weniger nötig, ganz im Gegenteil. Je weiter die Spekulation auf die Aufblähung von Kapital getrieben wird, desto verheerender muß die Kapitalentwertung ausfallen, wenn an irgendeiner Stelle Zahlung verlangt wird, aber nicht (mehr) geleistet werden kann.

Zieht man in Betracht, daß die Aufblähung des Kapitals mit immer neuem Kredit die Krise augenfällig macht, so wird verständlich, daß das Kapital einer hohen Rendite eine hohe Sicherheit vorzieht. Denn nun gilt es ja, zu retten, was zu retten ist. Dies allerdings befördert aber erst recht die Krise, denn die Kreditvergabe wird zunehmend zurückhaltender vorgenommen – ausgerechnet in einer Situation, in der mehr Kredit denn je erheischt wird. Es wird zögerlicher Kredit vergeben, denn es muß ja damit gerechnet werden, daß er mit dem Fortschreiten der Krise immer uneinbringlicher wird. Das wiederum hat zur Folge, daß mehr denn je auf Zahlung bestanden wird und bestanden werden muß, wenn sie denn fällig wird, somit also eine Entwertung gerade so durchgesetzt wird.

Je mehr nun staatlicherseits in den Fortgang der Geschäfte gepumpt worden ist, desto mehr schlägt das auf die betreffende Währung zurück. Das wiederum erhält eine neue Qualität, wenn qua politischer Hoheit der ein oder andere Staat auf eine gemeinsame Währung – den Euro – verzichten würde, da die die in sie gesetzten Erwartungen einer erfolgreichen Kapitalisierung ihres nationalen Reichtums nicht (den Ansprüchen entsprechend ausreichend) zustande gebracht hat. Kein Gedanke wird dabei darauf verschwendet, was die so erfolgte Kapitalisierung an Kapitalverwertung wirklich zustande gebracht hat. (Woran man die prinzipielle Maßlosigkeit des Kapitals – und der Ansprüche seitens des Staates an es – sehr eindrucksvoll sehen könnte.)

Ob die erwünschte Kapitalisierung eines Staates dann in einer anderen Währung zustandekommt, ist zwar ebensowenig abzusehen, wie sehr es andrerseits unvorstellbar erscheint, ganz ohne einen Tauschwert als gesellschaftlichen Zweck »zurechtzukommen« (als ob das allenthalben unterstellte Funktionieren eines Systems der Witz der Sache wäre). Anders ausgedrückt: In der Tat wäre man wohl besser beraten, statt einer neuen (alten) Währung gleich eine geldlose  Gebrauchsgüterwirtschaft zu planen. (Dies an die Adresse aller Super-Nationalisten hierzulande, die die DM wieder einführen wollen und andere anderswo, einschließlich der griechischen KP, die die Drachme wiedereinführen möchte.)

Und was fällt Walter Roller, dem AZ-Chefredakteur dazu ein? "Es [der Krise Herr zu werden] setzt allerdings voraus, daß die beschlossenen Maßnahmen zügig umgesetzt und nicht zerredet werden. Es ist das Gezerre um den Anti-Schulden-Pakt und die mangelnde Klarheit über die Fortsetzung des Spar- und Reformkurses, die ständig neue Zweifel am Erfolg der Rettungsoperationen säen." (AZ, 13.06.12) Mit anderen Worten: Die Entwertung von Kapital ist auf mangelnden Glauben an es (gerade auch in seiner Kreditform!) und an seinen Erfolg zurückzuführen! Als ob die Rettungsoperationen (die neuen Staatskredite) selber nicht sein dürften, was sie – kapitalgemäß – sind, die nämlich, welche die Zweifel säen und schüren würden! Dahin kommt man, wenn man partout die reaktionäre Regierung gegen eine Opposition verteidigen will, die keine ist.

(13.06.12)