Italien: Der politisch-ökonomische Fortschritt wird unaufhaltsam vorangebracht!
1.
Die USA weiten ihre Stützpunktpräsenz gemäß der
strategischen Bedeutung des Mittelmeerstaats erheblich aus.
Vicenza soll bis zum Jahre 2010 wichtigster US-Stützpunkt in
Europa werden: Für Einsätze in Europa, im Nahen Osten und in
Afrika; hier wird die ganze 173. US-Luftlandebrigade konzentriert,
deren Einheiten heute zum Teil noch in Bamberg und Schweinfurt stehen.
Diese Brigade hat die Irak-Invasion von 2003 mitgemacht und kämpft
in Afghanistan. Weitere wichtige US-Stützpunkte in Italien sind
Camp Darby bei Pisa, Sigonella auf Sizilien und Gaeta, Taranto und
Neapel für die Marine. Nur hundert Kilometer von Vicenza liegt der
Luftwaffenstützpunkt Aviano, wo laut der Zeitung il manifesto mindestens fünfzig taktische Nuklearbomben für einen atomaren Angriff bereitgehalten werden.
Der
Ausbau der Ederle-Kasernen und des Militärflughafens Dal Molin in
Vicenza hat die uneingeschränkte Unterstützung der Regierung Prodi. Wer
also gemeint hat, die Prodi-Regierung würde sich von der
Berlusconis zumindest diesbezüglich unterscheiden und mehr eigenes
nationales, antiamerikanisches Selbstbewußtsein zeigen, sieht
sich getäuscht: So sind die Demonstrationsplakate in Vicenza
"Prodi Vergogna" (Schande über Prodi) zu verstehen.
2. Die Militäreinsätze Italiens im Libanon und in Afghanistan
stehen unter Prodi ebenfalls nicht zur Aufgabe an. Man wolle "die
internationalen Verpflichtungen respektieren", heißt es in Rom.
3. Italien soll von russischen Öl- und Gaslieferungen
unabhängiger gemacht werden. Dafür soll die Möglichkeit
geschaffen werden, aus Übersee geliefertes verflüssigtes Gas
wieder in seinen gasförmigen Zustand zu versetzen.
4. Darüber hinaus gibt es konkrete Vorschläge, in Sachen
Privatisierung, Ökonomisierung des Bildungswesens wie sonstiger
Infrastruktur (insbesondere der Bau der Hochgeschwindigkeitsstrecke TAV
- Treno ad’Alta Velocità - von Lyon nach Turin) und
Schaffung verbesserter Rahmenbedingungen in anderen
Bereichen das Kapitalwachstum im großen Stil voranzubringen.
Kosten dafür haben Beschäftigte, Arbeitslose, Rentner,
Schüler und Studenten zu tragen, wer auch sonst.
Soweit ist Italien also voll auf der Höhe der Zeit. Also auf
Höhe der internationalen kapitalistischen Konkurrenz. Der
Unterschied zu Berlusconi? Im Grunde keiner. Aber das wäre eh nur
für die Eitelkeiten demokratischer, parteipolitischer Konkurrenz
von Interesse, würde die nicht von einer interessierten
Öffentlichkeit dermaßen in den Vordergrund gerückt.
Die Politik der Regierung Prodi ist in einem 12-Punkte-Papier
zusammengefaßt, das parlamentarisch von der Regierungkoalition
abgesegnet wurde. Die World Socialist Web Site
konstatiert völlig richtig, daß die beiden kommunistischen
Parteien, Linksdemokraten und Grüne einer weiteren Rechtswendung
zugestimmt hätten. Zwar haben die Leitlinien zur
Außenpolitik einen zeitweiligen Dämpfer erhalten, weil im
Senat keine absolute Mehrheit für die Koalition (Enthaltungen
werden dort als Nein-Stimmen gewertet) zustandekam. Aber das formelle
Malheur ist mittlerweile aus der Welt.
Was Abweichler unter den Linken angeht: Die Rifondazione Comunista hat
ihren Abgeordneten Franco Turigliatto mittlerweile aus der Partei (PRC)
ausgeschlossen. Ein anderer Abweichler, Fernando Rossi, war bereits im
Sommer aus der PdCI (Partei der italienischen Kommunisten)
ausgeschlossen worden. Größtes Problem der linken Parteien
ist es, ihrer friedensbewegt-demonstrierenden Basis den Opportunismus
ihrer Führung zu verdolmetschen. Deshalb hatte am letzten
Sonntag Rifondazione in allen Teilen des Landes dazu aufgerufen,
auf die Straße zu gehen und Kundgebungen für die Prodi-Regierung
abzuhalten. Ob die PRC es allerdings schafft, mit ihrer Zustimmung
Prodi zu kompromittieren, darf bezweifelt werden. Zweck der
Veranstaltung ist dies ja ohnehin nicht, insofern nicht einmal eine
aberwitzige kommunistische Strategie - von kommunistischer Einsicht (über Staat und Imperialismus) eh ganz zu schweigen!
Eine solche Einsicht könnte dieses Buch befördern: L'imperialismo europeo ed americano funzionano troppo bene
(02.03.2007)