Umbruch in der arabischen Welt – Dank dem Internet?

Verschafft man sich im Internet einen Überblick über das dortige Angebot, so stößt man unweigerlich auf eine frappante Diskrepanz zwischen dem vielfältigen Angeboten, welche in ihrer Quantität beeindrucken, und der Qualität dieser Angebote, die ebenso beeindruckt – hinsichtlich ihres Nichtvorhandenseins. Diese Feststellung läßt sich leicht auf ihren Grund und damit auf die vorfindliche Substanz des Angebots zurückführen. Das Angebot ist, der Geschäftemacherei geschuldet, exzessiv, es bedient die Nachfrage nach Kommunikation, deren Mangel ebenjene kapitalistischen Verhältnisse gleichzeitig hervorrufen. Das Angebot multipliziert diese Nachfrage, gerade weil es dem Bedarf auch gar nie adäquat genug entsprechen kann.*

Nun wird verschiedentlich behauptet, die Umbrüche in der arabischen Welt wären ohne Internet und die mit ihm vorhandenen Methoden der Kommunikation nicht oder kaum denkbar. Ja noch mehr, unverbesserliche Ideologen von freedom & democracy behaupten gar, ihr famoses System und just ihr Internet sei Grund für den Umbruch, die Bevölkerung dort hätte ihnen zu danken und somit ihrem vortrefflichen System fortan zu huldigen. Andererseits sehen sie bei jedem von ihnen unerwünschten Gebrauch des Internets einen Mißbrauch, ja gar das Internet als Grund allen Übels (wie z.B. der Münchener CSU-Quatschkopf Uhl). Dabei liegt es auf der Hand, daß jedes technische Mittel für sich völlig zweckfrei ist. Es wird erst dann angewandt, wenn damit ein Zweck verbunden wird.

Eine zeitliche Kohärenz zwischen dem Aufkommen und der Verfügung über das Internet einerseits und einer Revolution in Arabien andererseits ist zum einen purer Zufall, zum anderen verständlich, insofern sich eine neue Bewegung vorzugsweise auch immer neuer, komfortablerer Medien bedient, sofern sie ihr erschwinglich sind. Ungeachtet dessen natürlich, woher sie kommen und woraus sie resultieren. Eine neue Bewegung wäre ja auch nicht besonders neu und revolutionär, verfiele sie gleich bei ihrem Entstehen wieder in Unterwürfigkeit. Eine Gefahr, die mittlerweile zumindest ein Teil der Revolutionäre in Ägypten und Tunesien erkannt zu haben scheinen.

Infam ist es also schon, wie technische »Errungenschaften« gesehen werden sollen, sollten sie ausnahmsweise mal politisch betrachtet werden. Gegen die, die es gebrauchen und gleichzeitig nicht mißbrauchen sollen. Aber auch gegen das Mittel selbst, seine ausschließende Zur-Verfügung-Stellung für das Eigentum und den Anspruch auf Vermehrung, einem Eigentum, dem auch politisch nicht widersprochen werden soll und darf. Insofern geht dann zwar nicht jede Revolution in Ordnung, aber jede Menge im Internet kursierender Schwachsinn. Soviel Freiheit muß sein. Die Freiheit zur Verblödung der arbeitenden Massen kann gar nicht großzügig genug bedient werden!

Betrachtet man facebook und ähnliche Portale, ferner die herkömmlichen Medien, die alle mit immensen Kapitaleinsatz auch im Internet ihre Dominanz ausüben, kann man nicht umhin, dem Internet die völlige Zweckmäßigkeit bei der Stabilisierung des kapitalistischen Systems zu attestieren.
Im übrigen ist es sauwurscht, wo man sich einen Begriff von den gesellschaftlichen Verhältnissen macht. Ob man Marx' Kapital und Deckers & Heckers Proletariat gedruckt oder im Internet studiert, egal. Wichtig ist allein das Ergebnis, das es mit dem eigenen Verstand festzuhalten gilt. Allen kritischen Internet-Bloggern wäre also eine Erhöhung ihrer geistigen Substanz und Schlagkraft dringend angeraten...

(07.08.11)
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* hieraus resultiert auch so ein Angebot wie WikiLeaks (siehe dazu den Artikel in GegenStandpunkt 1-2011)