Gioconda Belli

Sie verfolgten mich

mit ihren Blicken schlecht bezahlter Hunde, verfolgten mich
von Morgengrauen zu Morgengrauen,
bespitzelten mich,
drückten sich auf der Straße vor dem Haus herum, stellten ihre Autos an der Ecke ab
und gingen mir nach durch die ganze Stadt,
über alle Straßen, Kreuzungen, Ampeln.
Sie verfolgten mich
mit ihrem Verdruß, mit ihren
von Verbrechen und Foltergezeichneten Gesichtern. Sie belauerten mich,
meiner Angst sicher,
lauerten darauf, daß mir der Schlaf verginge,
daß meine Überzeugungen,
daß ich den Kampf und meine Brüder verriete.
Mit jedem Morgen fühlte ich
ein jedes Mal wütenderen Haß
und erfand mir Gedärme, ihn unterzubringen,
einen Haß, der nach Kugeln, Pistolen, Maschinengewehren verlangte,
einen Haß, dessen ich mich niemals fähig geglaubt,
der mich sie hätte umbringen lassen, kaltblütig.
Und verfolgten mich,
hörten mein Telefon ab,
überwachten meine Arbeit,
schickten mir Drohbriefe,
und ich, die ich mich nie für besonders mutig hielt, spürte jedesmal mehr Mut,
mehr Kraft
weiter zu kämpfen,
wie ich weitergekämpft habe,
                                    zum Teufel sollen sie sich scheren!


© Gioconda  Belli

Gioconda Belli


Bibliofile, zweisprachige Gedichtbände, im Peter Hammer Verlag  zu Wuppertal erschienen:

- Zauber gegen die Kälte - Sortilegio contra el Frío
- Wenn Du mich lieben willst (nur deutschsprachig)
- Feuerwerk in meinem Hafen - Apogeo
- Ich bin die Sehnsucht - verkleidet als Frau - Mi íntima multitud

Romane:

- Bewohnte Frau
- Tochter des Vulkans
- Die Verteidigung des Glücks  -  Erinnerungen an Liebe und Krieg
- Waslala
- Das Manuskript der Verführung