"Die »Gesellschaft für musikalische Aufführungs und (!) mechanische Vervielfältigungsrechte(!)« geht mir auf den Sack, jedenfalls im Internet." (ein das so mit Ausrufezeichen versehenes Zitat eines taz-Lesers, 21.04.12)

Normal im Sinne kapitalistischen Geschäftemachens ist das Metier der GEMA nicht. Weder ist sie Warenproduzent noch in der ein oder anderen Form Dienstleister eines Kapitals, sei es, daß sie ihr Geschäft mit Handel und Vertrieb der Waren macht, sei es, daß sie irgendeinem Kapital sonstwie zu Diensten steht, mit Krediten gar oder einer Spekulation auf seinen Erfolg. Auch in der Sfäre der Spekulation als solcher treibt sie sich nicht geschäftsinteressiert herum. Kurzum, nichts ist ihr so fremd, wie an einer Verwertung von Kapital beteiligt zu sein.

Diese Gesellschaft verwertet etwas ganz und gar anderes, sie verwertet Rechte: Also in Gesetzesform gegossene staatliche Gewalt pur. Für die Überwachung und Durchsetzung solcher Rechte schneidet sie sich ein Stück vom Kuchen kapitalistischen Gewinns ab. Einfach so, ins Recht gesetzt. Für das Prinzip Eigentum, der kapitalistischen Gesellschaft höchstes Recht. Alles wird unter das subsumiert, auch jeder – angeblich so freie – Gedanke unterliegt diesem Eigentumsvorbehalt. Ins Eingemachte geht es dann, wenn aus Gedanken pur ein Geschäft gemacht werden soll. Im Kapitalismus ist es ja wirklich so: Zuerst kommt das Geschäft, dann beispielsweise die Musik. Alle Musik, die kein Geschäft ist, zählt nicht wirklich als Musik. Das ist gerade denen bewußt, die als »Künstler« den geistigen Eigentumsschutz als Mitglied der GEMA suchen. Es liegt auf der Hand, daß solche Künstler ihre Kunst von vorneherein als Geschäft verstehen – und eben nicht als kreative Selbstverwirklichung, nur so zum Spaß halt. Da hilft auch nicht die Ausrede, daß sich eine Musikvermarktungsfirma für sie interessiert, um aus ihrer Kunst Geld zu machen: Die Zustimmung zu einem entsprechenden Vertrag obliegt dem Künstler, auch dann, wenn er sich nicht klar macht, worauf er sich einläßt. An dieser Stelle an Amy Winehouse, Michael Jackson und andere Fälle der Ruinierung von musikalischem Menschenmaterial durch große Konzerne zu erinnern, ist angebracht.
Kurzum, die GEMA sagt es selber:
"Als staatlich anerkannte Treuhänderin verwalten wir die Rechte ... und sorgen dafür, daß das geistige Eigentum von Musikschaffenden geschützt und sie für die Nutzung ihrer Werke angemessen entlohnt werden.
Dazu gehört auch, sich national und international für die Rechtsfortbildung des Urheberrechts
[so geschwollen vermag nur ein bürokratisches Monstrum daherzureden!] einzusetzen: Ohne sie könnte der schöpferische Mensch seine Kreativität nicht entfalten und wäre letzten Endes seiner Existenzgrundlage beraubt." (GEMA-Selbstdarstellung) Der gewaltsam etablierte und aufrechterhaltene Kapitalismus ist ihre Geschäftsgrundlage wie die des in ihm schöpferisch tätig werden wollenden Menschen. Etwas Anderes, Schöneres soll sich niemand vorstellen können. Parteigänger dieser Institution zu sein, heißt also, seine Fantasie und Schaffenskraft an der Garderobe von Staat und Kapital abzugeben. Freiwillig und (billig) entgeltlich.

Unentgeltlich Musik zu verbreiten, gilt also als Delikt wider das Eigentumsrecht. Verbreiten darf nur der etwas, der dafür eine Lizenz hat und abkassiert wird. Ansonsten wird er zensiert. Was man natürlich nicht als Zensur verstehen darf, denn der Gedanke und seine Äußerung  sind – gar nicht so natürlich! – frei.
»Entschädigt« wird der geistige Urheber, sofern er sich also bei der GEMA eingeschrieben hat; zu deren Konditionen versteht sich. Diese Konditionen sind willkürlich von dieser festgelegt. So kriegt eine Rockgruppe traditionell weniger als ein Orchester, das klassische Musik (Mozart und ähnlichen Feudal-Schrott) nachspielt.

Was nicht zuletzt aus der Historie der Anstalt herrührt: Die GEMA ist in ihrer monopolisierten Form aus der STAGMA (Staatlich genehmigte Gesellschaft zur Verwertung musikalischer Urheberrechte) entstanden, die von der NSDAP 1933 gegründet wurde und der 1938 auch eine letzte freie Vereinigung, die »Anstalt für mechanisch-musikalische Rechte« eingegliedert worden ist. Deren Geschäftsführer, Leo Ritter, verschenkte, modern wie er war, gerne Werbegeschenke; und zwar: Hitlers Bestseller »Mein Kampf«. Die STAGMA existierte nach 1945 ungebrochen fort und benannte sich 1947 in GEMA um. Man mag der STAGMA ja vorwerfen, sie sei im NS-Sinne mißbraucht worden, wenn sie zur Kontrolle geistigen Eigentums als probates Instrument gehandhabt worden ist: Nur: Die Kontrolle will doch der demokratische Staat genauso! Die Kontrolle als solche ist gar nicht der kritikable Gesichtspunkt. Kritikabel ist lediglich ein Eigentumsvorbehalt, der an eine Rasse gebunden ist: Einen Ariernachweis erheischt eine heutige GEMA-Mitgliedschaft nicht mehr, warum auch. Und NSDAP-Künstlern wie Herbert von Karajan, Karl Böhm und Wilhelm Furtwängler – die Nazis hatten bekanntlich eine große Vorliebe für theatralische Musik, andere Musik wie z.B. Jazz galt ihnen als »entartet« – ist ihre Parteimitgliedschaft nach dem Krieg
keineswegs in Rechnung gestellt worden. Sie bekannten sich ja – zumindest halbwegs – zu den neuen demokratischen Verhältnissen.
Die GEMA verschweigt
selbstredend ihre dunkle Vergangenheit auf ihrer Website.

Die GEMA gehört somit von vorneherein zum staatlichen Überbau der kapitalistischen Produktionsweise der 1949 gegründeten BRD.
Ihre Funktion gilt ebenso verbindlich für solche Kapitale, die sich dadurch behindert sehen wie solche, die dadurch sich vor überlegenem Kapital geschützt wissen bzw. wähnen. Es sind die weniger konkurrenzfähigen Kapitale, die sich davon Schutz ihres (geistigen) Eigentums versprechen bzw. die erwähnten Künstler, die eh am Tropf eines solchen Kapitals hängen. Für die anderen, die, die die Mittel haben, sie aus der Konkurrenz zu schlagen, ist diese Gesellschaft zunehmend lästig, in vorliegendem Falle also für die Google-Tochter YouTube. Daß die GEMA in dieser Hinsicht einen uneinsichtigen, ja totalitären Standpunkt einnimmt, ist jedenfalls unübersehbar (und keineswegs bloß historische Erblast).

Erst recht lästig ist die GEMA natürlich für den Arbeiter, der als Verbraucher auf seinen Geldbeutel achten muß, keinen Euro einfach zum Fenster hinauswerfen will, sofern er das überhaupt kann, und dem die Sache so erscheint, daß die GEMA ihn um sein gutes Recht bringt, wenn sie sogar da kassiert, wo es wirklich nichts kosten darf und soll, im online-Bereich: Als ob die GEMA nicht sowieso beispielsweise bei DVDs und CDs gehörig mit absahne! Bzw. wenn sie zahlungsunwilligen
wie YouTube vielfach – einfach das Licht ausschalten läßt. Da merkt das am Computer sitzende Individuum sehr schön, wo die Gewalt sitzt. Zensur freiheitlich.

Kurzum, es ist eines jener Kapitel fortgeschrittenen Kapitalentwicklung, wo immer deutlicher wird, daß die eingehausten Verhältnisse immer weniger haltbar sind. Umso mehr fürchten die Altvorderen der kapitalistischen Gesellschaft um deren Niedergang, wollen ihn mit zusätzlichen Restriktionen wie ACTA noch einmal extra haltbar machen...

Man sieht, mit der vielgerühmten Freiheit ist es nicht weit her, wenn es um die Prinzipien der Freiheit geht: Das Eigentum schlägt die Freiheit und nicht umgekehrt.
Kein Individuum braucht so ein bürokratisches Monster wie die GEMA, allein das kapitalistische System erfordert sie funktionshalber.

(27.04.12)