Curt Frenzel gründete 1945 zusammen mit Johann Wilhelm Naumann die Schwäbische Landeszeitung, Untertitel: Augsburger Zeitung. Während Naumann die Geschäfte führte, fungierte Frenzel als erster Chefredakteur. Nach der Etablierung von Regionalausgaben – der Mantel blieb derselbe, doch den verschiedenen Lokalteilen wurde der Titel angepaßt – änderte sich der Titel der Hauptausgabe in Augsburger Allgemeine; das Kürzel AZ blieb. Als Sozialdemokrat begründete Frenzel einen Nimbus der Fortschrittlichkeit, von dem das Blatt heute noch zehrt, wenngleich es von eingefleischten CSU-Anhängern lange Zeit in guter alter Nazitradition des Sozialismus, wenn nicht gar des Marxismus geziehen wurde; das hatte zur Folge, daß das Blatt sich sehr bemühte, die CSU nicht zu kurz kommen zu lassen, so daß nicht erst seit heute rund 95% des Inhalts ganz überparteilich für die CSU spricht.

Populär ist Frenzel heute noch, ziert doch sein Name das Eisstadion, dessen Überdachung er mit großzügigen Geldern veranlaßte, die er aber nicht mehr erlebte, er starb 1970. Frenzel war seit 1962 Präsident des AEV.
Am 30.10.1945 schrieb der Chefredakteur Curt Frenzel - damals 45 Jahre alt - in der ersten Nachkriegsausgabe der Schwäbischen Landeszeitung - Augsburger Zeitung folgenden Leitartikel, der beweist, daß jeder politische Ruch, gleich welcher Couleur, über ihn völlig gegenstandslos ist:


 

Curt Frenzel, Schwäbische Landeszeitung, 30. Oktober 1945

Was wir wollen

[1] Es ist nun ungefähr sechs Monate her, daß sich die Tragödie des Krieges vollendet hat. Deutschland erlebt eine Katastrofe wie noch nie in seiner Geschichte. Ein grauenhaftes Erbe hat uns das Dritte Reich hinterlassen: Zerstörtes Land, unsägliches Leid, bitterste Not!
Kein Zweifel: Das deutsche Volk kann sich zu großen Teilen noch keine rechte Vorstellung davon machen, was der Zusammenbruch für uns alle in seiner ganzen furchtbaren Tragweite bedeutet, und wir haben uns darüber völlig im klaren zu sein, daß der Nazispuk zwar verflogen, die Nazi-Partei zusammenbrach wie ein Kartenhaus, daß aber der Nazismus noch nicht überwunden ist. Wenngleich zwölf kurze Jahre genügten, das »Tausendjährige Reich
« Hitlers von der Landkarte auszuradieren, so wird Deutschland erst dann frei sein, wenn der Nationalsozialismus in all seinen Verflechtungen ausgerottet ist. Hitler hat einmal in einer Rede vor dem Reichstag – der in Wirklichkeit mit einem Parlament nichts zu tun hatte, sondern lediglich als Parteikongreß zu werten war – in einer Polemik gegen den englischen Ministerpräsidenten Churchill ausgeführt, daß am Ende des Krieges ein großes Reich zerfallen sein wird. Er hat ausnahmsweise recht behalten: aber nicht England zerfiel in Trümmer, sondern Deutschland ist zusammengebrochen. Es ist heute verfrüht, schon eine Antwort auf die Frage zu geben, ob das Unglück abzuwenden war. Der bevorstehende Nürnberger Prozeß wird uns wertvolle Hinweise darüber bringen, wie systematisch das Verbrechen dieses Krieges vorbereitet wurde. Das endgültige Urteil über die deutsche Tragödie wird die Geschichtsforschung in ihrer Unbestechlichkeit fällen, und das deutsche Volk wird rechtzeitig genug erfahren, in welch frevelhafter Weise das kostbare Juwel des Friedens vom Nazi-Regime dem Kriegsgott Mars geopfert wurde. War es schon ein Wahnsinn ohnegleichen, den Krieg überhaupt zu beginnen, so wurde es zum fluchwürdigen Verbrechen, ihn noch weiterzuführen, als schon seit Jahren feststand, daß er von Deutschland nicht mehr zu gewinnen war. Tausende und Abertausende von Männern, Frauen und Kindern wären heute noch unter uns, hätten noch ihr Heim und ihre Heimat...

Es hat sich jenes zynische Wort Hitlers erfüllt, daß es in diesem Kriege nur Gefallene und Überlebende geben wird. Nirgendwo in der Welt ist wohl ein Volk skrupelloser in das Verderben gestürzt worden, als im Dritten Reich, - ein Volk, das jetzt das grausame Gespenst des Hungers und der Not bannen muß, um nicht endgültig unterzugehen.

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[2] Wir haben heute nicht die Zeit, und es ist auch nicht unsere vordringlichste Aufgabe, langatmige Untersuchungen darüber anzustellen, in welchem Maße das deutsche Volk in seiner Gesamtheit wegen seiner Mitschuld verurteilt werden muß. Es ist indessen eine bedrückende Tatsache, daß wir nicht vermochten, aus eigener Kraft die braune Tyrannenherrschaft abzuschütteln. Das deutsche Volk ließ sich von Jahr zu Jahr auf eine tiefere Kulturstufe herabdrücken und es fand – von wenigen Ausnahmen abgesehen – nicht einmal den Mut zu einer wahrhaft bescheidenen, stillen Demonstration, indem es bei den Abstimmungen im Dritten Reich mit »Nein« stimmte oder den Stimmzettel ungültig machte. Durch seine Unentschlossenheit förderte es den Größenwahn der Nazi-Bonzen, die mit gefälschten Ergebnissen die Welt zu täuschen versuchten und immer mehr behaupteten, das ganze Volk stünde hinter ihnen. Die Größe der Schuld hat jeder einzelne vor seinem Gewissen zu verantworten. Es ist Aufgabe der Staatsregierung, beim Reinigungsprozeß den richtigen Maßstab anzulegen und sich nicht von falschem Mitleid leiten zu lassen, und es ist ferner mehr als recht und billig, wenn den Anhängern und Mitgliedern der Nazibewegung die Lasten der Katastrofe, die über uns hereingebrochen ist, in fühlbarer Weise aufgebürdet werden! Wir sind hart geworden im Nehmen – um einen Ausdruck aus der Sportsprache zu gebrauchen – wir sind aber auch hart geworden im Geben!

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[3]  Es liegen Aufgaben vor uns, die in ihrer Größe und in ihrer Schwere schier unlöslich erscheinen. Man könnte meinen, daß sie Menschenkraft übersteigen. Aber das Leben geht weiter, und wir wollen, daß aus den Ruinen des Dritten Reiches wieder neues Leben in den deutschen Landen entsteht.

Wir haben eine Chance, eine einzige und letzte zugleich. Die Alliierten haben Deutschland wohl besetzt, aber nicht zerschlagen. Sie haben auf der Potsdamer Konferenz ausdrücklich anerkannt, daß Deutschland politisch und wirtschaftlich als einheitliches Gebiet zu betrachten ist. Wir haben also jetzt die Möglichkeit zu beweisen, daß es auch noch ein anderes Deutschland gibt, als jenes, das in Schutt und Asche zerfallen ist.

Die gegenwärtigen Wochen erinnern in vieler Beziehung an die Zeit nach dem ersten Weltkrieg. Damals entstand die junge demokratische, parlamentarische Republik. Sie hat ihre Probe nicht bestanden, weil die demokratische Verfassung ihren Gegnern gesetzliche Handhaben gab, die junge Demokratie zu unterhöhlen. Die Kräfte, die damals die Demokratie erwürgten, sind dieselben, die jetzt Deutschland in seine große Katastrofe gestürzt haben, und wenn wir einen kurzen Blick zurückwerfen in die deutsche Geschichte, wenn wir das Buch des Jahres 1848 aufschlagen, so müssen wir immer wieder feststellen, daß alle Versuche, in den deutschen Ländern demokratische Gedankengänge zu verankern, von jenen Schichten sabotiert wurden, die auch heute die Hauptverantwortung für die trostlose Gegenwart haben: Faschismus und Reaktion. Denn: Der Nationalsozialismus ist nichts anderes als ein junger Bruder des Militarismus, und hinter beiden stand und steht immer jene dunkle Reaktion, die ein erklärter Feind jeden Fortschrittes ist, die nichts von einer sozialen Neuordnung wissen will, die aber auf der anderen Seite Militarismus und Faschismus vorschiebt, um sich selbst zu tarnen, um durch diese Trabanten ihre imperialistischen Ziele verkünden zu lassen.

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[4] Wie nach dem ersten Weltkrieg steht auch jetzt eine junge Generation einer schweren und unsicheren Zukunft entgegen. Man hatte damals den jungen Menschen vorgegaukelt, mit einer militärischen Laufbahn eine sichere Existenz zu gründen. Heute stehen diese jungen Menschen, die nichts anderes gelernt haben als das Waffenhandwerk und für einen vollwertigen Einsatz kaum zu gebrauchen sind, wieder wie ehemals vor dem Nichts. Diese Schichten bedeuten nicht nur eine soziale, sondern auch eine politische Gefahr. Sie wurden damals die Garde der Reaktion und eingesetzt zum Dolchstoß gegenüber der Demokratie. Haben wir das schon vergessen? Denken wir nicht mehr an jene Schüsse, die im August 1921 im Schwarzwald den Reichsminister Matthias Erzberger meuchlings niederstreckten oder an jenen feigen Mord in Berlin-Grunewald im Juli 1922, dem der Reichsaußenminister Walter Rathenau zum Opfer fiel? In beiden Fällen waren die Täter entwurzelte Menschen, die nichts anderes kannten als das Kriegshandwerk und die Angehörige waren jener schwarzen Reichswehr, aus der sich später SA und SS bildeten. Der damalige Reichskanzler Josef Wirth prägte zu dieser Zeit das Wort. "Der Feind steht rechts!", denn die Hintermänner jener Burschen waren eben aus jenen Kreisen, die als erklärte Todfeinde der Demokratie den Haß gegen das junge Deutschland systematisch schürten.

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[5] Wir wollen ein neues Deutschland bauen und aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. Unser Ideal ist, der Welt zu beweisen, daß doch eines Tages die Stunde kommen wird, in der die Welt wieder Vertrauen zu Deutschland haben kann. Unsere Aufgabe muß sein, in diesem schweren und schwerstem Aufbauwerk mitzuarbeiten. Wir wollen dafür sorgen, daß die Demokratie nicht zu einem hohlen Schlagwort wird, wir wollen dem deutschen Volke sagen, daß Demokratie die stärkste Bindung ist, die ein Mensch eingehen kann, weil er sich mit ihr freiwillig zu größter Selbstverantwortung und Selbstdisziplin bekennt. Die verantwortlichen Männer der Staatsregierungen haben gerade jetzt am Beginn des Wiederaufbaues die Möglichkeit, sicheren Grund für das neue Staatsgefüge zu legen. Soll der neue Staat gut fundamentiert sein, so müssen nicht nur jene Elemente von ihm ferngehalten werden, die im Faschismus und Militarismus ihr politisches Kampfziel erblickten, sondern auch jene, die von der freiheitlichen Entwicklung eines Volkes nichts wissen wollen. Es ist nicht damit gedient, daß heute hier oder dort Parteigenossen abgesetzt werden, wenn dafür Männer an deren Stellen kommen, die im Prinzip die gleichen Feinde von wehrhafter Freiheit und Menschenwürde sind. Wir wollen nicht mehr, daß heute Kinder geboren werden, die in 20 Jahren erneut in den Krieg ziehen sollen: wir wollen Frieden und ein friedliches Zusammenleben mit allen Ländern. Wir wollen eine Nation werden, der wieder geglaubt wird und von der die Welt mit Achtung spricht.

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[6] Der Weg, der uns aus dem Chaos führen soll, ist lang und steil. Blicken wir zurück, dann schauen wir in die Finsternis einer furchtbaren Vergangenheit, richten wir aber mutig und entschlossen den Blick nach vorwärts, dann sehen wir die endlose Straße, auf der wir zu pilgern haben. Sie ist erleuchtet durch ein fernes, schwaches Licht, das uns den Weg zeigt. Es ist das Licht der Hoffnung und des Selbstvertrauens. Sorgen wir dafür, daß es nicht verlöscht!

º



 

Anmerkungen:




[1] Es ist schon merkwürdig, daß das erste Sorge heischende Objekt der Nachkriegszeit Deutschland ist. Und das zweite die Geschichte, die deutsche, in die die »Katastrofe«, die »Tragödie« des Krieges nicht so recht hineinpaßt.
Und das dritte Objekt, das Volk, nicht irgendein Volk, nicht die kriegsgezeichnete Menschheit der überfallenen Staaten, nein, das deutsche Volk und dieses allein, als hätte das nicht über andere Völker eben dieses Elend gebracht, das es selber nun bejammern muß! Echt furchtbar!


Deutschland vom Nationalsozialismus zu befreien, wäre erst noch eine Aufgabe: Da spielt eine Ahnung mit, daß der in den Köpfen verankert ist. Die Unklarheit ist aber keine willkürliche, denn einer Absicht geschuldet: Wenn Deutschland befreit werden muß, dann doch nur so, daß ein neuer nicht-nationalsozialistischer Nationalismus an die Stelle des bisherigen gesetzt werden soll. Die Aufgabe besteht also darin, nach der Niederlage Deutschlands wieder guten Gewissens an Deutschland denken und glauben zu können.

Vom Kriegsergebnis aus betrachtet mag so manches wahnsinnig erscheinen, wenn man der – geglaubten – Ideologie des Systems nicht wirklich folgt: Glaubten Hitler und die Seinen nicht an die Vorsehung? Beruhte die nicht etwa auf der rassischen Überlegenheit des Deutschtums? War die nicht Garant genug dafür, daß, welcher Krieg auch immer begonnen wurde, er auch schon immer den einzig richtigen Ausgang nehmen mußte? Warum vollzieht Frenzel nun diese simple Logik nicht nach? Offenbar will er nicht wirklich an der Ideologie kratzen, er spricht das deutsche Volk frei, indem er den Übergang zu einer moralischen Verurteilung macht, einer Verurteilung einzelner Unholde. Deshalb räumt er dem Nürnberger Prozeß auch die hervorragende Rolle ein, die der sowieso aufgrund der Siegergewalt hat. Auch die Alliierten ziehen eine Verurteilung einem Urteil über das NS-Regime vor und retten so die Moral vor der Unmoral: Als ob es in politischen Machtfragen darum ginge! Moralfragen sind – wie hier anschaulich – Machtfragen allenthalben nach- und untergeordnet. Anders ausgedrückt: (Un-)Moral stellt staatliche Gewalt nie zur Disposition, wie könnte sie das auch! Zu ihrer Rechtfertigung bzw. Verurteilung taugt sie, aber immer nur für den Sieger. Sehr ärgerlich für den Frenzel Curt:

Er kennt wirklich nur EIN Volk - nur jetzt ohne Reich und Führer, wie schrecklich!

Nicht zu vergessen: Den Vorwurf der Dummheit erachtet Frenzel als das adäquate Urteil über die Faschisten und er läßt auch keinen Zweifel darüber aufkommen, daß er noch auf etwas anderes warten will. Das mag vermittels einer 
»unbestechlichen Geschichtsforschung« zwar kommen, würde aber von seinem Urteil, das – wie gesagt – sich auf eine Verurteilung reduziert, weder etwas hinwegnehmen noch Wesentliches hinzufügen. Bei dem disqualifizierenden Vorwurf übersieht er ebenso glatt wie vorsätzlich, daß der eine halbe Entschuldigung darstellt. Die Nazis wollten - so Frenzel - als Deutsche der deutschen Nation eigentlich keinen Schaden zufügen, nur hätten sie die »Schadensvermeidung« – als ob diese ideologische Rechtfertigung je ein nationales Programm ausmachen könnte! – allzu dumm angestellt! Als kluge Deutsche hätten sich jene Obernationalisten disqualifiziert, was man angesichts der Niederlage auch nicht lange beweisen muß. Und das wiederum spricht für die vielen kleinen Nationalisten, die, wiewohl sie einen eigenen Verstand besitzen, einfach so »mit«-gemacht haben. Ist Frenzel nicht aufgefallen, daß zum einen bloßes Mitmachen wohl kaum diesen gigantischen nationalen Aufbruch hervorgebracht hätte, der im Zusammenbruch endete, und zum anderen, daß dieses bloße »Mitmachen« auch schon ein gewaltiger Fehler war? Es wollte ihm als wirklich guten und klugen Deutschen bei beschworener Gefahr des endgültigen Untergangs schlichtweg nicht auffallen!

*

[2] So will er sich auch überhaupt keine Zeit nehmen, diesbezüglich Untersuchungen anzustellen. Wo sie doch nur »langatmig« sein können! Ja, im Konjunktiv herumjammern, das versteht Frenzel, der nach nationaler Runderneuerung strebende, dessen Blick an der Landesgrenze sein Ende hat, weil zum einen weltbewegende, imperialistische Ambitionen erst einmal nicht anstehen können und zum anderen er sowieso nie anders über die Welt nachdenken kann, als wie Deutschland in ihr vorkommt.

Ja, der Stimmzettel! Frenzel tut so, als ob der für eine
Demonstration geeignet wäre und nicht jeder nationalen Herrschaft zur Akklamation gereichen würde: Die Minderheit gibt sich dann eben als Minderheit geschlagen und unterwirft sich als solche! Und überhaupt, brauchten die NaziBonzen« da überhaupt viel fälschen, wenn das Volk nicht einmal still zu protestieren bereit war?

Das Volk wird entschuldigt, es wäre lediglich 
»unentschlossen« gewesen, und zur inneren Einkehr geschickt: Ist es mit seinem Gewissen im Reinen? Sich und seinen Lesern Klarheit über die Interessenlage von Staat und Untertanen zu verschaffen, das verwirft Frenzel, so wieder in die nationale Offensive gehend: Es ist für ihn kein Fehler, als »Volk« herumzulaufen, nur muß die Herrschaft auch dazu passen, damit das nationale Selbstbewußtsein in Ordnung geht. Wenn die Herrschaft nicht paßt, muß man daran erinnern, wer das Volk ist, und daß gerade einem deutschen Volksangehörigen eine viel bessere Herrschaft zusteht als die gerade abgesetzte. [In der Ostzone hat das blöde Volk ja dann 1989 ziemlich alles richtig gemacht. Genützt hat es ihm trotzdem nichts: Wie immer läßt es sich von einer neuen Herrschaft für dumm verkaufen.]

Sehen 
»wir« - das nationale WIR ist dem national denkenden Frenzel keineswegs abhanden gekommen! Er benutzt es in diesem Artikel 18 mal allein im Nominativ - es sportlich: Das mit dem Geben und Nehmen hat ein Frenzel ja wohl von den Nazis gelernt: Hat deren Erziehung selbst in der Niederlage etwas Gutes?

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[3]   Das ist ja eine superaffengeile Chance, die in der puren territorialen Größe, aus der die menschliche Schlagkraft erwächst, besteht. So hartgesotten national wie Frenzel argumentiert, ist das nicht der Hammer? Er feiert es als (kampflos errungenen) Erfolg, daß das Reich nicht in x-beliebig viele Teile zerstückelt worden ist, was die Alliierten ja auch hätten lässig bewerkstelligen können.

Nicht daß ein Staat - welcher Sorte auch immer - seinen Gegner vorsätzlich Handhaben böte, gegen ihn vorzugehen - demokratische Wahlen, Parteien und all die demokratischen Institutionen sollen ja gerade in ihrer Funktion und der Funktionalisierung ihrer Kritiker selbst ihre Gegner auf das System festlegen, sie von ihm überzeugen, wenn und indem sie sich darauf einlassen -, so ist doch das Programm des neuen Staates, der Weimarer Republik, gescheitert: Gestandene Nationalisten fanden es nämlich gar nicht geil, die deutsche Staatsräson in Unterordnung unter die siegreichen Alliierten zu definieren [das kritisierte übrigens auch die KPD, 
»recht verstandenem«  Nationalismus nicht abhold!].  Den Grund für diese »Sabotage« galt also dem politischen System auch nur insoweit, also insofern es den nationalen Ambitionen nicht adäquat erschien; auf Wahlen, Parlament etc. ließen sich die Nazis daher lässig ein; am Eigentum als einem der zentralem Rechtstitel der demokratischen Gewalt hatten sie bekanntlich nichts auszusetzen, sie unterstrichen lediglich dessen nationale Verpflichtung. Noch heute glaubt mindestens jeder zweite deutsche Staatsbürger, daß der Spruch »Gemeinnutz geht vor Eigennutz« ein zutiefst demokratischer sei, der um Himmels Willen nicht bzw. allenfalls zu Unrecht in Hitlers »Mein Kampf« gefunden werden könne - Frenzel ist übrigens einer davon, wenn er von »Nazi-Bonzen« spricht. Die Nazis brauchten sich mit ihrer Kritik an der internationalen Unterordnung des deutschen Staates also keineswegs zu verstecken, sie haben sie laut ausposaunt und eine weltpolitische Neuordnung im deutschen Sinne angestrebt. Im übrigen hatte nicht zuletzt der SPD-Fraktionsführer Wels bei ihnen beantragt, die SPD aufgrund ihrer mehrfach erwiesenen nationalen Verantwortung in eben diese nationale Verantwortung mit aufzunehmen! [Die Ablehnung seitens der NSDAP stellte sich dann 1945 als wahrer Glücksfall für die SPD-Nationalisten heraus!]

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[4]   Ja, das fällt ihm jetzt ein, nachdem die Demokraten damals in schöner deutscher Tradition die einzig wirkliche Gefahr links verortet haben und die Sozialdemokratie alldieweil sich auf die Seite der Reaktion gestellt hat.
War der Ruf Wirths nicht ein Ruf in der Wüste? Oder war er sowieso nur geheuchelt? Denn: Was fielen der damaligen Demokratie für Argumente gegen
»Rechts« ein? Und welche nach dem Zweiten Weltkrieg?

Mit der
»Entwurzelung« gebraucht Frenzel übrigens ein rassistisches Argument, das besagt, daß der so gescholtene deutsche Mensch eigentlich zu etwas Höherem auserwählt wäre, nämlich zum Dienst an seinem Staat. Und es ist eine den Nazis kongeniale Kritik an der Demokratie, daß sie es nicht vermocht hätte, solcherart Menschen dem Staate zu verpflichten! Der NS-Staat hatte es geschafft, sogar der Kanzler war ein vormals Entwurzelter.

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[5] Doch vielleicht hat sich Frenzel noch eine Pointe zum Schluß aufgehoben?

»Fehler« - das hört sich gut an, doch dann folgt nichts, was die Fehler benennen würde. Frenzel erachtet es als zweckmäßig, beim staatlichen Neuaufbau vorausgehende Fehler in einer Wolke weitestgehender Mutmaßungen zu belassen: Um damit ungerührt zu solchen Schlußfolgerungen kommen zu können: Daß die Demokratie die stärkste Volksgemeinschaft sein muß, die man sich überhaupt vorstellen kann, weil sie "freiwillig zu größter Selbstverantwortung und Selbstdisziplin" auf- und herausfordert. Soll man ausgerechnet einem ob seiner unübersehbaren Gewalt kritisierten Staat wieder nichts anderes entnehmen, als daß die neue Gewalt und seine völkische Grundlage wirklich noch viel besser sein müsse, damit ja was eigentlich? Damit der nationale Erfolg diesmal dann wenigstens verbürgt ist!?

Die Demokratie als antimilitaristischen Projekt zu denken, das war zweifellos der damaligen Lage geschuldet, dem Opportunismus des Zeitgeistes angesichts eines nationalen Desasters sonder Güte; und das war wiederum ein Jahrzwölft später so etwas von obsolet und revisionsbedürftig, daß der Vergleich zum nicht besiegten Militarismus nach dem 1. Weltkrieg gar nicht mehr aufkam.


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[6] Streicheleinheiten für ein deutsches Gemüt, wie es sie verlangt: Als Volksgenosse bist Du nicht allein! Kämpfen und siegen! [Das ist ganz unsportlich gemeint, wenngleich der Sport eben auf nationaler Ebene diesen Übergang macht: Deshalb sind die Olympiaden und Weltmeisterschaften auch so wichtig: Doch nicht wegen dem Sport als solchem!]

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