Charles Fourier
über die Frauen

Die Erniedrigung der Frau
Kann man auch nur einen Schimmer von Gerechtigkeit in dem Los erblicken, das den Frauen beschieden ist? Ist das junge Mädchen nicht eine Ware, jedem feilgeboten, der ihren Erwerb und Alleinbesitz aushandeln will? Ist ihre Zustimmung zum Ehebund nicht der blanke Hohn, erzwungen durch die Tyrannei der Vorurteile, die sie von Kindheit an bedrängen? Man will ihr einreden, sie trüge Ketten aus Blumen; doch kann sie sich über ihre Erniedrigung täuschen, selbst in jenen von Philosophie aufgeplusterten Ländern wie England, wo die Männer das Recht haben, ihre Frau mit dem Strick um den Hals zu Markte zu führen und sie wie ein Stück Vieh demjenigen zu verkaufen, der den Preis dafür zahlen will? Ist unsere öffentliche Meinung in dieser Beziehung etwa fortgeschrittener als in jenen rohen Jahrhunderten, in denen ein gewisses Konzil von Burgund, ein wahres Konzil von Vandalen, darüber beriet, ob die Frauen eine Seele haben? Und dies wurde nur mit einer Mehrheit von drei Stimmen bejaht. Die von den Moralisten so hoch gepriesene englische Gesetzgebung gesteht den Männern noch weitere Rechte zu, die ihr Geschlecht nicht minder entehren, zum Beispiel das Recht des Ehemanns, sich von dem überführten Liebhaber seiner Frau eine finanzielle Entschädigung zahlen zu lassen. In Frankreich sind die äußeren Formen zwar weniger plump, dq,gh die Sklaverei ist im Grunde auch hier dieselbe. Hier wie überall sieht man junge Mädchen dahinsiechen, krank werden und sterben, weil ihnen eine Verbindung fehlt, welche die Natur gebieterisch verlangt und die ihnen das Vorurteil unter Androhung der Entehrung versagt, solange sie nicht rechtmäßig verkauft worden sind. Solche Fälle kommen zwar selten, aber doch häufig genug vor, um die Sklaverei des schwachen Geschlechts, die Mißachtung des Willens der Natur und das Fehlen jeder Gerechtigkeit gegenüber den Frauen zu bezeugen. (I,130-131)

Die erste Maßnahme der Gerechtigkeit gegenüber den Frauen wäre, ihnen Volljährigkeit in der Liebe zu gewähren, sie in einem bestimmten Alter von der Schmach zu befreien, zum Verkauf ausgestellt und gezwungen zu werden, so lange auf Männer zu verzichten, bis ein Unbekannter auftaucht, der sie erhandelt und heiratet. Ich meine, man hätte die Frauen, sobald sie achtzehn Jahre sind, für emanzipiert und frei erklären sollen, vorbehaltlich einer schicklichen Regelung ihrer Liebschaften.
Mit achtzehn Jahren hat eine Frau bereits vier Jahre körperlicher Reife durchlebt; dies ist meines Erachtens eine hinreichende Zeitspanne, in der die Männer der Stadt oder des Bezirks sich überlegen und darüber schlüssig werden können, ob sie sie haben wollen oder nicht.
Da die Männer, nach dem Gesetz des Stärkeren, darauf bestehen, den jungen Mädchen allen Genuß zu untersagen, um ihre erste Blüte dem nächstbesten Grobian aufzusparen, der sie erhandelt — müßte man dann nicht für das Wohl derer sorgen, die keinen Käufer finden? Sollte man sie nicht nach einigen Versuchsjahren unter die Leute bringen und sie ermächtigen, nach eigenem Gutdünken zu handeln und sich rechtens einen Liebhaber zu nehmen, den sie sich ohne diese Erlaubnis ja ohnehin nehmen? Das junge Mädchen, das nach vier Jahren der Ausstellung auf Bällen und Spaziergängen, bei Hochämtern und Predigten keinen Gatten gefunden hat, läuft Gefahr, niemals einen zu finden; denn die Gründe, welche die Männer abgeschreckt haben, sind nach den vier Versuchsjahren dieselben wie zuvor. [. . .]
Es wäre umso vernünftiger, etwas für die sitzengebliebenen Mädchen.zu unternehmen, als sie gemeinhin die schönsten sind und die schönsten Kinder gebären würden. Man sieht viele schöne Frauen ledig bleiben, weil ihre Schönheit ein Schreckgespenst für die Männer ist, denn sie fürchten das Hahnreitum und machen die Ehe zu einer Angelegenheit der Vernunft, Eifersucht und Habgier. Solch häuslicher Macchiavellismus läßt gerade die vortrefflichsten Mädchen brach liegen, die am geeignetsten wären, einen Haushalt zu führen. Es gibt nichts Empörenderes, als diese unglücklichen Mädchen nur deshalb verschmäht zu sehen, weil kein Gold zu ihren Gunsten spricht. [. . .]

Fourier - Harmonie Die jungen Mädchen, die mit zwanzig Jahren noch ledig sind, werden von den Männern verhöhnt. Man macht sich über die Verschmähten lustig, überhäuft sie mit Spott und Anzüglichkeiten, und die öffentliche Meinung zwingt sie, gegen das Gesetz zu verstoßen und sich heimlich einen Liebhaber zu nehmen. Die Männer sind den Frauen gegenüber so giftzüngig, so ungerecht, daß sie sie in jedem Falle verlästern, ob sie nun ihre Jungfräulichkeit bewahrt oder in einem Alter verloren haben, in dem es immer schwerer wird, diese Bürde zu tragen. Was riskiert man denn, wenn man den Frauen über achtzehn Freiheit in der Liebe zubilligt, und welche Vorteile hat das Unterdrükkungssystem der Philosophen bisher eingebracht? [. . .]
Die Liebesfreiheit entwickelt kostbare Eigenschaften bei jenen Klassen, die diese Freiheit am meisten genießen, nämlich bei den Damen edler Herkunft, den Kurtisanen mit vornehmer Lebensart und den unverheirateten Kleinbürgerinnen.
Bei diesen drei Klassen von Frauen ist die glücklichste Entwicklung zu beobachten; ließen sich ihre Eigenschaften vereinen, so erhielte man die Vollendung. Die Hofdamen, worunter ich die galanten Damen verstehe, benehmen sich frei und ungezwungen, ihr gewinnender Ton erweckt Freundschaft. Sie verführen denjenigen, der sie zum ersten Mal sieht, auf Anhieb; er glaubt, überirdischen Wesen zu begegnen, so sehr stechen sie von den Bürgerinnen ab, diesen Lügenmaschinen, diesen engen Seelen, in deren Herzen ausschließlich die materielle Liebe herrscht, so daß andere Leidenschaften keinen Platz mehr darin finden; die keiner Freundschaft, keiner Begeisterung für die Kunst oder ande-
id rer edler Gefühle fähig sind. Ohne Zweifel haben auch die Hofdamen ihre schwachen Seiten, aber sie verleihen der Intrige Buntheit, Natürlichkeit und Großmut. Kann man sie darob tadeln, daß sie es verstehen, das Laster zu verschönen, das ohnedies in der Zivilisation herrscht?
Die Kurtisanen mit vornehmer Lebensart haben, von gewissen Schlichen abgesehen, die ihre Lebensweise nötig macht, viele edle Eigenschaften. Sie sind zuvorkommend, hilfsbereit und herzlich, und ihr Charakter wäre erhaben, wenn sie ein gutes Auskommen hätten; ein Beispiel dafür ist Ninon. Ans Vergnügen gewöhnt, verlieren sie jene Verschlagenheit, jene fleischlichen Hintergedanken, die man bei den moraltriefenden Bürgerinnen und Hausfrauen antrifft, die hinter ihren zur Schau gestellten Gefühlen in jedem Augenblick eine Sinnlichkeit durchblicken lassen, die sie hartnäckig leugnen, eine Sinnlichkeit, die keine Frau entstellt, wenn sie mit den Regungen der Seele in Einklang steht, wie es bei den Damen der Fall ist, die offen ein galantes Leben führen.
Die Kleinbürgerinnen, Ladeninhaberinnen, Arbeiterinnen usw. sind vor ihrer Heirat eine Klasse vollständig freier Frauen, vor allem in den großen Städten. Vor den Augen von Vater und Mutter haben sie einen Liebhaber, wechseln ihn bei jeder Gelegenheit und genießen im Überfluß, was den Mädchen höheren Standes versagt wird. [. . .] Gewiß ist ihre Sucht, sich beständig zu verstellen, tadelnswert; aber diese Sucht ist dem schlechten Benehmen der Männer aus dem mittleren Stande anzulasten, die sie umgeben. Im übrigen haben sie glückliche Anlagen; sie sind vor allem ausgezeichnete Hausfrauen und den höheren Töchtern aus der Beletage bei weitem vorzuziehen.
Kurz, man würde den weiblichen Charakter zur Vollendung erheben, wenn man die Eigenschaften der drei genannten Klassen von Frauen vereinen könnte; und eben dies würde eine Gesellschaftsordnung leisten, die dem weiblichen Geschlecht den vollen Genuß der Liebesfreiheit gewährt. Da ihr jedoch nur ein Ziel zu erreichen trachtet, nämlich das der Hausfrau, mißrät euch alles, und zwar weil ihr euch zu wenig vorgenommen habt. Eure jungen Mädchen, aufgebläht mit Vorurteilen und Philosophie, sind unnatürliche, stets von Begierden zerfressene Geschöpfe; ihr Geist ist beständig zerstreut, sie arbeiten nur mit Widerwillen, behandeln die schönen Künste, die man sie lehrt, nur oberflächlich, vergessen nach der Heirat alles, was man ihnen beigebracht hat, und werden bald schlechte Hausfrauen, wenn der Gatte nicht geschickt genug ist, sie an der Leine zu führen. Die Welt verblendet und umgarnt sie um so rascher, als sie keinerlei Erfahrung haben, während eine Frau, die schon vor der Ehe Erfahrungen gesammelt hat, weniger auf Vergnügungen erpicht ist, die Arglist der Gala-
ne besser kennt und sich um so mehr an den Haushalt und den Gatten bindet, als sie ihn als Schutz gegen männliche Nachstellungen betrachtet. Nimmt sie Stellvertreter, so mehr der Abwechslung als der Leidenschaft wegen; über ihren Liebschaften wird sie die Interessen des Haushalts nicht aus den Augen verlieren und das unvermeidliche Mißgeschick des Hahnreitums möglichst versüßen. Solche Frauen passen vorzüglich zu sorglosen Männern, zu den gutmütigen Gatten, die eine energische Frau brauchen, ein Mannweib, das das Steuer des Haushalts zu handhaben weiß und die Hosen anhat. Eine solche Ehefrau wird einen schwachen Mann glücklich machen, denn sie schenkt ihm die wahre Gattenliebe, die doch nichts anderes ist als eine Interessengemeinschaft zwischen den Ehegatten, ein Bündnis gegen die Niedertracht der Gesellschaft.
Doch wie viele andere Männer gibt es, die sich mit jenen von Vorurteilen überpuderten Frauen, jenen philosophischen Automaten nicht abfinden können, deren Charakter ein unlösbares Rätsel ist und die mit ihrer gespielten Naivität das Mißtrauen selbst der Philosophen erregen! Denn sie wissen besser als irgend jemand, wie wenig man der Unschuldsmiene trauen darf, die die Erziehung den jungen Mädchen aufsetzt. Jede Frau von lockerem Lebenswandel erschien vor ihrer Ehe so unschuldig wie eine andere; dieser Firniß aus Züchtigkeit ist eine Maske, die keinen Mann täuscht und die Heirat nicht beschleunigt, sondern nur dazu dient, die Frauen in der Kunst der Verstellung zu üben. Man weiß, daß ein Liebeshauch genügt, in ihnen Leidenschaften zu entfachen und einen noch unbekannten Charakter zu entwickeln, dessen Güte oder Bosheit selbst für erfahrene Männer ein undurchdringliches Geheimnis bleibt. Kurz, das ganze Geschwätz über die moralische Erziehung ist nur ein circulus vitiosus, wie alle zivilisierten Bräuche, und bringt allen Ehemännern nur die Schande ein, die sie vermeiden wollen. Die Philosophen verwirrt nur die Erkenntnis, daß man letztlich doch zu dem Hahnreitum gelangt, vor dem ihnen graut. Daher ändern diese Gelehrten auch täglich ihr Erziehungssystem, mit dem einzigen Ergebnis, die Neigungen der jungen Mädchen zu verschleiern, nicht aber zu verändern. [. ..]
Sie regen sich auf, wenn man die Frauen für die Wissenschaft oder die Kunst erzieht; sie möchten in den jungen Mädchen nur ein Interesse wecken, das für den Kochtopf; das sind ihre eigenen Worte, die sie sogar von der Bühne verkünden. Es ist ihnen nur daran gelegen, alle Freude am Genuß zu vergällen; für die Zukunft sehen sie nur Hörner voraus. Sie schimpfen über den Geschmack der Frauen und sind argwöhnisch wie die Eunuchen im Harem. (I, 133-137)

Es ist verwunderlich, daß unsere Philosophen den Haß der antiken Gelehrten auf die Frauen geerbt haben und daß sie fortfahren, das schwache Geschlecht herabzusetzen, einiger Schliche wegen, zu denen die Frau durch den Druck gezwungen ist, der auf ihr lastet; denn man rechnet ihnen jedes Wort und jeden Gedanken, die mit dem Willen der Natur übereinstimmen, als Verbrechen an.
Von diesem tyrannischen Geist ganz durchdrungen, preisen uns die Philosophen einige Megären der Antike, die auf höfliche Worte grobe Antworten gaben. Sie preisen die Bräuche der Germanen, die ihre Frauen wegen einer Untreue mit dem Tode bestraften, ja sie erniedrigen das schwache Geschlecht noch dann, wenn sie ihm Weihrauch streuen. [. .] Die Frauen könnten den Philosophen erwidern: eure Zivilisation verfolgt uns, sobald wir der Natur gehorchen, man zwingt uns, einen künstlichen Charakter anzunehmen und nur Antrieben zu folgen, die unseren Wünschen widersprechen. Um uns diese Doktrin schmackhaft zu machen, blieb euch nichts anderes übrig, als Illusionen und eine verlogene Sprache ins Feld zu führen. Genauso treibt ihr es mit dem Soldaten, dem ihr Lorbeeren und Unsterblichkeit vorgaukelt, um ihm über sein elendes Los hinwegzutäuschen. Wäre er wirklich glücklich, dann könnte er eine einfache und aufrichtige Sprache vertragen, die ihr ihm aber wohlweislich vorenthaltet. Ebenso steht es mit den Frauen. Wären sie frei und glücklich, so würde es sie weniger nach Illusionen und Schmeicheleien gelüsten.
[...]
Wenn es aber nötig ist, das Militär und das weibliche Geschlecht, ja das ganze Volk ständig zu betrügen, so ist das eine Anklage gegen die Philosophie, die in dieser Welt nichts anderes zu organisieren vermochte als Unglück und Knechtschaft. Und wenn die Philosophie über die Fehler der Frauen spottet, dann kritisiert sie nur sich selbst; sie ist es, die diese Fehler durch ein Gesellschaftssystem hervorbringt, das die Fähigkeiten der Frauen von Kindheit an und während ihres ganzen Lebens unterdrückt und sie zur Verstellung zwingt, um ihrer Natur gehorchen zu können.
Beurteilt man die Frauen nach dem schlechten Charakter, den sie in der Zivilisation entfalten, so ist das, als wollte man die Natur des Menschen nach dem Charakter des russischen Bauern beurteilen, der weder Ehre noch Freiheit kennt, oder den Biber nach dem Stumpfsinn, den er als Haustier zeigt, während er doch in Freiheit und bei gemeinschaftlicher Arbeit der intelligenteste aller Vierfüßler ist. Außerhalb dieser freien Ordnung aber wird die Frau, gleich dem domestizierten Biber oder dem russischen Bauern, zu einer Kreatur, die so weit unter ihrer Bestimmung und ihren Fähigkeiten lebt, daß man geneigt ist, sie zu verachten, wenn man sie nur oberflächlich und nach dem äußeren Schein beurteilt. Darum darf man sich nicht wundern, daß Mohammed, das Konzil von Burgund und die Philosophen darüber stritten, ob die Frau eine Seele habe, und nur daran dachten, ihre Ketten noch härter zu schmieden, statt sie zu brechen.
Die Frauen scheinen eines Herrn und Meisters mehr zu bedürfen als der Freiheit; daher pflegen sie unter ihren Liebhabern auch den vorzuziehen, dessen Verhalten es am wenigsten verdient. Wie aber sollen sie diese gemeinen sklavischen Neigungen ablegen können, wenn ihre Erziehung sie von Kindheit an dazu abgerichtet hat, ihren Charakter zu verleugnen und dem ersten besten gefügig zu sein, den Zufall, Intrige oder Habgier ihnen zum Mann geben? (I, 146-147)

Unsere Zivilisierten, die Frau und Esel vor den gleichen Karren spannen, kommen gar nicht auf den Gedanken, daß der Schöpfer die Frau dazu bestimmt haben könnte, in allen sozialen Bereichen mit dem Mann zu wetteifern und ein Gegengewicht gegen seinen Einfluß zu bilden, der stets grob und bedrückend ist, da er einzig auf Gewalt gründet.
Ein Umstand, der viel dazu beigetragen hat, die Geister über die Bestimmung des weiblichen Geschlechts zu täuschen, ist die Tatsache, daß die Frauen, wie alle in Knechtschaft lebenden Klassen, sich untereinander hassen, das unterdrückende Geschlecht anbeten und jeden Mann verachten, der ihre Partei ergreift und ihr Sklavendasein beklagt. Dieser Zustand der Knechtschaft zwingt sie zur Heuchelei, dem einzigen Mittel, das tyrannische Geschlecht zu hintergehen; und wegen dieses scheinbaren Unrechts kommen unsere Philosophen zu dem Schluß — einer Doktrin, die der der Türken alle Ehre macht —, daß die Frau ein lasterhaftes, untergeordnetes Wesen ist, und verdammen somit die Hälfte des Menschengeschlechts zu Unwissenheit und Bedeutungslosigkeit. (X, Bd. II, 173)
Da man nicht einmal ahnt, daß die Frau dazu bestimmt sein könnte, schon im zarten Alter in der Industrie, in Kunst und Wissenschaft wie auch in den sozialen Tugenden zu glänzen, weiß man nichts Besseres zu tun, als sie auf das Ehejoch eines Unbekannten vorzubereiten, der sie erhandeln wird. Ich räume ein, daß die zivilisierte Ordnung solch einer niederträchtigen Politik bedarf; aber ebenso gewiß ist, daß die Philosophen sich vorsätzlich dazu hergeben und noch heimtückischer als andere darauf hinarbeiten durch ihre Sophismen, die sie weidlich gebrauchen, um die Frauen vom Weg des Ruhms abzudrängen oder mit Gewalt davon fernzuhalten. (V, 189)

Frauen sind nicht unbeständiger als Männer

Die Frauen wissen so wenig über ihre Bestimmung, daß sie es bisweilen zulassen, daß man über ihre Unbeständigkeit spottet, gegen welchen Vorwurf sie sich sehr schlecht verteidigen. Sofern sie nur die These studieren, die ich hier darlege, werden sie den jungen wie den alten Schwätzern das Maul stopfen können, die den Frauen unablässig ihre Flatterhaftigkeit vorhalten und dabei vergessen, daß diese Anklage gänzlich absurd ist, da sie notgedrungen beide Ge
schlechter zugleich treffen muß, denn keines kann ohne die Mitwirkung des anderen treulos sein. [. . .] Die Zivilisierten haben die Begabung, viele Jahrhunderte lang über die absurdesten Ansichten zu witzeln. [. . .] Wenn die Frauen unbeständig sind, so ist das ein Beweis dafür, daß die Männer gleichermaßen unbeständig sind. Da der Vorwurf somit die gesamte Menschheit trifft, inkriminiert er nur die Schönschwätzer, die über etwas Beschwerde führen, das doch in der Natur des Menschen liegt. Das Menschengeschlecht der Unbeständigkeit zu bezichtigen, ist dasselbe, als wollte man dem Reh vorwerfen, daß es sich gern in Wäldern aufhält; muß es sie nicht lieben, da es geschaffen ist, darin zu leben?
Da nun die Männer nur die Unbeständigkeit lieben und den Frauen mit nichts anderem in den Ohren liegen; und da jede hübsche Frau neben einem Besitzer, ob Gatten oder Liebhaber, der ihr Treue anrät, zwanzig Verehrer trifft, die ihr Untreue anraten, wie auch ihr Gatte zwanzig anderen Frauen vor ihr Untreue angeraten hat, liegt es auf der Hand, daß neunzehn von zwanzig Liebeskämpen im besten Mannesalter, zwischen fünfundzwanzig und dreißig Jahren, der Untreue das Wort reden und daß die Frauen sie begehen müssen, um sich dem Verhalten der Männer, ihren geheimen Machenschaften anzupassen, die ihrer öffentlichen Scheinheiligkeit, ihren moraltriefenden Unterhaltungen so sehr widersprechen, daß sie selbst insgeheim darüber spotten. (VII, 40-41)

Die Zivilisation kritisiert ganz offen ihre Eigenarten, zum Beispiel die Falschheit, die in Liebesbeziehungen herrscht. Im Theater, in Romanen und Gesellschaften wird dagegen gestichelt, und die Witze über dieses Thema, obwohl schon schal geworden, werden täglich wiederholt, als wären sie neu. Sie richten sich vor allem gegen die Frauen, ganz unberechtigterweise, denn beide Geschlechter betrügen einander in der Liebe um die Wette. Und wenn die Männer weniger verlogen erscheinen, so deshalb, weil das Gesetz ihnen mehr Spielraum läßt und dem starken Geschlecht als Artigkeit auslegt, was beim schwachen Geschlecht als Verbrechen gilt. (I, 68)
   
Unzulänglichkeit der gelehrten Frauen
Die männliche Eifersucht hat sich vor allem gegen die Schriftstellerinnen gerichtet; die Philosophie hat ihnen die akademischen Ehren versagt und sie schmählich in die Küche zurückgeschickt.
Doch haben die gelehrten Frauen diese Schmach nicht verdient? Der Sklave, der seinen Herrn nachäfft, verdient von ihm nur einen verächtlichen Blick. Was brauchten sie den abgeschmackten Ruhm, ein Buch zu schreiben und den Millionen unnützer Bände noch ein paar mehr hinzuzufügen? Die Frauen sollten keine Schriftsteller hervorbringen, sondern Befreier, einen politischen Spartakus, Genies, die auf Mittel sinnen, ihr Geschlecht von der Erniedrigung zu befreien.
Auf den Frauen lastet die Zivilisation; Sache der Frauen wäre es, sie anzugreifen. [. . .] Dies ist das einzige Thema, das der Schriftstellerinnen würdig wäre; ihre Gleichgültigkeit in diesem Punkt ist eine der Ursachen, welche die Verachtung der Männer noch gesteigert haben. Der Sklave ist nie verächtlicher, als wenn er durch blinde Unterwerfung den Unterdrücker davon überzeugt, daß sein Opfer für die Sklaverei geboren ist.
Weit davon entfernt, auf Mittel zur Befreiung ihres Geschlechts zu sinnen, haben die gelehrten Frauen sich dem philosophischen Egoismus verschrieben; sie haben die Augen vor der Unterjochung ihrer Genossinnen geschlossen, deren traurigem Los sie zu entrinnen verstanden hatten. Sie haben kein Mittel zu ihrer Befreiung gesucht; darum auch haben die Herrscherinnen, die ihrem Geschlecht hätten dienen können und wie Katharina klug genug waren, Vorurteile zu verachten, nichts für die Befreiung der Frauen getan. Niemand hatte eine Vorstellung entwickelt, niemand eine Methode der Freiheit in der Liebe angegeben. [. . .]
Es wäre Sache der gelehrten Frauen gewesen, die Möglichkeiten der Befreiung der Frauen zu erforschen; indem sie diese Aufgabe vernachlässigten, haben sie ihren literarischen Ruhm getrübt und verdunkelt, und die Nachwelt wird nur ihren Egoismus und ihre Erniedrigung sehen. (I, 129-130)
Wie läßt sich die Gleichgültigkeit der Frauen erklären, die zwar gelehrt genug sind, dicke Romane zu schreiben und sogar politische Unruhen zu stiften, wie das letzte Werk von Madame de Staël [»über Deutschland«] beweist, aber sich nie gegen die Verfolgung der Männer auflehnen? (XII, 262)
Darf man sich dann wundern, wenn man sieht, daß die Politik seit 25oo Jahren reine Männersache und ausschließlich mit Männerangelegenheiten befaßt ist, daß es noch niemals eine weibliche Politik gegeben hat, noch nie irgendeine Körperschaft, die sich damit befaßt hätte, die Rechte des weiblichen Geschlechts zu erweitern? Ich sage dies zur Schande vieler berühmter Frauen, die ungeachtet ihrer glänzenden Möglichkeiten, ihrem Geschlecht zu dienen, diese neue Laufbahn nicht erkannt haben. Sie einzuschlagen, wäre um so leichter gewesen, als sie sich auf einen einzigen Punkt beschränkte: für die Frauen die freie Ausübung der Liebe durchzusetzen. (XII, 633)

Die außergewöhnliche Frau
Es ist erstaunlich, daß die Frauen sich den Männern stets überlegen gezeigt haben, wenn sie auf dem Thron ihre natürlichen Fähigkeiten entwickeln konnten, deren freie Entfaltung die Krone ihnen gestattete. Ist es nicht allgemein bekannt, daß von acht Herrscherinnnen, die frei und unvermählt waren, sieben ruhmvoll regierten, während auf acht Könige in der Regel sieben schwache Herrscher entfallen? Und wenn einige Frauen auf dem Thron nicht geglänzt haben wie Maria Stuart, dann nur deshalb, weil sie sich von den Vorurteilen in der Liebe behindern und irreleiten ließen, statt sich kühn über sie hinwegzusetzen. Wenn sie sich aber dazu entschlossen, welche Männer wußten dann besser als sie das Szepter zu führen? Elisabeth und Katharina sind zwar nicht selbst in den Krieg gezogen, aber sie verstanden es, ihre Generäle auszuwählen, und sie haben eine gute Wahl getroffen. Haben die Frauen nicht auch in jedem anderen Gebiet der Staatsführung den Männern Lektionen erteilt? Welcher Fürst hat eine Maria Theresia an Standhaftigkeit übertroffen, die in einem Augenblick, da das Unheil über sie hereinbrach, die Treue ihrer Untertanen wankte und ihre Minister wie betäubt waren, es allein unternahm, allen neuen Mut einzuflößen? Durch ihr Auftreten verstand sie es, den ihr ungünstig gesonnenen ungarischen Reichstag einzuschüchtern; sie hielt den Magnaten eine lateinische Ansprache und brachte selbst ihre Feinde dazu, auf ihre Schwerter zu schwören, für sie in den Tod zu gehen. Das ist gleichsam ein Vorzeichen der Wunderdinge, die der Wetteifer unter den Frauen in einer Gesellschaftsordnung zeitigen würde, die den weiblichen Fähigkeiten freie Entfaltung gewährt.
Und ihr, Vertreter des Geschlechts der Unterdrücker, würdet ihr die Frauen nicht in den Fehlern übertreffen, die man ihnen vorwirft, wenn eine knechtische Erziehung euch wie sie dazu herangebildet hätte, euch für Automaten zu halten, dazu geschaffen, den Vorurteilen zu gehorchen und vor einem Herrn und Meister zu kriechen, den euch der Zufall beschert? Hat man nicht gesehen, wie euer Anspruch auf Überlegenheit durch Katharina zuschanden wurde, die das männliche Geschlecht mit Füßen trat? Indem sie die Einrichtung adliger Favoriten schuf, hat sie den Mann in den Schmutz gezogen und bewiesen, daß er sich in voller Freiheit noch tiefer erniedrigen kann als die Frau, deren Erniedrigung erzwungen und somit entschuldbar ist. (I, 118)
Wenn ich die heutige Erziehung und den knechtischen Geist anklage, mit dem sie die Frauen erfüllt, so tue ich dies im Vergleich mit anderen Gesellschaften, in denen es unnötig sein wird, ihren Charakter durch Vorurteile zu entstellen. Ich führe ihnen die bedeutende Rolle vor Augen, die sie werden spielen können, wenn sie dem Beispiel derjenigen folgen, die den Einfluß der Erziehung überwunden und dem Unterdrückungssystem widerstanden haben, welches das eheliche Band erfordert. Indem ich auf jene Frauen hinweise, die einen freien Flug gewagt haben, von den Mannweibern wie Maria Theresia bis zu deren sanfteren Schattierungen wie einer Ninon oder der Sbign, kann ich mit Recht behaupten, daß die Frau im Zustand der Freiheit den Mann in allen geistigen und körperlichen Funktionen überflügeln wird, die nicht allein von physischer Kraft abhängen. (I, 129)

Für die Befreiung der Frau

Die Zivilisierten beurteilen die Frauen nach ihrer heutigen Lebensart, nach der Verstellung, zu der unsere Gesellschaft sie zwingt, da sie ihnen jede Freiheit verweigert. Sie glauben, dieses Doppelspiel sei eine natürliche und unwandelbare Eigenschaft des weiblichen Geschlechts. Beobachtet man aber den großen Unterschied zwischen den Damen unserer Hauptstädte und den Odalisken eines Harems, die sich für Automaten zum Zeitvertreib der Männer halten, dann läßt sich ermessen, um wie viel größer der Unterschied zwischen unseren Damen und denen einer gesitteten Nation wäre, in der das weibliche Geschlecht zu voller Freiheit erzogen würde! Und welchen Charakter würde die Freiheit bei diesen Frauen hervorbringen? Derlei Fragen aufzuwerfen, hüten sich die Philosophen. Von einem Geist der Unterdrückung, einer geheimen Abneigung gegen das weibliche Geschlecht durchdrungen, versuchen sie, die Frauen durch abgeschmackte Schmeicheleien über ihr Sklavendasein hinwegzutäuschen, und ersticken sogar jeden Gedanken daran, wie sich die Frauen in einer Gesellschaftsordnung entwickeln würden, die ihre Ketten erleichterte. (I, 90)
In Europa hat man das weibliche Geschlecht so sehr erniedrigt, daß es gar nicht mehr auf den Gedanken kommt, zu fordern, was ihm zusteht. (XII, 339)
Hätte das Gesetz den Frauen die freie Ausübung der Liebe gewährt, dann wäre jene Verlogenheit in den Liebesbeziehungen, über die wir so ungerecht spotten, geringer geworden, und man hätte ohne jeden Nachteil die uneingeschränkte Scheidung einführen können. (I, 89)
Die Unterjochung der Frau gereicht den Männern keineswegs zum Vorteil. Wie betrogen ist doch der Mann, der sich verpflichtet hat, ein Joch zu tragen, das ihm Entsetzen einflößt, und wie ist der Mann durch die Widrigkeiten dieser Bindung dafür gestraft, daß er die Frau zur Sklavin gemacht hat! (I, 113)
Allgemein läßt sich die These aufstellen: der soziale Fortschritt vollzieht sich entsprechend den Fortschritten in der Befreiung der Frau, und der Verfall der Gesellschaftsordnung vollzieht sich entsprechend der Abnahme der Freiheit der Frau. [. . .] Die Erweiterung der Vorrechte der Frau ist das allgemeine Prinzip allen sozialen Fortschritts. (I, 132-133)

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Übersetzung Eva Moldenhauer, zitiert nach Charles Fourier, Aus der Neuen Liebeswelt, Wagenbachs Taschenbücher Nr. 32, 1977, S. 77-90 (nur noch antiquarisch erhältlich, nichtsdestotrotz empfehlenswert!)

Literaturverweise:
Ouevres complètes, Paris 1966ff.:
I: Theorie des quatre mouvements (1868)
II, III, IV, V: Theorie de l'unité universelle oder Traité de l'association domestique agricole (1822)
VI: Le Nouveau Monde industriel et sociétaire (1829)
VII: Le Nouveau Monde amoureux (unveröffentlichtes Manuskript, 1967 herausgegeben von Simone Debout; geschrieben um 1817-1819)
VIII, IX: La Fausse Industrie (1835)
X, XI, XII, XIII: Verschiedene, in der Zeitschrift La Phalange erschienene Schriften.
(X und XII sind in je zwei Bände unterteilt: X: Bd. 1, 1851, und Bd. 2, 1852; XI: Bd. 3, 1853-1856, und Bd. 4, 1857-1858.)