Die verkehrten Forderungen des DGB:
»Gute Arbeit für Europa« – statt für Geld?
»Gerechte Löhne« – statt hohe?
»Soziale Sicherheit« – für die prekären Existenzen, die wohl immer dazu gehören?
1. Ihr wollt »raffende« Finanzkapitalisten kennen, die mit
ihrer Gier die Wirtschaft kaputt machen, und gute
»schaffende« Arbeitgeber, die sie wieder aufbauen. Mit den
guten wollt Ihr paktieren, für ihre Geschäfte vom Staat
»kraftvolle Investitionen in qualitatives Wachstum und
Beschäftigung« einfordern und so die Krise überwinden,
die nur die Spekulanten verschuldet haben sollen. Den
grundlegenden Gegensatz zwischen den Kapitalisten in den Banken und
denen in der Realwirtschaft gibt es aber nicht, weder bei der
Verursachung der Krise, noch bei ihrer Bewältigung – und
schon gleich gibt es zwischen denen keinen Gegensatz, den Ihr für
Eure Interessen ausnützen könnt. Darf man daran erinnern,
daß sich auch in der Realwirtschaft alles um die Bereicherung der
Unternehmen dreht? Womit machen Eure Arbeitgeber denn ihr
Geschäft, wenn nicht mit ihrem Geld? Die Arbeit erledigt doch
Ihr! Bei der Macht des Geldes, die über Eure Arbeit
kommandiert, kann man keinen großen Gegensatz entdecken zwischen
den Banken, die diese Macht herleihen, und den Firmen, die sie sich
ausleihen. Daß die beiden Fraktionen des Kapitals gegeneinander
konkurrieren, ist sicher richtig. Aber das sollte nicht Eure Sorge
sein, denn im Verhältnis zu Euch steht allemal deren
Einheitsfront. Mit der habt Ihr es im Aufschwung wie in der Krise zu
tun. Ihr habt nur die Aufgabe, für die Bereicherung Eures
Arbeitgebers wie seiner Geldgeber bis zum hinterletzten Spekulanten
rentable Arbeit abzuliefern – oder, und das ist Eure einzige
Alternative, nicht einmal das tun zu dürfen.
2. Verkehrt ist auch der Einfall, der Staat müßte und
könnte Euer Bündnispartner im Umgang mit den sozialen Folgen
der »Finanzkrise« sein. Woher die Idee, der Staat wäre
das hilflose Opfer von Machenschaften des spekulativen Geldgewerbes,
»muß« erst seine Banken retten und kann dann den
»Druck« seiner Schulden nur »an die Bevölkerung
weitergeben«? Was ist, wenn es gar nicht
»Versäumnisse« und »Fehlentwicklungen« der
Politik sind, die zur beklagten Ausbreitung der Armut geführt
haben? Was, wenn die Folgen der Gesetze, mit denen Politiker regieren,
von denen auch genau so gemeint sind, weil sie die arbeitende Mehrheit
in Europa für gar nichts anderes als die Sanierung des
Finanzkapitals verplant haben? Wir jedenfalls entnehmen der
Entschlossenheit, mit der die Regierung Merkel ihren Fiskalpakt
durchsetzt, alles andere, als daß sie von Bankern und Spekulanten
dazu genötigt und so von eigentlich beabsichtigten sozialen Taten
abgehalten worden wäre. Die Verpflichtung der Euroländer auf
Haushaltskonsolidierung entspricht haargenau der Leitlinie, der
deutsche Regierungen schon lange folgen. Sie wollen der ganzen Welt
ihre Kreditwürdigkeit beweisen, weil darin die Quelle liegt, aus
der der Staat seine Finanzmittel schöpft. Deshalb ist es
grundfalsch zu meinen, die deutsche Politik würde zu etwas
gezwungen, was sie selber nicht im Programm hat.
Die DGB-Forderung nach »kraftvollen Investitionen« und
einem Marshallplan für Europa weist die Bundesregierung vorerst
zurück; was aber wäre erreicht, wenn sie die Idee zusammen
mit ihren EU-Partnern aufgriffe? Dann hättet Ihr schon wieder die
nächste Einheitsfront gegen Euch! Oder glaubt Ihr allen Ernstes,
die europäischen Staaten würden im Verbund mit privaten
Kreditgebern in andere Arbeitsplätze investieren als in solche,
die ihre Kreditwürdigkeit untermauern, die also in Sachen
Leistungsanforderung und Billiglohn weltmeisterlich rentabel und so
garantiert gegen Eure Interessen gerichtet sind? Ihr könnt
natürlich Euer Leben lang alle Gemeinheiten, mit denen der Staat
Euch konfrontiert, als Abweichung von was eigentlich Besserem
interpretieren, das Material dafür geht garantiert nicht aus. Euch
könnte aber auch der hoffnungslose Widerspruch auffallen, sich mit
Anträgen auf bessere Behandlung an die Chefs des Staatshaushalts
zu wenden und von denen die »Schaffung von
Arbeitsplätzen« zu verlangen, die die nach ihren Kriterien
sowieso schaffen, wo sie Gewinn für Unternehmen und
Wirtschaftswachstum versprechen, und die sie nach Euren Kriterien von
guter Arbeit sowieso nie schaffen. Ihr fordert, der Staat solle sein
Geld zu Euren Gunsten ausgeben. Wenn dieses Geld dazu gedacht
wäre, für Euch gute Werke zu tun, hätte er es Euch
allerdings gar nicht erst zwangsweise wegnehmen müssen! Habt Ihr
vergessen, daß Ihr es seid, die den Staat finanzieren? Daß
die Herrschaft von Euren Steuern lebt und vom Reichtum der Reichen, die
Ihr durch Eure Dienste erst reich gemacht habt? Wenn Ihr beim
staatlichen Verwalter des Euch abgenommenen Geldes um
Berücksichtigung bitten müßt: Merkt Ihr da nicht,
daß Ihr ein ganzes System finanziert, das für alles andere
da ist als zur Bedienung Eurer Versorgungsanliegen?
3. Weil in Deutschland noch relativ viele ihren Dienst fürs
Kapital tun dürfen, während die Massen, die gar nichts mehr
verdienen können, mehrheitlich in anderen europäischen
Ländern anfallen, macht sich der DGB auch noch für die
soziale Besserstellung der Nachbarvölker stark. Derselbe Verein,
der sich bis gestern dafür gerühmt hat, mit jahrelangem
Lohnverzicht in der Krise für »die Rettung von
Arbeitsplätzen« und den Aufschwung der deutschen Wirtschaft
– selbstverständlich gegen das Ausland - gesorgt zu haben,
legt Euch nun folgende Sorge nahe: »Das vermeintliche Modell
Deutschland führt zu Lohndumping und zu einer sinkenden
Binnennachfrage. Wenn wir dieses Modell auf Europa übertragen,
schadet das auch unserer exportorientierten Wirtschaft. Es kann
Deutschland nicht gut gehen, wenn es Europa schlecht geht.« Das
ist gelungen: Das Lohndumping des deutschen Modells, das der DGB
mitgetragen hat, mag für die Betroffenen und die deutsche
Binnennachfrage unerfreulich gewesen sein – richtig abzulehnen
ist es erst, wenn es auf die ganze EU übertragen wird: Solange die
deutsche Wirtschaft die Binnennachfrage der Partner ausnutzen konnte,
hatten Billigkeit und Opferbereitschaft deutscher Arbeitnehmer ja ihren
guten Sinn, erst wenn das nicht mehr geht, läuft echt etwas
schief. Der DGB bemerkt, daß die fremden Niederlagen in der
europäischen Konkurrenz den deutschen Erfolg früher oder
später untergraben - und welchen Schluß soll einer daraus
ziehen? Daß Staaten dermaßen gnadenlose Konkurrenzsubjekte
sind, daß sie mit ihrer Rücksichtslosigkeit gegen andere
Nationen am Ende sogar die Bedingungen ihres eigenen Erfolgs
aushöhlen? Daß das ein Widerspruch ist, der zum System
kapitalistischer Standortkonkurrenz genauso dazugehört wie die
verheerenden Wirkungen, die es für die Lohnabhängigen nicht
nur in den Verlierernationen bereithält? Von wegen! Kritik ist
wieder einmal fehl am Platz; der DGB hat konstruktive Vorschläge
zu bieten, wie die Standortkonkurrenz und der deutsche Erfolg in ihr
verewigt werden können: Irgendwie müssen unsere Nachbarn Geld
verdienen können, damit sie es weiterhin für deutsche Waren
ausgeben. Der DGB fordert, die Binnennachfrage in Europa zu
stärken, damit es, nicht Euch oder Euren europäischen
Kollegen, sondern damit es Deutschland gut geht!
Bei aller Schönfärberei der kapitalistischen Konkurrenz durch
deutsche Gewerkschaftsvorstände, die zum 1. Mai als »Fest
der Solidarität« laden: Erfolge wie Niederlagen
konkurrierender Nationen gehen immer auf Kosten der
Lohnabhängigen, das gehört schlicht zum System.
(28.04.12)