Zu diesem Zweck kann sich der AZ-Kommentator (AZ vom 07.09.09) ausnahmsweise auch mal sehr gut in die Haut eines anderen hineinversetzen: Natürlich weder in die Angehörigen der zahlreichen Todesopfer noch in die Verletzten, für die der markante Auftritt mindestens eines Bundeswehr-Offiziers gesorgt hat: Nein, diesem Urheber allein gilt sein Mitgefühl. Er könne sich sehr wohl vorstellen, was jener zusammenfantasiert habe: Einen Anschlag hätten die Talibans ausgeführt, mit den Tanklastwägen auf unsere sauberen Bundeswehrsoldaten! Daß diese LKWs, im Sand steckengeblieben, dazu gar nicht mehr in der Lage waren, selbst wenn man diese an sich infame Unterstellung für bare Münze nähme, scheißegal! Wenn ein Herr General bzw. Oberst sich das so eingebildet hat, dann wird da auch was dran sein!
Das einzige, was einem nach Befehl und Gehorsam gedrilltem Gehirn zu entnehmen wäre, entnimmt der AZ-Kommentator dem natürlich nicht: Der unbedingte Wille zum Krieg, der aus ihm im Namen Deutschlands spricht - der Verteidigungsminister* und damit die Bundesregierung aus Union und SPD haben sich ja sogleich hinter ihren Militärbefehlshaber gestellt. Die BRD will den Krieg, den sie sich als solchen zu bezeichnen weigert, als solchen etablieren und scheut dabei keine Gelegenheit, ihn zu eskalieren!
Dafür werden dann die Talibans - nicht nur seitens der AZ - als furchtbar perfide dargestellt: Dabei ist es gerade umgekehrt: Der imperialistische Machtanspruch der NATO, vorgetragen mit haushoch überlegenen Waffen, ruft solche Perfidie überhaupt erst hervor. Die NATO-Staaten lassen den Talibans gar keine andere Wahl.
Im übrigen könnte an diesem unbedingten Willen zum Krieg seitens Deutschlands durchaus erkannt werden, warum sich deutsche Soldaten in Afghanistan aufhalten: Die Talibans sind es nur indirekt: Der wahre Grund ist die imperialistische Konkurrenz mit den USA, denen man das Weltordnen keineswegs alleine überlassen will. Deutschland fühlt sich stark genug, auch in Afghanistan herumzuballern und möchte dafür von seiten der USA auch Anerkennung erheischen. Die Anforderung des Bombardements, das jetzt zu so vielen Opfern geführt hat, soll den USA signalisieren, daß die deutsch-demokratische Wehrmacht ebensowenig zimperlich ist wie die der USA, die regelmäßig Zivilisten bombardiert, was dann heuchlerisch als Versehen dargestellt wird, wenn überhaupt.
Denn in einem sind die USA wirklich freier: Mit dem Völkerrecht und den Genfer Konventionen braucht ihnen niemand zu kommen. Und unsere AZ führt diese ja auch nur ein, um dann festzustellen, daß Krieg irgendwie doch Krieg ist und eine Rücksicht auf Zivilisten einfach nicht machbar ist (siehe Rubrik: "Bei Kämpfen kein echter Schutz für Zivilisten"). So desavouiert sie auch noch das bißchen moralische Kritik, das hierzulande am Afghanistan-Krieg regelmäßig aufkommt, wenn Zivilisten demokratisch massakriert werden.
Sicher, fast hätte "unsere" Zeitung mit der bayernweit größten Auflage aller Tageszeitungen vergessen, an den Wiederaufbau zu erinnern, der ihrer Meinung nach der Zweck - und nicht bloß die ideologische Begründung - des Kriegs ist: Aber so ist das eben, wenn man zuerst alles zerstören muß, damit man danach den wirklichen Aufbau den Überlebenden abverlangen kann. Und die Toten? Die sind und bleiben tot, manche Verletzten Krüppel, aber das geschieht den Afghanen - im Gegensatz zu unseren tapferen Soldaten - gerade recht, wenn sie sich als "menschliche Schutzschilde" der Islamisten hergeben, wenn sie nicht wie ein Dackel den Schwanz einziehen und wählen gehen - oder etwa nicht? Dieser in allen vorgetragenen Kommentierungen - auch in Bezug auf den Vasallen-Präsidenten Hamid Karsai, der ja - mit imperialistischen Augen begutachtet - nicht viel zustande bringen soll - Rassismus elitärster Sorte ist wesentlicher Bestandteil demokratischer Rechtfertigung, inklusive der Rechtfertigung von Gewalt als Mittel der Politik.
(07.09.09)


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* Nicht nur, daß Kritik sich nicht gehört und die AZ am liebsten die Soldaten mit Fanfaren und christlichem Segen jubelnd in den Krieg verabschieden würde: Einen CSU-Minister zu kritisieren gehört sich ja für die AZ erst recht nicht, das ist geradewegs Majestätsbeleidigung. - Wann fliegt eigentlich Militärbischof Mixa wieder in den Hindukusch? Die deutschen Uniformträger brauchen doch seelischen Beistand, oder wie sollen sie all die Kritik aushalten?