Nagib Machfus
(1911 - 2006)
Nagib
Machfus nebst Frau und seinen beiden Töchtern (1988)
Obschon
Machfus für den westlichen Kulturimperialismus nicht
vereinnehmbar
ist, wurde das von jenem trotzdem versucht, eben mit der Verleihung des
Nobelpreises 1988, der dazu erforderlich war. Machfus' emanzipatorische
Intention, sein Beitrag zur Bewußtseinsbildung stehen in
unmittelbaren Gegensatz zu dem Zweck, ihn gleichsam als Kronzeugen der
(westlichen) Werte und Ideologien in der arabischen Welt darzustellen.
Machfus war sich der
Unverschämtheiten der 1. Welt bewußt, weshalb er
auch gar
nicht danach strebte, von Opportunisten des Kapitalismus eine objektive
Beurteilung zu erhalten; und natürlich auch nicht von
Opportunisten in Ägypten selber. Er hielt es angesichts
unhaltbarer politischer Zustände
für nötig,
ganz von vorne anzufangen, also bei der exakten Beobachtung der
Realität als Voraussetzung einer richtigen Beurteilung der
Wirklichkeit und somit als Voraussetzung notwendiger
Veränderungen. Auch mit dem Kommunismus war er konfrontiert;
mit
dessen Degradierung zu einem bloßen Glaubensgebäude
konnte
er nichts anfangen (der Gegensatz zwischen Glauben und Wissen war ihm
geläufig); richtige, kritische Argumente hingegen - mit denen
er
freilich viel zu selten Bekanntschaft machen konnte -
rüttelten
ihn auf und er ließ sich gerne überzeugen. Die
Juli-Revolution 1952 begrüßte er als einen Aufbruch
Ägyptens, sah jedoch schon im Ansatz im
ägyptisch/arabischen
"Sozialismus" (mit Gründung einer Einheitspartei 1953) die
gleichen opportunistischen Tendenzen (welche in der
Selbstauflösung der ägyptischen KP 1965 ihren
Höhepunkt
fanden) wie zuvor in der Politik (vor allem der der führenden
Wafd-Partei). So blieb er ebenso distanziert zur Politik, wie
er
das zuvor schon für ebenso zweckmäßig wie
notwendig
erachtet hatte. Distanziert blieb er auch zu seinem Freund Azmir
Schakir, der sich als Idealist der Revolution verschrieben hatte und
der beklagte, daß sie sich nicht auf die wahren
Revolutionäre stütze, »mal mache sie sich
zu Feinden,
mal
stelle sie sie unter Überwachung«. Die staatlichen
Beamtentätigkeiten (im Kultursektor hauptsächlich),
die
Machfus beruflich ausübte, waren ihm wenig(er)
wichtig. Das
Schreiben in seiner Freizeit war ihm Lebensinhalt. So bedauerte er es
auch keineswegs, 1971 im Zuge des Umschwenkens des neuen
Staatspräsidenten Sadat - er wechselte den
Bündnispartner
UdSSR gegen die USA aus - pensioniert zu werden. Die Folgen
dieser neuen ägyptischen Staatsräson bekam Machfus
dann am
eigenen Leib zu spüren. Viele kamen auch mit ihr nicht auf
ihre
Kosten. So erhielten die Muslimfundamentalisten Auftrieb - und Machfus
wurde bei einem Messerattentat eben auch für diese Politik
verantwortlich gemacht, für die er nun wirklich nie und nimmer
etwas konnte, doch die Muslimfundamentalisten waren offenbar der
Meinung, er sei mit dem Erhalt des Nobelpreises - Sadat bekam ja auch
einen - eben genauso für diese prowestliche (= antiislamische
und
umgekehrt) Politik (mit)verantwortlich. Insofern wäre es in
der
Tat besser gewesen, er hätte ihn gar nicht gekriegt. Und
natürlich auch insofern, als daß er nicht von
bürgerlichen Feuilletonisten - in der BRD beispielsweise -
beurteilt und zweckentfremdet worden wäre. Aber dann
wäre er
hierzulande wohl auch so unbekannt geblieben, wie er es vor 1988 war.
Aber warum sollte es ihm so viel anders ergehen als anderen
herausragenden Schriftstellern? Schließlich hat sich
an den
herrschenden Zuständen seit - sagen wir mal Èmile
Zola - so
viel nicht verändert. Davon zeugen nicht zuletzt seine Werke
selber. Im Roman »Das neue Kairo« von 1945 stehen
drei
Freunde
in Mittelpunkt, von denen einer Kommunist wird, einer sich den
Muslimbrüdern anschließt und der dritte ein - seiner
Armut zum Trotz - knallharter Opportunist wird, also Bodensatz
demokratischer
Verhältnisse. (03.09.06)
seine
Werke, soweit in
deutscher Sprache erschienen,
im wesentlichen vom Unionsverlag zum ersten Mal veröffentlicht
-
bis auf die mit * gekennzeichneten
Romane:
Abath al-aqdār ("Das Spiel
des Schicksals"),
1939 arab. - Cheops, 2005 dt.
Radubis, 1943 - Radubis, 2006
Kifāh Tība ("Ein Kampf um Theben"), 1944
Al-Qāhira al-ǧadīda
("Das neue Kairo"), 1945
Hān al-halīlī ("Chan
al-Chalili"), 1946
Zuqāq al-midaqq, 1947 - Die Midaq-Gasse, 1985
Bidaya wa nihaya, 1947 - Anfang und Ende, 2000
As-sarāb ("Fata Morgana"), 1948
Baina
i-kasrain, 1956 - Zwischen den
Palästen, 1992 (1. Teil der Kairoer Trilogie)
Qasr aš-šauq, 1957 - Der Palast der Sehnsucht,
1993 (2. Teil der Kairoer Trilogie)
As-sukkarīya, 1957 - Das
Zuckergäßchen, 1994 (3. Teil der Kairoer Trilogie)
Awlād hāratinā, 1959 - Die Kinder unseres
Viertels, 1990
Al-liss
wal-kilāb, 1961 - Der
Dieb und die Hunde, 1980*
As-Summān wal-harīf ("Die Wachteln und der Herbst"), 1962
At-tarīq ("Der Weg"), 1964 - Die Spur, 1991
Al-šhahhād
("Der Bettler"), 1965 - Der Rausch, 2003
Tartara fauqa n-Nīl ("Geschwätz auf dem Nil"), 1966
- Das
Hausboot am Nil, 1982*
Mīrāmār, 1967 - Miramar, 1989
Al-hubb tahta l-matar ("Liebe im Regen"), 1973
Al-karnak, 1974
Qalb al-lail ("Das Herz der Nacht"), 1975
Hadrat al-muhtaram, 1975 - Ehrenwerter Herr, 1996
Malhamat al-harāfiš ("Der Kampf des Plebs"), 1977
- Das
Lied der Bettler, 1995
Asr al-hubb ("Das Zeitalter der Liebe"), 1980
Afrāh al-qubba ("Hochzeitsfeiern"), 1981
Alf layāla wa layla, 1982 - Die Nacht der Tausend
Nächte, 1998
Al-bāqī min az-zaman sā a ("Es bleibt nur noch eine Stunde"), 1982
Rihlat Ibn Fattūma, 1983 - Die Reise des Ibn Fattuma,
2004
Al-ā iš fi l-haqīqa ("Der in Wahrheit lebt"), 1985
- Echnaton
1999
Yaum qutila
az-za īm ("Der Tag, an dem der Präsident ermordet wurde"),
1985 - Der
letzte Tag des Präsidenten, 2001
Hadīt as-sabāh wal-masā ("Morgen- und Abendunterhaltung"), 1987
Quštumr, 1988
---
Asda' as-sira adh-dhatiya, 1994 - Echo meines Lebens, 1997
(Marginalien)
Al-marāyā, 1972 - Spiegelbilder, 1999 (Portraits
bekannter und unbekannter ägyptischer Personen, von
historischem Interesse)
Die Kneipe »Zur
schwarzen Katze« (Erzählungen),
1962-1989
arab., 1993 dt.*
Die Moschee in der Gasse (Erzählungen), 1978
arab.,
1988 dt.,
diese
Zusammenstellung wurde in dem Band
"Die segensreiche Nacht" 1994
nur teilweise neu herausgegeben und lediglich um jene gleichnamige
Erzählung ergänzt.
(Zusammenstellung wird ergänzt,
insbesondere
die Erzählungen. Sorry für die unzulängliche
Transkription aus dem Arabischen!
Jederzeit dankbar für sachdienliche Hinweise!)