Die 50er Jahre: Die Lüge vom deutschen Wirtschaftswunder

 

In der deutschen Geschichtsschreibung liest man so gut wie nichts über die Marshallplan-Kredite, mit denen die USA der Bundesrepublik Deutschland dazu verhelfen wollte, ein profitabler Handelspartner für die USA zu werden.
Stattdessen liest man viel über die Reparationen und Belastungen des neuen Staates. Überhaupt nichts liest man über das Londoner Schuldenabkommen von 1953, mit dem der BRD rund 15 Milliarden DM an Schulden (die die Nazi-Herrschaft hinterlassen hatte) erlassen, weitere 15 Milliarden langfristig gestreckt wurden. Die BRD sollte als Bollwerk gegen den realen Sozialismus tauglich sein.
Viel liest man dagegen über Ludwig Erhard und Konrad Adenauer, Staatsmänner, die die Ärmel aufgekrempelten und energisch an ihrem Kurs von Freiheit & Marktwirtschaft festhielten, was die Grundlage für den Wirtschaftsaufschwung gewesen sein soll. Wie sie allerdings die Ärmel aufkrempelten, das verdient schon eine genauere Betrachtung. Wie Erhard der Firma Daimler-Benz den Rücken freihielt und die politischen Bedingungen schuf, unter denen jene Firma Milliarden von Nazi-Geldern in Argentinien über ihre dortigen Tochterfirmen gewaschen hat, das hat einige Aufmerksamkeit verdient. Einerseits etablierte sich Daimler-Benz so auf dem Weltmarkt, andererseits floß frisches Geld nach Deutschland zurück. Zugute kam Daimler dabei weniger das Interesse der USA - sondern das Argentiniens nach einer eigenen Entwicklung. Es war der erste Konkurrenzerfolg der neuen Nation gegen die USA, und Argentinien war das nützliche und ausnutzbare Objekt.

Unschätzbar deshalb das Verdienst von Gaby Weber, die diesbezüglich akribisch recherchiert hat und mit dem Buch "Daimler-Benz und die Argentinien-Connection - Von Rattenlinien und Nazigeldern" ein bahnbrechendes Werk zur Aufdeckung bundesdeutscher Nachkriegsmärchen verfaßt hat. Sie hat zu dem Thema auch einen Dokumentarfilm gedreht ("Wunder gibt es nicht"), der in Argentinien zur besten Sendezeit lief, während hierzulande sich sowohl die Privatkanäle wie auch die öffentlich-rechtlichen einer diesbezüglichen Aufklärung verweigern: Deutsche Märchen sollen wohl weiterhin die Köpfe vernebeln.

Gaby Weber: Daimler-Benz und die Argentinien-Connection - von Rattenlinien und Nazigeldern. Verlag Assoziation A, Hamburg 2005, 10 €, ISBN 3-935936-33-8; siehe auch Rezension in der taz vom 3./4.07.2004

Eine spanische Ausgabe des Buches ist bei Edhasa in Argentinien unter dem Titel La conexión alemana. El lavado del dinero nazi en Argentina erschienen.